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Verlust-Reich. Bei der Lebensmitteltochter Perfetto werden Stellen abgebaut.

© dpa

Nach der Absage von Kaufhof: Schafft Karstadt die Wende aus eigener Kraft?

Aus der Fusion mit Kaufhof wird nichts. Trotzdem steht es gar nicht so schlecht um die Kette. Der Umsatzrückgang sei gestoppt, heißt es.

Von Maris Hubschmid

Treten Sie ein in Ihr Genuss-Reich – ein ehemaliger Werbeslogan der Karstadt-Tochter Perfetto. „Wo ein guter Supermarkt aufhört, da fangen wir an“, lautete ein anderer. Nun will Karstadt-Chef Stephan Fanderl in den Lebensmittelabteilungen Stellen abbauen, die verbleibenden Angestellten sollen auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Perfetto sei „anhaltend defizitär“, heißt es in einem Mitarbeiterbrief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Das Geschäftsmodell sei „gescheitert“.

Luxus und Karstadt, geht das einfach nicht mehr zusammen? Weil Menschen, die das Besondere wollen, das längst nicht mehr bei Karstadt suchen? Im Unternehmen diskutiert man den Fall anders. Demnach musste Karl-Heinz Dautzenberg, Geschäftsführer von Perfetto, vor fünf Monaten vorrangig deshalb gehen, weil er für alle Fragen dieselbe Antwort parat hatte. Die Flasche Champagner für 60 Euro, die an der Hamburger Mönckebergstraße vielleicht dankbare Abnehmer fand, nicht aber im Untergeschoss in Bielefeld.

Zahnpasta und Waschmittel statt Luxussekt

Dort wollen die Menschen womöglich gar nicht mehr als einen guten Supermarkt. Gewissermaßen wäre das Perfetto-Konzept damit am gleichen Punkt gescheitert wie so manche Karstadt-Filiale generell, die mit High Fashion ihre solide Kundschaft irritierte: Perfetto müsse „wesentlich näher an die Kunden heranrücken (...) und an seinen jeweiligen Standorten den lokalen Bedürfnissen entsprechen“, konstatieren die Geschäftsführer in ihrer Mitteilung.

Das bedeutet auch: Weniger auf Vorrat kaufen, um individueller auf Nachfrage reagieren zu können. Die Belieferung durch den Einkauf von Rewe, das an Perfetto mit einem Viertel der Anteile beteiligt ist, wurde deshalb erstmal zurückgefahren. Neben Weinen und italienischem Schinken will Stephan Fanderl dafür künftig auch Zahnpasta und Waschmittel anbieten. Ob das ganze dann noch Perfetto heißt, auch das steht zur Disposition.

Im Unternehmen wird die Nachricht durchaus nicht als die Hiobsbotschaft aufgenommen, nach der sie zunächst klingt. „Wenigstens handelt da mal einer“, sagt ein Mitarbeiter. Der neue Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Jürgen Ettl, der das Amt jüngst von Hellmut Patzelt übernommen hat, mahnt zwar: „Herr Fanderl darf nicht über’s Ziel hinausschießen. Jede Stellenstreichung bedeutet auch für diejenigen, die zurückbleiben, eine erhebliche Belastung. Wir erwarten vom Management die Sichtweise, dass Entlassungen und Filialschließungen nicht die einzige Lösung sein können, sondern dass dessen Aufgabe auch darin besteht, die Entwicklung des operativen Geschäftes voranzutreiben.“ Zugleich attestiert er aber: „Herr Fanderl packt die Dinge konsequent an.“

Viele bezweifeln, dass Benko einen Plan B hat

Das ist auch dringend nötig, sagt Gerd Hessert, Handelsexperte der Universität Leipzig. Er gibt Karstadt „ein Jahr, um das Ruder herumzureißen“. Nach der Absage von Kaufhof, fürchteten einige Branchenbeobachter, würde das Unternehmen in Lethargie verfallen. Die Signa Holding, die Karstadt im August 2014 von Nicolas Berggruen übernommen hatte, hat das Bieterrennen um den Mitbewerber Mitte Juni verloren. René Benkos Traum von der Deutschen Warenhaus AG lässt sich nicht verwirklichen.

Nicht wenige bezweifeln, dass er überhaupt einen Plan B hat. „Benko hat Karstadt ursprünglich wohl nur wegen der Immobilien gekauft. Als er damit aber seinen Signa-Partner Beny Steinmetz ablösen musste, blieb dann nur noch die Option, den stark sanierungsbedürftigen Karstadt mit Kaufhof zu fusionieren“, meint etwa Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein. „Auch der Verkauf von KaDeWe-Anteilen an die italienische Kette La Rinascente deutet eher auf eine Defensivstrategie hin.“ In Österreich aber dementierte Benkos Signa-Gruppe Ende vergangener Woche Verkaufspläne. Die Gruppe wolle auf jeden Fall an der deutschen Warenhauskette festhalten, hieß es. Wie zum Beweis hat Benko sich den ehemaligen Rennfahrer und Unternehmer Niki Lauda an die Seite geholt, als Berater.

