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Im Vorfeld der Erlaubnis von E-Tretrollern wurde vor Unfällen und "Bergen von Elektroschrott" gewarnt.

© dpa/ Roland Weihrauch

Nutzerzahlen, Anbieterranking, Leihstatistik: Studie liefert erste Bilanz nach dem Start der E-Scooter

1,8 bis 2,8 Kilometer legen E-Scooterfans in der Regel auf den kleinen Flitzern zurück. Erste Unfälle alarmieren derweil die Behörden.

Seit zwei Wochen dürfen elektrisch angetriebene Tretroller (Scooter) auf der Straße fahren. Die traurige Bilanz: Allein in Berlin gab es in der vergangenen Woche zwei Unfälle mit den bis zu 20 km/h schnellen E-Fahrzeugen. Kritiker und Unfallforscher dürften sich in ihren Warnungen bestätigt fühlen.

Nicht nur vor schweren Unfällen wurde im Vorfeld gewarnt. Sondern auch vor „Bergen von Elektroschrott“ auf den Straßen und Bürgersteigen und einer „Kannibalisierung“ des öffentlichen Nahverkehrs. Letztere beiden Punkte lassen sich nach den ersten beiden Wochen seit der Legalisierung nicht bestätigen. Das legt zumindest eine Datenauswertung des Hamburger Beratungsinstituts Civity nahe, die Tagesspiegel Background vorliegt.

1,8 bis 2,8 Kilometer legen E-Tretrollerfans demnach in der Regel auf den kleinen Flitzern zurück. Hauptsächlich werden die Scooter in der Innenstadt genutzt, vielfach durch Touristen, die die Fahrzeuge bereits aus anderen Ländern kennen, wie die Studienautoren anhand der von ihnen ausgewerteten „Heatmaps“ vermuten.

So nennen die Analysten eine Datenvisualisierung, die zeigt, wo besonders viele Fahrzeuge unterwegs sind. In Berlin ist das beispielsweise rund um die Siegessäule – einer Gegend, wo in der Regel nicht viele Berliner unterwegs sind.

Nur ein Hype ohne große Folgen?

Die Sharing-Anbieter stehen in puncto Distanzen damit in direkter Konkurrenz zu Fahrrad- (im Schnitt 3,4 Kilometer) und Fußverkehr (0,9 Kilometer), schlussfolgern die Berater. Dass Reisende statt in Bus und Bahn auf einen E-Tretroller steigen, sei möglich, „jedoch im Gesamtvolumen vernachlässigbar“. Aus Sicht der Berater entstünden durch die Roller weder große Vorteile noch eine ernste Gefahr für den öffentlichen Nahverkehr.

Die auf Mobilität spezialisierte Beratung hat für die Studie die Daten von vier Sharinganbietern ausgewertet: Voi, Tier, Circ und Lime. Alle sind in Berlin aktiv. Sie bieten über (teilweise) offene Programmierschnittstellen Zugang zu den Daten ihrer Fahrzeuge. Im Moment der automatisierten Abfrage werden alle nicht in Benutzung befindlichen und vom Anbieter als sichtbar geschalteten Scooter und ihr Standort erfasst.

Darüber haben die Analysten regelmäßig die Positionen der Fahrzeuge in verschiedenen Städten sowie den Ladezustand der Akkus abgefragt und aus den Positionsdaten dann die Bewegung je Roller ermittelt. Nicht alle Sharing-Unternehmen stellen Open Data oder offene Schnittstellen zur Verfügung.

In Berlin ist das US-Unternehmen Lime laut der Civity-Daten mit mehr als 1000 Fahrzeugen der Anbieter mit den meisten Fahrzeugen, gefolgt vom schwedischen Start-up Voi (875) und dem Berliner Unternehmen Tier (638). Zuletzt aktualisiert wurden die Daten am 26. Juni. Für Circ ließ sich ausschließlich die Fahrzeuganzahl für die Ruhrgebietsstadt Herne ermitteln, wo das Unternehmen als erstes gestartet ist.

Die Großstädte sind Roller-Hotspots

Tier ist den Daten zufolge am aggressivsten in den Markt gestartet. Bundesweit hat das mit mehr als 32 Millionen US-Dollar finanzierte Unternehmen innerhalb weniger Tage knapp 3000 seiner blau-grünen Roller auf die Straße gebracht, gefolgt vom US-Konkurrenten Lime mit etwa 1500 Rollern.

Tier ist in Deutschland neben Berlin auch in Bonn, Köln, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt a.M. und München aktiv und nach eigenen Angaben in seinen Kernmärkten profitabel. Einige Anbieter hatten im Vorfeld angekündigt, nicht nur in großen, sondern auch in mittelgroßen Städten zwischen 150.000 und 200.000 Einwohnern starten zu wollen. Darauf lassen sich bisher in der Auswertung keine Hinweise finden.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Im Schnitt wurden die Fahrzeuge 2,2 bis 3,3 Mal am Tag bewegt, wie eine Auswertung der Voi- und Circ-Roller in Paris zeigt. Dabei kann jedoch nicht unterschieden werden, ob die Bewegung durch einen Nutzer oder einen Disponenten erfolgt. Um Geld mit dem Dienst zu verdienen, dürfte das zu wenig sein.

Rund fünf Mal pro Tag muss ein Scooter entliehen werden, wenn er sich nach knapp vier Monaten rechnen soll, hat die Boston Consulting Group in einer Studie ermittelt.

Richtig rund läuft es für die Anbieter laut dieser ersten Bilanz also nicht. Hinzukommt, dass die Berliner Verkehrsverwaltung nach den ersten Unfällen bereits strengere Regeln für die Anbieter erwägt. Das könnte zum Beispiel eine Obergrenze für Roller in Berlin sein, sagte ein Senatssprecher dem Tagesspiegel.

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