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Im neuen Tegel-Center soll im Frühjahr 2019 eine Karstadt-Filiale öffnen, an diesem Freitag wird der Grundstein gelegt. Bereits ab Herbst kann im neuen Karstadt in den Gropiuspassagen eingekauft werden - in den ehemaligen Räumen des Wettbewerbers Kaufhof.

© Simulation: Promo

Neue Karstadt-Standorte: Ist die Krise der Warenhäuser jetzt vorbei?

Karstadt eröffnet gleich zwei neue Standorte in Berlin. Am Freitag ist Grundsteinlegung für ein Haus in Tegel. Doch Amazon setzt die Warenhäuser weiter unter Druck

Noch fehlt das Glas in einigen Fenstern, und dort, wo es künftig nach feinem Parfum riechen soll, wirbelt der Baustaub durch die Luft. Doch wenn an diesem Freitag an der Gorkistraße in Berlin-Tegel der Grundstein gelegt wird für die neue Karstadtfiliale, ist das auch als Symbol zu verstehen: Für den Neustart des Warenhaus-Konzerns aus Essen, der bereits mehrfach totgesagt worden ist. Erstmals seit zwölf Jahren hat er nun wieder schwarze Zahlen vorgelegt, gleich zwei neue Standorte werden in der Hauptstadt eröffnet. Doch eine Renaissance des Warenhaus-Konzeptes zeichnet sich damit trotzdem nicht ab.

Sechs Filialen gibt es bereits in Berlin

Sechs Filialen unterhält Karstadt derzeit in Berlin, 79 in Deutschland insgesamt. Nummer 81 wird die Filiale in Tegel sein, Nummer 80 soll bereits im Herbst in den Gropiuspassagen seine Türen öffnen – ausgerechnet in den ehemaligen Räumen des Konkurrenten Kaufhof, der den Standort Ende 2017 aufgegeben hat und derzeit tief in den roten Zahlen steckt. Während Karstadt heute in Tegel feiert, muss Kaufhof-Vorstand Roland Neuwald mit Verdi über eine Neuausrichtung verhandeln. Den 19.000 Kaufhof-Beschäftigten dürfte am Ende das bevorstehen, was die Kollegen bei Karstadt schon hinter sich haben: ein heftiges Sparprogramm.

Noch wird auf der Baustelle in Tegel gebaut, 2019 soll das Center fertig sein.
Noch wird auf der Baustelle in Tegel gebaut, 2019 soll das Center fertig sein.

© Kai-Uwe Heinrich

Als Stephan Fanderl 2014 an die Karstadt-Spitze rückte, verordnete er der Warenhauskette eine harte Sanierung, zu der auch der Abbau zahlreicher Stellen und Filialschließungen gehörte. Karstadt hatte da bereits turbulente Jahre hinter sich mit mehreren Eigentümer- und Chefwechseln. 2009 hatte der damalige Mutterkonzern Arcandor Insolvenz angemeldet, Investor Nicolas Berggruen versuchte den Konzern zu sanieren, jedoch ohne Erfolg. Der von ihm an die Spitze geholte Brite Andrew Jennings scheiterte mit seinem Konzept, jüngere Zielgruppen mit neuen Marken anzusprechen. Die Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt folgte ihm, gab ihren Posten aber schon nach weniger als einem halben Jahr auf. 2014 übernahm dann der österreichische Immobilieninvestor René Benko Karstadt mit seiner Signa-Gruppe von Berggruen und setzte Fanderl an die Spitze, der früher bei Rewe und Walmart Manager war und bei dem als Sohn einer Kaufmannsfamilie aus Ingolstadt Handel schon im Kindesalter Thema war.

Erstmals seit zwölf Jahren steht ein schmaler Gewinn unterm Strich

Zwar konnte Fanderl nun einen schmalen, aber immerhin positiven Gewinn für das Geschäftsjahr 2016/2017 präsentieren. 1,4 Millionen Euro Gewinn stehen unterm Strich. Dass der defizitäre Konzern aus den roten Zahlen herausgekommen ist, liegt vor allem daran, dass Fanderl die Personalkosten massiv gesenkt hat, 7300 Mitarbeiter weniger arbeiten heute bei Karstadt im Vergleich zum Geschäftsjahr 2011/2012.

Wie viele Mitarbeiter in den beiden neuen Berliner Filialen künftig beschäftigt werden sollen, teilt der Konzern nicht mit. Es gibt auch keine Auskunft über das Konzept der Standorte.