Die Belegschaft ist erleichtert über die Absage von Kaufhof

Das heißt im Zweifel: Benko selbst fehlt es für Karstadt an Ideen. Stephan Fanderl aber scheint welche zu haben. Dass es anders gekommen ist als vom Eigner angestrebt und Karstadt und Kaufhof vorerst nicht fusionieren, hat zumindest unter den Mitarbeitern auch manchen erleichtert. „Klar wird da jetzt ein Konkurrent gestärkt“, sagt Betriebsratschef Ettl. Die kanadische Kette Hudson's Bay betreibt in den USA und Kanada sehr erfolgreich Warenhäuser. Sie will Kaufhof modernisieren, dazu perspektivisch sogar mehr Personal einstellen. „Erst einmal aber ist damit das Szenario vom Tisch, dass Synergien genutzt werden und etwa in der Verwaltung und der Logistik Arbeitsplätze verloren gehen“, sagt Ettl.

„Karstadt muss nun aus eigener Kraft gesunden“, sagt Hessert. „Am Anfang stehen Kosten-Schnitte.“ Für viele Mitarbeiter sind dies die letzten Wochen im Hause Karstadt, am Ende werden 2500 das Unternehmen verlassen haben. Auch im mittleren Management wurden ganze Führungsebenen gekappt. Für einen Kulturwandel hin zu flacheren Hierarchien und mehr Transparenz sollen auch die neuen Großraumbüros in der Konzernzentrale in Essen stehen.

Bereiche wie Einrichtung und Haushaltswaren lässt Fanderl, der seit neun Monaten an der Vorstandsspitze steht, wieder ausbauen. In Zahlen messen lässt sich der Erfolg seiner Arbeit noch nicht, Karstadt veröffentlicht seine Bilanz stets mit gut zweijähriger Verspätung. Im Mutterkonzern jedoch werden in diesem Jahr wieder Urlaubsgelder gezahlt – ein Erfolg von Verdi, aber auch ein Zeichen der Konzernführung an die Mitarbeiter: Wir haben das Geld, so schlimm kann es also nicht sein.

Der Umsatzrückgang ist gestoppt

Die Filiale in Mönchengladbach, für die es bereits einen Schließungsplan gab, bleibt bestehen. Auch das eine gute Nachricht aus jüngster Zeit. Zwar muss ihr Schicksal als Einzelfall gewertet werden, denn die Stadt schießt einiges Geld dazu, um die Filiale in ein Einkaufszentrum einzubetten. Und doch zeigt es: Auch eine rote Liste ist nicht ohne Fluktuation.

Der Betriebsrat sagt: „Was die Kostenstrukturen betrifft sind, wir ein ganzes Stück vorwärts gekommen.“ Das Geschäft scheine sich zu stabilisieren. „Der Umsatzrückgang ist gestoppt.“ Das allein reiche natürlich nicht, sagt Handelsexperte Hessert. „Ohne baldiges Umsatzwachstum wird es nicht funktionieren.“

Drastischer äußert sich sein Kollege Gerrit Heinemann. „Ohne radikale, schnelle Investitionen hat Karstadt keine Zukunft. Ich fürchte inzwischen, dass die Summe, die es braucht um Karstadt zu retten, Benkos finanzielle Mittel übersteigt.“ Vom Metro Entscheidungsprozess ist überliefert, dass der Konzern sich auch deshalb gegen das Angebot von Benko entschieden habe, weil es Ungereimtheiten im Finanzierungskonzept gab.

Jetzt kommt es auf Schnelligkeit an

Im Ausmaß der Misere des Unternehmens liegt vielleicht aber auch seine größte Chance. Verzweifelt genug ist die Lage, dass im Hause Karstadt eine große Bereitschaft zu bestehen scheint, Veränderungen mitzutragen. Nach Jahren der Ernüchterung ist vielen Angestellten klar: Es muss besser werden, sonst wird es nichts. Das unterscheidet den Fall etwa von der Deutschen Post, wo viele Mitarbeiter sich schwer damit tun zu verstehen, weshalb gespart werden soll, solange unter dem Strich Milliardengewinne stehen.

Und selbst, wenn eine gewisse Lethargie beim Eigentümer vorhanden sein sollte: Von Langeweile kann an der Karstadt-Spitze keine Rede sein. Im Kreis seiner Führungskräfte soll Fanderl gesagt haben: „Ddie Frage ist nicht, was wir noch reparieren können, sondern, was wir zuerst reparieren.“

Auch er wird wissen, dass es dabei nicht nur auf Fingerfertigkeit ankommt, sondern auch auf Schnelligkeit. Und auf den richtigen Kleber.

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