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Unter den sieben Angeklagten sind sechs ehemalige Banker.

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Neue Anklagen im Cum-Ex-Skandal: Den Staat um 388.557.251,30 Euro geprellt

Gegen sechs Ex-Banker und einen Anwalt erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Für ihren mutmaßlichen Betrug sollen sie 29 Millionen Euro Boni bekommen haben.

Weitere sechs Ex-Banker und ein ehemaliger Anwalt einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei müssen sich wegen des Cum-Ex-Skandals um unberechtigte Steuererstattungen auf einen Prozess einstellen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat am Montag gegen sieben deutsche Staatsbürger im Alter zwischen 48 und 67 Jahren Anklage wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung erhoben. Durch dubiose Aktiengeschäfte in Höhe von mehreren Milliarden Euro rund um den Dividenden-Stichtag sollen sie zwischen 2006 und 2009 den Fiskus um fast 390 Millionen Euro geprellt haben.

Bei Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal auf Dividenden gezahlte Kapitalertragssteuer mit Hilfe von Banken und Anwälten mehrfach erstatten, indem sie die Papiere rund um den Dividendenstichtag hin- und her schoben, diese Geschäfte aber meist vertuschten. Erst 2012 hat die Bundesregierung solchen Geschäften einen Riegel vorgeschoben.

Bei den sechs ehemaligen Banker handelt es offensichtlich um Top-Manager der 2016 zusammengebrochenen Maple Bank in Frankfurt - den 66jährigen früheren Vorsitzenden der Geschäftsführung, drei Ex-Mitglieder der Geschäftsführung sowie weitere Top-Manager und Wertpapierhändler. Der 416 Seiten dicken Anklageschrift zufolge sind die Beschuldigten dafür verantwortlich, dass Steuerbescheinigungen über erhobene Kapitalertragssteuer plus Solidaritätszuschlag beim Finanzamt Frankfurt eingereicht haben, die freilich nie erhoben wurde.

Insgesamt belief sich die Summe auf 388.557.251,30 Euro. Laut Staatsanwaltschaft wurde sie von „gutgläubigen Verantwortlichen der Finanzverwaltung“ auf die festgesetzte Körperschaftssteuer der Bank rechtswidrig angerechnet und insofern auch rechtswidrig erstattet. Grundlage dafür waren der Anklage zufolge „Kreisgeschäfte“ innerhalb des Kreditinstituts, mit denen letztlich das Handelsvolumen mit den Aktien gesteigert und die Geschäfte verschleiert wurden sein sollen.

Boni über 29 Millionen Euro 

Von dem Steuerschaden wurden, so die Staatsanwaltschaft, bislang knapp 100 Millionen Euro zurückgezahlt. Weitere Beiträge haben die Finanzbehörden im laufenden Insolvenzverfahren des Instituts angemeldet.

Profitiert von den Geschäften habe laut Anklage auch die Beschuldigten persönlich. Wegen der vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteile für die Bank hätten sie Boni-Zahlungen in Höhe von rund 29,5 Millionen Euro erhalten, allein der Chef der Maple Bank hat der Anklage zufolge rund 8,4 Millionen Euro erhalten. Die Staatsanwälte haben entsprechende Arreste auf das Vermögen der Männer beantragt.

Dem 48-jährigen ehemaligen Rechtsanwalt und Steuerberater – Medienberichten zufolge leitete er die Steuerabteilung der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, sie gilt als größte und einflussreichste in Europa - hält die Anklage vor, seit 2006 bewusst Gefälligkeitsgutachten geliefert zu haben, um die Geschäfte als legal darzustellen. Gegenüber der Finanzverwaltung soll er in Abstimmung mit anderen Beschuldigten bei einer Betriebsprüfung die Cum-Ex-Geschäfte der Bank falsch erläutert haben, um die Rückzahlung der rechtswidrig erhaltenen Steuererstattung zu verhindern.

Dabei habe er der Bank ein Honorar von mindestens 1,3 Millionen Euro in Rechnung gestellt. Der Anwalt war bereits Mitte November verhaftet worden, die Untersuchungshaft wurde allerdings kurz vor Weihnachten gegen hohe Auflagen ausgesetzt. Zwei der angeklagten Ex-Banker sitzen seit Mitte Dezember in Untersuchungshaft. Den Beschuldigten drohen Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren, im schlechtesten Fall sogar 15 Jahre.

"Größte Steuerraub der deutschen Geschichte"

Die Rechtsanwaltskanzlei hat im vergangenen Sommer im Rahmen eines Vergleichs 50 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter der Maple Bank gezahlt. Er hatte zuvor fast das Doppelte gefordert. Freshfields droht jetzt angeblich noch ein Bußgeld von rund 15 Millionen Euro.

Der erste Cum-Ex-Prozess begann im September vergangenen Jahres vor dem Landgericht Bonn
Der erste Cum-Ex-Prozess begann im September vergangenen Jahres vor dem Landgericht Bonn

© REUTERS

Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Alexander Badle ist es die zweite Anklage der Generalstaatswalt Frankfurt wegen mutmaßliche Beteiligte am Cum/Ex-Skandal. Im Mai 2018 hatte sie vor dem Landgericht Wiesbaden Anklage gegen einen Steuerberater und fünf Ex-Banker erhoben, es geht um einen Schaden von mehr als 106 Millionen Euro. Er wurde von der Großbank, die als Depotbank fungierte, vollständig erstattet. Das Gericht hat die Anklage kurz vor Weihnachten zugelassen, der Prozess könnte noch im ersten Vierteljahr beginnen.

Die 24. Wirtschaftsstrafkammer muss jetzt über die Zulassung der zweiten Anklage entscheiden. Seit September vergangenen Jahres läuft der erste Cum-Ex-Prozess vor dem Landgericht Bonn. Dort müssen sich zwei ehemalige Händler der Hypo-Vereinsbank verantworten. Es geht um einen Steuerschaden von rund 400 Millionen Euro.

Für Gerhard Schick, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und heute Chef der Bürgerbewegung Finanzwende, ist der Cum-Ex-Skandal der „größte Steuerraub der deutschen Geschichte“. Er schätzt den Schaden auf mindestens zehn Milliarden Euro, Steuerprofessoren sprechen sogar von mehr als 30 Milliarden Euro.

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