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Der Eingang zum Facebook-Hauptquartier im kalifornischen Menlo Park.

© Reuters

Nach Posts von Donald Trump: Darum protestieren Facebook-Mitarbeiter gegen ihren Arbeitgeber

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat seine Entscheidung verteidigt, nicht in Beiträge des US-Präsidenten einzugreifen. Einige Mitarbeiter haben nun gekündigt.

Von Laurin Meyer

Es sei der glücklichste Ort zum Arbeiten, heißt es oft über Facebook. Das soziale Netzwerk lockt seine Mitarbeiter mit flexiblen Arbeitszeiten, am Hauptsitz im kalifornischen Menlo Park gibt es einen eigenen Wäscheservice. Und zum Dienstjubiläum schweben Luftballons über dem Schreibtisch. Doch jetzt regt sich Widerstand in dieser sonst so unbeschwerten Arbeitswelt. Der Grund: eine Entscheidung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg über den Umgang mit Donald Trump.

So hatte Zuckerberg jüngst erklärt, umstrittene Posts des US-Präsidenten unkommentiert zu lassen. Und er legte am Dienstagabend noch einmal nach: Es sei richtig gewesen, sie nicht von der Plattform zu nehmen, zitierte eine Sprecherin die Aussagen von Zuckerberg in einer Videokonferenz mit Beschäftigten.

Einige Facebook-Mitarbeiter hatten da jedoch bereits gekündigt, darunter der Softwareentwickler Timothy Aveni. „Ich kann es nicht hinnehmen, dass Facebook sich weiterhin weigert, auf die scheinheiligen Botschaften des Präsidenten einzugehen, die darauf abzielen, die amerikanische Öffentlichkeit zu radikalisieren", schreibt Aveni im sozialen Netzwerk „Linkedin“. „Ich habe Angst um mein Land, und ich sehe zu, wie meine Firma nichts unternimmt, um den zunehmend gefährlichen Status quo in Frage zu stellen.“ Bereits zu Beginn der Woche sollen Hunderte Facebook-Mitarbeiter in einen Streik getreten sein und ihre Arbeit kurzzeitig niedergelegt haben. Die „New York Times“ berichtete zuerst darüber.

Aufgeworfen hatten die Diskussionen vor allem Trumps Aussagen aus der vergangenen Woche über die Ausschreitungen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Wörtlich kündigte Trump in den sozialen Netzwerken an: „Wenn die Plünderungen starten, starten die Schießereien.“ Viele sahen darin eine Gewaltverherrlichung, Twitter schaltete gar einen Warnhinweis. Andere Posts von Trump sollen zudem Falschinformationen verbreitet haben.

Facebook lässt Fakten in der Coronakrise prüfen

Dabei wollte Facebook nach zuletzt einigen Skandalen vieles besser machen. So erklärte das Unternehmen, etwa mehr Verantwortung im Kampf gegen Desinformationen übernehmen zu wollen. In zahlreichen Fällen arbeitet Facebook mit externen Faktencheckern zusammen, die etwa verlinkte Artikel auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Weltweit 60 Organisationen bezahlt die Plattform dafür, in Deutschland ist das Recherchenetzwerk „Correctiv“ darunter.

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Wird eine Geschichte als falsch entlarvt, schaltet Facebook ein Warnschild. Allein im März sollen rund 40 Millionen Beiträge über das Coronavirus so einen Hinweis erhalten haben, behauptet das Unternehmen. In 95 Prozent der Fälle konnten die Nutzer nicht mehr auf den ursprünglichen Inhalt zugreifen. Daneben entfernt Facebook auch Posts von Nutzern, die zu gesundheitsgefährdenden Aktionen aufrufen – etwa zum Trinken von Bleichmitteln, das angeblich gegen Covid-19 helfen soll. Das hat jüngst auch einen prominenten Nutzer getroffen: den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Facebook löschte Beiträge, in denen der Präsident etwa den Anti-Malaria-Wirkstoff Hydroxychloroquin als Heilmittel gegen Corona anpries – obwohl Virologen zuletzt immer wieder zur Vorsicht mahnten.

Twitter legte sich mit Trump an

Bei den Aussagen des US-Präsidenten sieht Facebook hingegen keinen Handlungsbedarf. Konkurrent Twitter verfolgt eine andere Linie: Zuletzt legte sich der Kurznachrichtendienst gleich mehrmals mit seinem berühmtesten Nutzer an. So hatte Twitter die Gewaltandrohung des US-Präsidenten bei Plünderungen mit einem Warnhinweis versehen, da diese die eigenen Richtlinien zur Gewaltverherrlichung verletzt hätten. Zuvor hatte Twitter schon einen Beitrag von Trump über Briefwahlen als irreführend gekennzeichnet und einem Faktencheck unterzogen.

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Der US-Präsident reagierte prompt: In der vergangenen Woche unterzeichnete er eine Verordnung, wodurch Netzwerke für die Inhalte ihrer Nutzer haftbar gemacht werden könnten. Sein Argument: Wenn die Plattformen schon nach eigenen Regeln in die freie Meinungsäußerung eingreifen, dann sollen sie auch ihren gesetzlichen Schutz als neutrale Plattform verlieren.

Haftungspflicht könnte teuer werden

Zwar bezweifeln Experten, dass eine solche Gesetzesänderung vor Gericht standhalten würde. In der Folge könnten Netzwerke durch die Verordnung jedoch häufiger kritische Beiträge löschen, um möglichen Klagen aus dem Weg zu gehen. Sie müssten dann entscheiden, was noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, und was schon strafrechtlich relevant sein könnte. Das dürfte niemand der Beteiligten wollen: Trump müsste damit rechnen, dass die Plattformen auch seine Beiträge häufiger beschneiden. Und für die Netzwerke könnte eine Haftungspflicht teuer werden. Schließlich müssten sie Hunderte oder sogar Tausende Mitarbeiter bezahlen, die Beiträge auf mögliche Rechtsverstöße prüfen und gegebenenfalls löschen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg verteidigt seine Entscheidung, nicht in Beiträge des US-Präsidenten einzugreifen.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg verteidigt seine Entscheidung, nicht in Beiträge des US-Präsidenten einzugreifen.

© dpa

Allein die bisherigen freiwilligen Faktenchecks lässt sich Facebook ein paar Millionen kosten. Im März schoss das Unternehmen kurzerhand eine Million Dollar an einige seiner Faktenprüfer nach, die wegen der Coronakrise deutlich mehr Arbeit bekommen haben. In Deutschland werden die Plattformbetreiber bereits durch das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Das Problem: Aus Angst vor einer Strafverfolgung dürften sie teils auch Beiträge sperren, die noch von der freien Meinungsäußerung gedeckt wären.

Aufklärung wirkt, meinen Wissenschaftler

Wissenschaftler bescheinigen den bisherigen Eingriffen der Netzwerke jedenfalls eine große Wirkung. So soll durchschnittlich die Hälfte der Nutzer, die auf eine Falschinformation hingewiesen wurden, den Glauben an die Nachricht verloren haben. Das zeigt eine aktuelle Studie der George Washington University und der Ohio State University.

Gleichzeitig bemängeln Netzaktivisten aber, dass die Prüfungen zu lange dauern würden. „Desinformationsinhalte können schnell viral werden“, schreibt die britische Datenschutzorganisation Avaaz in einer Studie. Das liege vor allem am Einsatz sogenannter Bots, die falsche Nachrichten automatisiert vervielfältigen. Noch könnten von der Kennzeichnung bis zur Korrektur gut zwei Wochen vergehen.

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