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Anschluss nicht verpassen. Die Autokonzerne setzen auf eine gute Bewertung der EU für Hybridfahrzeuge.

© imago images/Joerg Boethling

Nicht zu viel tanken: EU plant härtere Umweltauflagen für Plug-in-Hybride

Autokonzerne hübschen mit Plug-in-Hybriden ihre Klimabilanzen auf. Studien zeigen aber, dass häufiger mit Verbrenner gefahren wird als angenommen.

Bis Ende Februar mussten die Hersteller an die EU-Kommission die CO2-Werte ihrer Neuwagenflotten in 2020 melden. Es dürfte Herbst werden, bis die EU-Behörde die Daten geprüft hat und die Werte veröffentlicht. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Branche noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt. Diesmal dürften nur Volkswagen und Jaguar Land Rover die Hürde reißen, die im Schnitt der Hersteller bei einem Ausstoß von 95 Gramm je gefahrenen Kilometer liegt.

Beim Erreichen der Flottenziele hat allen Herstellern der Boom von Plug-in-Hybriden geholfen. Plug-in-Hybride gehen nicht mit dem tatsächlichen Kraftstoffverbrauch in die Statistik ein. Vielmehr schlagen sie mit Traumwerten zu Buche: Etwa das Doppelantriebsmodell von Daimlers A-Klasse mit 32 Gramm CO2 je gefahrenem Kilometer, was einem Kraftstoffverbrauch von 1,4 Liter auf 100 Kilometern entspricht.

Dabei wird unterstellt, dass die theoretische elektrische Reichweite von mittlerweile bis zu 100 Kilometern auch tatsächlich genutzt wird. Die Praxis sieht allerdings häufig anders aus: Werden die schwereren Fahrzeuge nur im Verbrennermodus gefahren, sind die Verbräuche wesentlich höher als etwa bei den sparsamsten Nur-Dieseln.

Elektroprämie auch für Plug-in-Hybride

Plug-in-Hybride sind der Verkaufshit – auch dank der bis Ende 2025 verlängerten Kaufprämie von bis zu 6750 Euro für Neuwagen. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden 2020 in Deutschland 200.469 Fahrzeuge neu davon zugelassen, mehr als viermal so viele wie im Vorjahr. Vollelektrische Fahrzeuge wurden 194.163 in Deutschland neu zugelassen, eine Verdreifachung. Alle Marken, vor allem die Premiumhersteller, haben viele neue Plug-in-Hybride in der Pipeline.

Daimler zum Beispiel verkauft derzeit 20 Plug-in-Hybrid-Modellvarianten von der A- bis zur S-Klasse. In diesem Jahr sollen weitere Modell-Varianten der C- und S-Klasse dazukommen. Ein Sprecher sagte Tagesspiegel Background: „Wir stellen unser Portfolio konsequent um, sodass wir bis 2030 mehr als die Hälfte unseres Pkw-Absatzes mit Plugin-Hybriden und vollelektrischen Fahrzeugen erreichen können.“ Bei Volkswagen (mit Audi und Porsche) und BMW sieht es ähnlich aus: Alle setzen auf eine massive Ausweitung des Plug-in-Anteils und hoffen so, ohne Strafzahlungen auch bei den anstehenden Verschärfungen der CO2-Flottengrenzwerte davon zu kommen.

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Doch die CO2-Strategie der Hersteller ist riskant. Sie baut darauf, dass Plug-in-Hybride weiterhin so vorteilhaft von der EU-Regulierung bewertet werden. Nach Informationen von Background sind die Privilegien für die Technologie mit den zwei Antrieben aber hochgradig gefährdet. Die EU-Regulierung unterstellt, dass Plug-in-Hybride zu 70 Prozent im Elektro- und zu 30 Prozent im Verbrennermodus gefahren werden. Dieser sogenannte Nutzungsfaktor ist in der einschlägigen WLTP-Verordnung festgeschrieben. Studien zeigen aber, dass Privatleute im Schnitt nur auf einen E-Anteil von 43 Prozent kommen, Dienstwagenbenutzer, die womöglich noch eine Tankkarte haben, nutzen den E-Antrieb nur zu 18 Prozent.

Deutlich veränderte reale Fahrdaten erwartet

„Man muss schon mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn man meint, dass die EU-Regulierung den Nutzungsfaktor nicht anpackt“, sagt einer der am besten informierten Lobbyisten eines deutschen Herstellers in Brüssel. Auch ein VW-Sprecher bestätigt: „Für eine Diskussion der Nutzungsfaktoren erwarten wir gegenüber heute deutlich veränderte reale Fahrdaten.“ Der Druck auf die Kommission ist hoch.

Klimaschützer mobilisieren gegen die hochmotorisierten SUV-Modelle unter den Plug-in-Hybriden, die im reinen Verbrennermodus CO2-Werte von 200 Gramm je gefahrenen Kilometer und mehr aufweisen. Die Kommission könnte die realitätsleere Nutzungsverordnung für Plug-in-Hybride relativ leicht anpassen. Sie muss dafür nicht einmal ein neues EU-Gesetz machen. Den Mitgliedsländern würden bei einer derartigen Operation nicht die vollen Mitspracherechte zustehen.

Wahrscheinlich ist, dass der für den Green Deal zuständige Frans Timmermans das Thema bald angeht. Dieser hat angekündigt, die CO2-Flottenziele für die Jahre 2025 und 2030 noch einmal zu verschärfen. Nach bisherigem EU-Gesetz soll der Ausstoß von 2021 bis 2030 im Schnitt um 37,5 Prozent gesenkt werden. Timmermans will diesen Wert auf 50 Prozent erhöhen und dazu im Juni einen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen. Im Zuge dessen, so die Erwartung in Brüssel, dürfte das Privileg für Plug-in-Hybride fallen. Die Hersteller müssen sich dann etwas Neues einfallen lassen.

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