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Eine Windanlage von Siemens Gamesa in der Nähe von Gran Canaria.

© REUTERS

Neue Strategie für Siemens Energy: Auf der Suche nach Aufwind

Siemens Energy investiert weitere vier Milliarden Euro in Windanlagen und gibt sich eine neue Struktur.

Wenn Vorstandsvorsitzende eine neue Strategie vorstellen, dann gehört dieser Satz zum Repertoire: „Wir wollen schneller, flexibler und kundenorientierter werden.“ Christian Bruch, Chef von Siemens Energy, bemüht sich nach turbulenten Monaten um einen Neustart. Am Dienstag präsentierte er auf dem Kapitalmarkttag den Investoren und Analysten eine „strategische Weiterentwicklung“, die idealerweise auch der Aktie auf die Sprünge helfen soll. Tatsächlich gehörte der Anteilsschein, der in den vergangenen zwölf Monaten etwa ein Drittel an Wert verlor, am Dienstag zu den wenigen Gewinnern an der deutschen Börse. Bis zu den 22 Euro, die im September 2020 beim Börsengang für eine Siemens- Energy-Aktie gezahlt wurden, fehlen noch fünf Euro.

Gamesa kommt nicht aus der Krise

Christian Bruch hatte sich manches anders vorgestellt, als er vor zwei Jahren von Linde zu Siemens Energy (SE) wechselte. Vor allem die nur schwer lösbaren Probleme der Windanlagen-Tochter Gamesa machen dem neuen Konzern, den Siemens in die Selbstständigkeit entlassen hatte, zu schaffen. Nach einem halben Dutzend Gewinnwarnungen und mehreren Wechseln an der Spitze zieht Bruch jetzt die letzte Karte und übernimmt für vier Milliarden Euro die restlichen 33 Prozent an Gamesa, die an der Madrider Börse gehandelt werden. Mit der kompletten Übernahme ist der Rückzug von der Börse geplant, wodurch Siemens Energy in die Lage komme, „die Prozesse weiter zu vereinfachen und zu eine gemeinsamen Unternehmensstruktur mit flacheren Hierarchien überzugehen“, teilte SE am Dienstag dazu mit.

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Großes Wachstum auf hoher See

Bis zu 300 Millionen Euro könnte man aufgrund der kompletten Integration von Games ab 2025 sparen: Die Summe komme zustande aus „einer besseren Projektabwicklung, der Konsolidierung der Logistik und durch mehr Transparenz in der Lieferkette“. Die dreistelligen Millionenverluste, die Gamesa mit Windrädern in jedem Quartal einfährt, erklärt Bruch unter anderem mit den hohen Materialkosten, etwa beim Stahleinkauf. Gleichwohl zähle der Windmarkt „zu den Gebieten mit dem attraktivsten Wachstumspotenzial“, teilte SE anlässlich des Kapitalmarkttages mit. Die weltweit installierte Windenergieleistung werde – ohne den Riesenmarkt China – bis zum Jahr 2030 jährlich um sieben Prozent zulegen, vor allem auf hoher See: Offshore erwartet SE ein Wachstum um 28 Prozent im Jahr.

Gas als "Rückgrat der Energieerzeugung"

Der Wind bleibt also ein Zukunftsgeschäft – und Gas auch. Das gegenüber der Kohle deutlich weniger klimaschädliche Erdgas werde „innerhalb der nächsten 20 Jahre das Rückgrat der Energieerzeugung sein“, glaubt Siemens Energy. Man versteht sich als ein Unternehmen, das entlang der Wertschöpfungskette alles anbieten könne, von der Energieerzeugung über die Verteilung und Speicherung bis hin zu Energiespartechnologien.

Gute Geschäfte mit Gasturbinen

Der Unternehmensbereich Gas and Power, zu dem auch das Berliner Gasturbinenwerk gehört, habe sich in den vergangenen anderthalb Jahren hervorragend entwickelt – allerdings wurden auch Tausende Arbeitsplätze gestrichen. Durch „Effizienzsteigerungen, Prozessoptimierungen und Portfoliobereinigungen“ habe man 350 Millionen Euro gespart. „Die Profitabilität wurde um 35 Prozent erhöht.“ Im Herbst führt Bruch eine neue Struktur ein, Gas and Power wird in drei Bereiche gegliedert: Gas Services, Speichertechnologien und „Transformation of Industry“. Zum letztgenannten Bereich gehört auch das Zukunftsfeld Wasserstoff. Im Berliner Werk baut der Konzern gerade eine Linie auf zur Herstellung von Elektrolyseuren, die Strom in Wasserstoff verwandeln.

Alles in allem soll die neue Struktur mehr Transparenz bringen und Investoren anlocken sowie Entscheidungsprozesse in dem Konzern mit 91 000 Mitarbeitenden beschleunigen. Rund 30 Prozent der bisherigen Management-Positionen fallen weg, statt elf Hierarchieebenen gibt es künftig noch sechs. „Eine Reduktion der Beschäftigung wird nicht angestrebt“, teilte SE mit.

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