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Rind sorgt für Absatz bei den Schlachtern. Im ersten Halbjahr stieg die Produktion um ein Prozent.

© dpa

Neue Zahlen zur Fleischproduktion: Satter Fleischmarkt, hungrige Schlachter

Die Fleischproduktion bleibt auf Rekordniveau, während die Nachfrage in Deutschland sinkt. Betriebe zählen nun auf weltweite Absatzmärkte.

Wie der Schein trügen kann: Vegetarische Produkte überfluten deutsche Supermärkte, vegane Restaurants etablieren sich in den Städten und der Fleischverzicht wird zum Trend. Laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bezeichnen sich 37 Prozent der Deutschen als „Flexitarier“. Da könnte man denken, die Fleischindustrie müsse ihre Produktion reduzieren – doch es ist anders.

Das Statistische Bundesamt meldet für das erste Halbjahr im Vergleich zu 2015 ein gleichbleibendes Rekordvolumen in der Fleischproduktion. Insgesamt wurden rund 4,1 Millionen Tonnen Fleisch hergestellt. Schweinefleisch, das seit jeher in Deutschland am häufigsten nachgefragt wird, verliert etwas: Mit 29,2 Millionen Tieren wurden 0,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum geschlachtet.

Wird Rind das neue Schwein?

Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband (DFV) wundert das nicht. „Fleischproduktion ist von Nachfrageprognosen geprägt, die ein bis zwei Jahre im Voraus getroffen werden müssen“, sagt er. „Deutsche Produzenten haben in den letzten Jahren bei Schwein auf großes Wachstum in Auslandsmärkten gesetzt, das dann nicht eingetreten ist.“ Somit sei der leichte Rückgang in diesem Jahr lediglich eine Normalisierung des Markts und vor allem eine Spätfolge des Russlandembargos, das Ende 2014 die Industrie überraschte. Der Preisverfall von Schweinefleisch, der 2015 durch ein Überangebot im EU-Raum entstand, konnte indes rückgängig gemacht werden.

Anders sieht es bei Rind aus: 550 200 Tonnen Rindfleisch wurden im ersten Halbjahr erzeugt, das sind 0,8 Prozent mehr als 2015. Dieses Wachstum wird hauptsächlich verursacht durch die Schlachtung von Kühen und Färsen, also weiblichen Kälbern. Marco Stoffels vom Statistischen Bundesamt kann nur vermuten: „Die sehr niedrigen Milchpreise könnten die Erzeuger dazu bewegt haben, statt Milch eben Fleisch zu produzieren, um die Marge zu erhöhen.“ Auch Jentzsch vom DFV hält diese Vermutung für plausibel. Die Zahlen sprechen dafür: die Betriebe schlachteten 1,2 Prozent mehr Rinder, erzeugten jedoch nur 0,8 Prozent mehr Fleisch – milchproduzierende Kühe sind eben um einiges leichter als Bullen und Ochsen. Das höhere Angebot schlug sich in niedrigen Preisen nieder: Anfang des Jahres lag der Weltmarktpreis von Rindfleisch bei 1,47 Euro pro Pfund, so niedrig wie seit anderthalb Jahren nicht mehr.

Trotz „Flexitariern“ und Flüchtlingen sinkt der Konsum

Horst Drees, Vertriebler beim Schlachtbetrieb Hubert Bahlmann, verspürt eine zunehmende Nachfrage nach Halalfleisch, das nach islamischen Standards verarbeitet wird. Grund dafür sei sicherlich auch die Flüchtlingszuwanderung, die innerhalb von anderthalb Jahren rund eine Million Muslime nach Deutschland geführt habe. „Im Wettbewerb mit polnischen und niederländischen Betrieben haben die Deutschen jedoch kaum eine Chance – deren Kilopreise sind im Großhandel mindestens 40 Cent günstiger“, sagt Drees. Gero Jentzsch bezweifelt, dass Halalfleisch ein Grund für die gestiegene Rindfleischproduktion ist. Die Produzenten hätten den Flüchtlingsstrom schon vor zwei Jahren voraussagen müssen, um die Bestände und die Produktion dementsprechend umzustellen. Viel vom Halalbedarf werde importiert, vor allem aus Frankreich.

Trotz des großen Angebots lässt in Deutschland der Hunger nach Fleisch nach, wenn auch langsam. Die GfK ermittelte für das erste Halbjahr 2016 einen Rückgang von 1,4 Prozent beim Wurst- und Fleischverzehr. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum lag vergangenes Jahr bei 59,9 Kilogramm – ein Kilo weniger als 2014. Gründe für den Rückgang seien zum einen die genannten „Flexitarier“, aber auch die alternde Gesellschaft: Beide Gruppen verzehren weniger Fleisch. Dementsprechend positionieren sich deutsche Schlachtbetriebe im globalen Fleischmarkt. Der deutsche Marktführer Tönnies etwa macht 50 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Die EU-Länder sind bei Weitem die größten Abnehmer, doch die Nachfrage aus Asien und insbesondere China ist ebenfalls groß.

Die hohen Produktionskapazitäten können auf dem heimischen Markt also nicht mehr ausgeschöpft werden, der buchstäblich gesättigt ist. Doch noch gibt es keine Signale für einen Absatzeinbruch.

Sebastian Gluschak

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