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Unter erschwerten Bedingungen. Zu keiner Jahreszeit setzen Einzelhändler so viel um wie rund um Weihnachten. Ladenschließungen träfen sie da hart.

© dpa

Neuer Lockdown trifft den Handel: Tristesse in der Innenstadt

Der Einzelhandel fürchtet Ladenschließungen in der umsatzstärksten Zeit des Jahres und will unbedingt bis Weihnachten verkaufen dürfen.

Von einem „Flächenbrand in unseren Innenstädten“ spricht der Handelsverband HDE und ruft nach der Feuerwehr: Der Staat müsse den Geschäften nach dem Vorbild des Gastgewerbes über die bevorstehenden Lockdown-Wochen helfen. Das wird teuer. Den Handel (ohne die Lebensmittelgeschäfte) könnte eine Ladenschließung bis zu einer Milliarde Umsatz am Tag kosten, hat der Verband ausgerechnet. Bei den November- und Dezemberhilfen nimmt die Bundesregierung den Umsatz des Vorjahresmonats als Bezugsgröße; 75 Prozent davon sollen die betroffenen Betriebe vom Bund bekommen. Das kostet allein für diese beiden Monate rund 35 Milliarden Euro – ohne den Einzelhandel.

Ein Viertel des Umsatzes vor Weihnachten

„Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist neben der Woche vor Heiligabend die umsatzstärkste Zeit“, sagt HDE-Chef Stefan Genth. Viele Händler machten im November und Dezember ein Viertel ihres Jahresumsatzes. Dazu gehörten Buchhandlungen, Händler mit Uhren und Schmuck oder der Spielwarenhandel. Ursprünglich war die Branche optimistisch in das Weihnachtgeschäft gegangen und hatte sogar ein Plus gegenüber dem Vorjahr erwartet. Dieser Optimismus ist dahin. Die vergangenen Wochen blieben bereits unter den Erwartungen, und eine erneute Schließung der Geschäfte ist nur noch eine Frage von Tagen.

Kaum Infektionen unter den Beschäftigten

Zwar argumentiert die Branche – ähnlich wie das Gastgewerbe – mit den geringen Infektionen in den Läden und Geschäften. Die Zahlen unter den Verkäuferinnen und Verkäufern belegten, dass der Einzelhandel unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche kein Hotspot sei. Eine Schließung sei deshalb als Maßnahme zur Pandemiebekämpfung nicht notwendig. Und dennoch weiß auch Genth um das Bemühen der Politik, die Leute zu Hause zu lassen, indem die Kontaktmöglichkeiten außerhalb der eigenen Wohnung weiter reduziert werden. Wenn also Ladenschließungen nicht zu verhindern seien, so appelliert Genth an die Politik, dann frühestens nach Weihnachten, „besser erst ab Januar“.

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Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr werden von vielen Menschen zum Umtauschen von Geschenken oder Einlösen der Gutscheine genutzt. Das bei den Weihnachtseinkäufen beliebteste Präsent ist seit Jahren der Gutschein. Es folgen Spielzeug, Bücher und CDs sowie Schreibwaren.

Appell an die Regierung

Am Mittwoch appellierten mehrere Wirtschaftszweige, darunter Handel und Handwerk, an die Bundesregierung, „zusätzliche Unterstützung“ zu gewähren, damit die Unternehmen und Betriebe über den Winter kommen. Dazu wünscht sich die so genannte Arbeitsgemeinschaft Mittelstand „bundesweit ganzheitliche Verfahrensweisen“. Und weil man schon dabei war, schrieben die Verbände noch weitere Forderungen auf den Wunschzettel: Weniger Staatseinfluss und Bürokratie, bloß kein Lieferkettengesetz und auch kein Rechtsanspruch auf Homeoffice. „Mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode fordert der Mittelstand ein Belastungsmoratorium.“ Wie die teuren Hilfsprogramme, mit denen die Politik die Folgen der Pandemie zu minimieren versucht, zu finanzieren sind, ließen die Verbände offen.

3,2 Millionen Beschäftigte

Allein im Einzelhandel arbeiten hierzulande rund 3,2 Millionen Personen. Und normalerweise erleben die in diesen Tagen den größten Stress. Wegen Corona ist das anders. Es kommen deutlich weniger Kunden in die Geschäfte und es wird weniger Geld ausgegeben. Mit dem Beginn des neuen Lockdowns Anfang November verschlechterten sich sowohl die Konjunktur- als auch die Einkommenserwartung und damit auch die Anschaffungsneigung. Gleichzeitig steigt die Sparquote hierzulande auf eine Rekordniveau von rund 17 Prozent – obwohl es keine Zinsen gibt. Von 100 Euro Einkommen werden also 17 Euro zurückgelegt. Der bisherige Rekord stammt aus 1991 mit 12,9 Prozent.

10 000 zusätzliche Kräfte für Amazon

„Die Kunden kaufen auch in der Coronakrise Geschenke, sie shoppen aber deutlich mehr online und gehen seltener in die Innenstädte“, sagt HDE-Chef Genth. 44 Prozent der Verbraucher wollten ihre Weihnachtseinkäufe verstärkt online erledigen. Hauptprofiteur ist Amazon. Der US-Konzern, der hierzulande in 15 Verteil- und Logistikzentren 16 000 Beschäftigte hat, stockt diese Stammbelegschaft in den Wochen vor Weihnachten um 10 000 Arbeitskräfte auf. Nach Beobachtungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat Amazon keine Probleme, die Leute auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen, da der stationäre Handel deutlich weniger Saisonkräfte eingestellt habe als in den vergangenen Jahren.

Die Weihnachtsumsätze im Online-Handel werden nach einer Schätzung des HDE voraussichtlich um knapp ein Fünftel zulegen. Gleichzeitig macht eine aktuelle HDE-Umfrage deutlich, dass die Innenstadthändler und dort insbesondere der Bekleidungshandel von bedrohlichen Beeinträchtigungen durch den Lockdown ausgehen. Die Geschäfte in den Innenstädten dürften zwar noch öffnen, doch die Politiker appellierten an die Verbraucher, zuhause zu bleiben. In der Folge könnten viele Läden und Geschäfte nicht mehr überleben. Ein Drittel der Händler befinde sich in Existenznot, hat der HDE in seiner Umfrage ermittelt, die vor der Diskussion über die erneute Ladenschließung erfolgte.

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