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"Wir siedeln in Berlin nur noch an, was unbedingt nötig ist", sagt Hypoport-Chef Ronald Slabke.

© Doris Spiekermann-Klaas

Nach Streit mit dem Senat: Hypoport verlegt Hauptsitz von Berlin nach Lübeck

Hypoport ist ein Berliner Vorzeigeunternehmen. Doch jetzt verlagert der Konzern seinen Hauptsitz. Auslöser ist ein Streit mit der Berliner Senatsverwaltung.

Von Carla Neuhaus

„Ich war immer stolz, dass wir ein Berliner Unternehmen sind“, sagt Ronald Slabke. „Aber mit gutem Gewissen kann ich das heute nicht mehr behaupten.“ Der Vorstandschef der Hypoport AG zieht nun die Konsequenz: Er verlegt den Hauptsitz seines Konzerns von Berlin nach Lübeck. Das bestätigte Slabke dem Tagesspiegel auf Anfrage. Zwar müssen die Aktionäre den Schritt noch auf der Hauptversammlung im Mai absegnen. Das gilt allerdings als Formsache: Slabke und die anderen Vorstände halten mehr als die Hälfte der Anteile.

Damit verliert Berlin eines der großen börsennotierten Unternehmen. Und der Grund dafür ist ausgerechnet ein Streit mit dem Berliner Senat.

Los ging diese Auseinandersetzung bereits vor über einem Jahr. Slabke wollte damals das Gebäude in der Klosterstraße kaufen, in dem der Konzern seinen Hauptsitz hat. Der Kaufvertrag war bereits unterschrieben. Doch dann machte am letztmöglichen Tag die Senatsverwaltung für Finanzen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Dadurch erhielt Slabke nicht nur eine Absage für den Kauf des Gebäudes. Vielmehr muss er mit seinen 330 Berliner Mitarbeitern nun auch bis Ende des Jahres ausziehen.

An der Börse ist Hypoport mehr als eine Milliarde Euro wert

Dabei ist seine Firma nicht irgendein Unternehmen. An der Börse ist Hypoport eine Milliarde Euro wert, notiert im S-Dax. Bekannt ist der Konzern für seine Tochter Dr. Klein, die Immobilienkredite vermittelt. Um deren Beratern die Arbeit zu erleichtern, hat Slabke Anfang der 2000er Jahre eigene IT-Plattformen aufgebaut, über die man online Kredite verschiedener Banken vergleichen und abschließen kann. Seitdem auch die Geldinstitute sich stärker digitalisieren, ist daraus ein lukratives Geschäft geworden. Allein die größte Plattform Europace nutzen inzwischen mehr als 600 Anbieter von der Allianz bis zur Commerzbank. Für die Sparkassen und Volksbanken hat Hypoport eigene IT-Plattformen aufgebaut. So gesehen war das Unternehmen ein Finanz-Start-up, lange bevor es den Begriff gab. Bundesweit arbeiten für den Konzern heute 1600 Mitarbeiter.

Aus diesem Gebäude muss Hypoport bals ausziehen.
Aus diesem Gebäude muss Hypoport bals ausziehen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Auch deshalb hat Slabke für das Verhalten der Berliner Politik kein Verständnis. „Dass ausgerechnet die Politik einem Konzern seinen Firmensitz wegnimmt, das ist in keiner anderen Stadt in Deutschland vorstellbar.“ Bereits im letzten Jahr hat Slabke sich deshalb von den Aktionären absegnen lassen, den Hauptsitz zu verlegen, sollte Berlin nicht wenigstens den Mietvertrag verlängern. Im Haus von Finanzsenator Matthias Kollatz heißt es auf Anfrage, man habe dem Unternehmen eine Verlängerung von einem Jahr angeboten. Slabke sagt: „Das ist uns mündlich mal in Aussicht gestellt worden. Schriftlich haben wir trotz Nachfrage dazu bis heute nichts bekommen.“

Die Berliner Verwaltung braucht das Gebäude für Büros

Überhaupt scheint in der Kommunikation einiges schief gelaufen zu sein. So erfuhr die Senatsverwaltung für Wirtschaft von der Geschichte erst, als die Finanzverwaltung bereits vom Vorverkaufsrecht Gebrauch gemacht hatte. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop versuchte daraufhin, Kollatz zu überreden, auf die Immobilie zu verzichten. Doch der gab nicht nach. Seine Sprecherin sagt, die Verwaltung brauche mehr Büroräume. Und „externe Mietflächen in nachgefragten Lagen werden kaum noch oder zu sehr hohen Preisen angeboten“.

Die Wirtschaftsverwaltung hat nach eigenen Angaben intensiv darauf hingearbeitet, „dem Unternehmen ein adäquates Ersatzangebot zu unterbreiten, um es am Standort zu halten“. Angeboten hat man dem Unternehmen zunächst einen Standort in Adlershof. Der aber kam für Slabke nicht in Frage; er fürchtete IT-Entwickler zu verlieren, wenn er so weit rauszieht. Daraufhin bot Berlin ihm dann ein Grundstück in der Nähe vom Hauptbahnhof zur Erbpacht an. Doch aus Slabkes Sicht ist auch das nicht annehmbar: „Die Bedingungen, zu denen wir das Grundstück pachten könnten, sind unwirtschaftlich. Außerdem ist völlig offen, wann und ob dieses Grundstück überhaupt bebaut werden darf.“

Kritik kommt von Aktionsschützern

Aktionärsschützer sind dabei auf der Seite des Unternehmens. „Die unverständliche Halsstarrigkeit des Berliner Senats vertreibt ein erfolgreiches Digitalunternehmen mit seinem Firmensitz aus Berlin“, kritisiert Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Berlin dürfte damit nicht nur an Image verlieren, sondern auch Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen.“

Zwar will Hypoport auch nach der Verlagerung des Hauptsitzes weiter in Berlin mit einem Standort vertreten sein. Vorstandschef Slabke aber sagt: „Wir siedeln in Berlin nur noch an, was unbedingt nötig ist. Neue Geschäftsbereiche bauen wir hier sicherlich nicht auf.“

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