Stephan Fanderl steht seit 2014 an der Spitze bei Kartstadt.
Stephan Fanderl steht seit 2014 an der Spitze bei Kartstadt.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Nicht alle Karstadt-Häuser sind derzeit im Plus, so macht beispielsweise die Filiale in Düsseldorf Verluste. Auch um die Filiale in Leipzig steht es nicht gut, der Vermieter aus Luxemburg hat dem Warenhausbetreiber zum kommenden Frühjahr gekündigt, zuvor war eine 68-prozentige Mieterhöhung verlangt worden. 50 000 Unterschriften sammelten die Leipziger für den Erhalt des Warenhauses, doch ein Firmenvertreter aus Luxemburg entsorgte sie gleich nach der Übergabe im Papiermüll.

Der Eklat um die Filiale in Leipzig zeigt eines der wesentlichen Probleme von Karstadt: Der Konzern ist seit vielen Jahren nirgendwo mehr Eigentümer, sondern nur Mieter. „Er hat damit einen wichtigen Kostenfaktor aus der Hand und sich in die Abhängigkeit der Vermieter begeben“, erklärt Gerd Hessert, früher Karstadt-Manager und heute Professor für Handelsmanagement an der Universität Leipzig.

Wettbewerber wie Amazon setzen die klassischen Warenhäuser unter Druck

Die zweite große Herausforderung sei der zunehmende Wettbewerb durch Online-Händler wie Amazon. Ob Karstadt nicht nur kurz- sondern auch langfristig die Kurve bekomme, hänge entscheidend von der Positionierung gegen die schnell wachsende Konkurrenz aus dem Netz ab.

Karstadt-Chef Fanderl will gegenhalten mit einem veränderten und schnelleren Konzept. Beispielsweise dadurch, dass online und stationärer Handel stärker miteinander verzahnt werden. Die Online-Tochter Karstadt.de, ursprünglich der größte Einzelverlustfall des Konzerns, will er zu einem Marktplatz ausbauen und auch für andere Händler öffnen. Doch bedeute Digitalisierung für Karstadt nicht allein, einen Onlineshop zu haben. „Es bedeutet, das komplette Unternehmen und damit auch jede einzelne Filiale so umzubauen, dass der Kunde kanalunabhängig kaufen kann“, erklärte Fanderl der „Lebensmittelzeitung“.

Dazu gehöre einerseits der „Digitalisierung des Point of Sale“ mit digitalen Schaufenstern, mobilen Kassen und elektronischen Preisschildern, wie es sie bereits in Düsseldorf gebe. An einigen Standorten bietet Karstadt wie auch andere Online-Händler Same-Day-Delivery, also die Zustellung noch am Tag der Bestellung und Lieferung zum Wunschtermin an. Gegen Ende des Jahres sollen alle Filialen „Ship from Store“ beherrschen, also eine Auslieferung direkt aus der Filiale heraus. „Wir haben flächendeckend Logistikstandorte mitten in der Stadt. Die Belieferung in bestimmten Zeitfenstern, also wenn der Kunde zu Hause ist, geht damit wesentlich besser, als wenn man die Ware aus einem Lager auf der grünen Wiese verteilt“, sagt Fanderl. Auch ins Möbelgeschäft will er einsteigen, in drei der Filialen sei die Möbelkette Who’s Perfect bereits getestet worden.

Konkurrent Kaufhof will Millionen bei Personalkosten einsparen

Langfristig jedoch wird es angesichts des wachsenden Druck durch die Online-Riesen kaum Platz geben für zwei Warenhausketten. Fanderls Vision ist deshalb die Deutsche Warenhaus AG – und damit die Fusion von Karstadt und Kaufhof. Doch dieser Traum ist kürzlich wieder in die Ferne gerückt, nachdem der kanadische Kaufhof-Eigentümer Hudson’s Bay Company bereits zum dritten Mal ein Angebot von Benkos Signa-Gruppe abblitzen ließ. Entscheidend für einen möglichen Zusammenschluss wird auch sein, wie die Sanierung von Kaufhof vorangeht. Kaufhof-Chef Neuwald will bei den Personalkosten pro Jahr einen „höheren zweistelligen Millionenbereich“ einsparen. Bisher habe das Unternehmen 15 Prozent höhere Personalkosten als Hauptmitbewerber Karstadt.

Fanderl ist derweil optimistisch, dass Karstadt auch im laufenden Geschäftsjahr „auf der richtigen Seite der Gewinn-und-Verlustrechnung“ landen werde. Dazu soll dann auch die erste der beiden neuen Berliner Filialen beitragen. Derzeit wird in der Gropiuspassage noch gewerkelt.

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