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Jubiläum. Vor 20 Jahren ist der Euro eingeführt worden. Jetzt soll er ein Update bekommen.

© Imago

Neue Geldscheine für Europa: „Der Euro lässt uns mental zusammenrücken“

Lisa Borgenheimer entscheidet mit über das Design der neuen Euro-Scheine. Im Interview erklärt die Professorin, was Gestaltung und was Bargeld kann.

20 Jahre nach ihrer Einführung will die Europäische Zentralbank (EZB) die Euroscheine neu gestalten. Dabei sollen die Bürger Europas ein Mitspracherecht haben. So genannte Fokusgruppen sammeln im Euroraum Vorschläge für Themen. Ausgewertet werden diese von einem „Themenberatungsteam“, das sich aus je einem Mitglied der 19 Euro-Länder zusammensetzt.

Für Deutschland ist die Informationsdesignerin Lisa Borgenheimer dabei. Im Sommer 2022 macht das interdisziplinäre Team, in dem etwa auch ein Denkmalschützer sitzt, ein Gründer, ein Fotograf und eine Historikerin, dem EZB-Rat Themenvorschläge, es wird einen Design-Wettbewerb geben und die Öffentlichkeit dazu aufgerufen. Danach, geplant ist das für 2024, wird der Rat entscheiden, was auf die neuen Noten kommt. Bis zum Druck dürfte dann noch einmal einige Zeit vergehen.

Frau Borgenheimer, die Europäische Zentralbank (EZB) will nach 20 Jahren die Euroscheine innovativer machen und die jetzt darauf abgebildeten Brücken, Tore und Fenster, die symbolisch für Baustile der Geschichte Europas stehen, verbannen. Werden in Zukunft die Konterfeis von Youtube-Stars oder das Guggenheim-Museum in Bilbao darauf zu sehen sein?
Als das Design damals entwickelt wurde, wollte man keinem Land auf die Füße treten, es gab zwölf Euro-Länder und nur sieben Scheine. Dabei wollte man sich auf etwas Neutrales einigen.

Und beim Re-Design ist das anders?
Im Grundgedanken nicht, aber der Euro hat sich inzwischen bewährt. Wir können da jetzt neu nachdenken und vielleicht mutiger rangehen.

Sie sitzen im Themenberatungsteam der EZB. Haben Sie Vorgaben?
Nein, Thema kann alles sein, Personen, Natur, Gebäude. Wir suchen nach dem, was Europa und uns als Europäer ausmacht und den europäischen Gedanken und die Werte repräsentiert.
Was reizt Sie an der Aufgabe?
Das ist total spannend und mit einer hohen Verantwortung verbunden. Ich kann mitwirken, wie die Euro-Scheine aussehen, die in ein paar Jahren Menschen in ganz Europa in den Händen halten werden.

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Sie sind Informationsdesignerin, promovieren derzeit an der Bauhaus-Universität in Weimar. Kann man das Re-Design von Geldscheinen mit denen von anderen Designobjekten, etwa Möbeln vergleichen?
Es geht in beiden Fällen um das Gestalten von Objekten mit allen Aspekten und Methoden, die dazugehören. Beim Re-Design versucht man diese anhand von ein paar Stellschrauben zu überarbeiten, zu aktualisieren oder zu verbessern. Man passt sie beispielsweise an die aktuelle Zeit und das neue Mindsetting an, um sie in ihrer Funktion nutzbarer und nachhaltiger zu machen. Ohne das würden Nutzer das Interesse verlieren.

Laut EZB hat zwar die Nutzung bargeldloser Bezahlungsarten während der Pandemie zugenommen, die Nachfrage nach Euro-Bargeld ist aber sogar gestiegen. Was macht Bargeld aus?
Man kann Bargeld in die Hand nehmen. Es ist ein symbolisches, aber sehr anschauliches Zahlungsmittel und verbunden mit einer Geste des Bezahlens. Außerdem vermittelt Papiergeld nach wie vor ein Gefühl von Wertigkeit. Hält man ein Bündel an Geldscheinen in der Hand, fühlt sich das nach richtig viel an. Beim Onlinebanking muss man sich manchmal erst einmal bewusst machen, welcher Betrag da gerade abgebucht wird.

