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Was mache ich mit dem Geld? Anlageberatung am Telefon wird jetzt schwieriger.

© imago/photothek

Neue Regeln für die Bankberatung: Die Angst der Banker vor dem Telefon

Am Mittwoch tritt eine neue Richtlinie für Bankgeschäfte in Kraft. Sie soll den Kunden schützen, bringt in der Praxis aber viele Probleme.

Bankkunden, die nach Silvester mit Carsten Schmidt ins Geschäft kommen wollen, tun sich schwer. Denn Aufträge am Telefon nimmt der Bankberater, der bei einer Großbank in Berlin arbeitet und in Wirklichkeit anders heißt, erst einmal nicht an. „Ich sag meinen Kunden, dass sie in die Filiale kommen sollen“, erzählt der Banker. Für ihn ist das Notwehr.

Neue Richtlinie soll Kunden schützen

Am nächsten Mittwoch tritt eine neue europäische Finanzrichtlinie in Kraft, die Beratern wie Schmidt und ihren Kunden das Leben schwer macht. Um Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) ist lange zwischen Politikern, Bankenvertretern und Verbraucherschützern gerungen worden. Die Richtlinie soll den Schutz der Kunden verbessern. Ein Punkt: Telefongespräche zwischen Kunden und Beratern werden künftig aufgezeichnet, auch wenn der Kunde das nicht will. Fünf Jahre lang müssen die Aufzeichnungen aufbewahrt werden – zu Beweiszwecken, falls es Streit gibt.

Überblick über die Kosten

Doch das ist nicht alles: Damit die Kunden wissen, was die geplanten Transaktionen kosten, muss der Berater einen genauen Überblick über die anfallenden Kosten für Kauf und Depotverwahrung geben. Hinzu kommen Informationen über das Wertpapier selbst, das gekauft werden soll. Nicht nur Schmidt stellt das vor Probleme. Auch seine Kollegen bei anderen Banken sind verzweifelt, erzählt er. Sie alle fragen sich, wie das gehen soll: Telefonieren und gleichzeitig alle Unterlagen mailen und warten, bis der Kunde alles gelesen hat? Können Anleger künftig nur noch Aktien oder Fonds kaufen, wenn sie mit ihrem Telefon am Computer sitzen und viel Zeit mitbringen? Praktikabel ist das nicht.

Bankenverband rechnet mit Investitionen von einer Milliarde Euro

„Für kleine Banken wird das schwierig“, sagt Thomas Schlüter vom Bankenverband. Die Investitionen in die IT für die Beratung, die Telefonaufzeichnung und die Lagerung der Dateien sowie die zahlreichen Informationsschreiben, mit denen Kunden in den vergangenen Monaten über die neue Rechtslage und die veränderten Geschäftsbedingungen aufgeklärt worden sind, würden Unsummen verschlingen. „Die Investitionen kosten eine Milliarde Euro“, berichtet der Verbandssprecher. Zudem bekommen Kunden künftig vier Mal im Jahr einen Depotauszug.

Geeignetheitsprüfung für Bankkunden

Einige Kreditinstitute, weiß Schlüter, behelfen sich, indem sie ihren Kunden vorab pauschalierte Informationen über die Kosten bestimmter Transaktionen zukommen lassen. Zudem werden Anleger zum Beratungsgespräch in die Bank gebeten, um eine Geeignetheitsprüfung zu durchlaufen. Dort geht es nicht nur um die finanzielle Situation des Einzelnen, sondern auch um seine Kenntnisse über Wertpapiere und die Frage, welche Risikoklassen sich der Anleger zutraut. Ob das alles so mit dem neuen Recht zu vereinbaren ist, weiß niemand genau. Gut möglich, dass sich einige Banken auf massentaugliche Wertpapierdeals beschränken und Geschäfte, die nur von einzelnen Kunden gewünscht werden, aus Gründen der Praktikabilität einstellen. Oder die Geldhäuser versuchen, Menschen wieder stärker in die Filialen zu holen. Doch diese Zeit haben viele Anleger nicht.

Provisionen bleiben

Verbrauchervertreter hatten gehofft, dass die EU im Zuge der neuen Richtlinie Banken verbietet, Provisionen von Wertpapieremittenten, Investmentfonds und anderen anzunehmen. Die provisionsbasierte Beratung ist für sie einer der Hauptgründe, warum die Wertpapiertipps oft am Bedarf der Anleger vorbeigehen. Doch ein generelles Provisionsverbot haben Verbraucherschützer in Brüssel nicht durchsetzen können, Schlupflöcher sind geblieben. Die nutzen die Institute aus. So lassen sich die Deutsche Bank und ihre Fondstochter DWS in ihren neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihren Kunden pauschal das Recht einräumen, Provisionen zu nehmen und zu behalten. „Ohne diese Vereinbarung“, heißt es, „müsste die Bank die Vertriebsvergütungen an den Kunden herausgeben“. Bei den anderen Geldhäusern finden sich ähnliche Vorschriften. „Die vielen Informationen liest kaum ein Kunde durch“, glaubt Schlüter. Das dürfte auch für die Geschäftsbedingungen gelten und die Provisionsfrage. Aber was, wenn doch? Was passiert, wenn jemand den neuen Regeln widerspricht? Auch das könnte eine Frage für das neue Jahr sein.

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