EZB-Chefin Christine Lagarde sagt, dass es Zeit sei, die Banknoten so zu gestalten, dass sich Europäer:innen damit identifizieren. Geht das?
Scheine sind erst einmal nicht mehr als Papier, dass durch die Aufschrift einen bestimmten Wert vermittelt und gegen bestimmte Waren oder Dienstleistungen getauscht werden kann. Neben dieser reinen Funktion hat es aber auch einen hohen emotionalen Wert.

Viele Deutsche haben bei der Euro-Einführung 2002 der D-Mark nachgetrauert. Andere fanden es schade, im Italienurlaub keine Lira mehr eintauschen zu können.
Der Euro ist mit seinen 20 Jahren noch viel zu jung, um so große Emotionen auszulösen. Aber auch er ist mittlerweile in Europa emotional angekommen.

[Lesen Sie auch: 20 Jahre Euro – wie lange wird es noch Bargeld geben? (T+)]

Was bedeutet die Währung Ihnen selbst?
Ich war elf, als der Euro eingeführt wurde. Damals bis heute verbinde ich damit ein Gefühl von Freiheit, wenn ich quer durch Europa fahren kann, mehrere Ländergrenzen überwinde und immer noch mit Euro zahlen kann.

Also können die Scheine Identität schaffen?
Davon bin ich überzeugt. Wir teilen den Euro, das lässt uns mental zusammenrücken, er verbindet uns. Die Einführung des Euro bezeugt die europäische Gemeinschaft.

Mögen auch jüngere Europäer den Papiereuro?
Unbedingt. Sie sind damit aufgewachsen und kennen ja oft keine andere Währung. Wenngleich Jüngere viel mehr digitales Geld versenden, sind an Geburtstagen beispielsweise oft Papiereuro im Umschlag. Bargeld ist eben doch so gut wie immer einlösbar, auch wenn die EC-Karte oder das Smartphone gerade nicht funktionieren. Bei der Gestaltung und der Nutzung des Papier-Euro ist es deswegen natürlich wichtig, auf die jüngere Generation einzugehen und zu schauen, welche Verbindung sie zum Papier-Euro hat.

Welche Themen funktionieren nicht?
Je konkreter ein Thema dargestellt wird, je mehr es einem einzelnen Land zugeordnet werden kann, desto eher können sich dadurch andere Länder ausgeschlossen fühlen.

Also kein Brandenburger Tor?
Das ist generell schwer zu beantworten. Es kommt auf den Kontext an. Anders als bei anderen Länderwährungen müssen wir über die Länder- und Sprachgrenzen hinausschauen und uns als Kontinent betrachten. Sind spezifische Gebäude oder Persönlichkeiten abgebildet, muss man nicht nur die nationalen, sondern auch die europäischen Zusammenhänge und Gegebenheiten dahinter verstehen.

Ein Abbild von Napoleon auf dem Euro ist also eher nicht geeignet, wie Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Bundesbank erklärt hat? Issing erzählt, das hätten bei der Einführung des Euro manche Franzosen für eine gute Wahl gehalten, aber EU-Bürger aus Ländern, die unter der napoleonischen Herrschaft zu ächzen hatten, eher nicht.
Die Motive auf den Scheinen sollten für alle EU-Bürger aus allen Ländern einen generellen Bezug haben. Keines der 19 Euroländer und der zwei EU-Aspiranten Bulgarien und Kroatien darf bevorzugt oder benachteiligt werden.

Das macht es ziemlich schwierig.
Ja, das ist eine große Herausforderung, zumal die Themen für die Euro-Scheine auch in den kommenden Jahren noch attraktiv sein müssen, so lange bis wieder neue Scheine gestaltet werden.

Wie wünschen Sie sich die Scheine?
Sie sollen ein Objekt sein, das alle verbindet und nicht spaltet. Sie sollen ein Gleichgewicht zwischen den Staaten herstellen und unabhängig von der wirtschaftlichen Stärke der Länder den Europäern das Gefühl geben, Teil von etwas Großem zu sein, auf dass sie wirklich stolz sein können.

Mehr verraten Sie nicht?
Mehr kann ich dazu noch nicht verraten.

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