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Kurz abtauchen. Claudia Gallus von betterplace.org träumt sich gern auf eine Regenwald-Insel bei Panama.

© Thilo Rückeis

NACH DEM URLAUB: Von der Insel ins Büro

Fotos auf dem Bildschirm, Fantasiereisen, Atempausen: Wie drei Berliner Entspannungsexperten möglichst lange von ihren Ferienerinnerungen zehren

"Von Null auf Hundert", so empfinden viele Berufstätige jetzt, zum Ende der Hauptferienzeit, die Rückkehr aus dem Urlaub in den Job. Wieder stundenlang sitzen, statt sich an der frischen Luft zu bewegen, klingelnde Telefone hören, statt das rauschende Meer. Die entspannte Haltung geht dabei schnell verloren. Ist die eigene Vertretung jetzt anderswo im Einsatz oder hat gar frei, ist die Wiedereinarbeitung ins Team schlecht organisiert, haben Rückkehrer nach der Pause fast mehr Stress, als an gewöhnlichen Arbeitstagen. Und dann sind sie schnell wieder drin im Alltagsstress. Doch es kann auch ganz anders laufen.

Drei Berliner, die Experten sind, wenn es um das Thema Entspannung geht, berichten, wie sie selbst den Wiedereinstieg nach der freien Zeit gestalten.

TURNEN IM JOB

Für 400 Mitarbeiter ist Gabriele Hoins in der Personalabteilung der Allianz Versicherung in Berlin verantwortlich. Wenn es spezielle Aktionen für sie gibt, etwa Gesundheitsangebote oder Tipps zur Altersvorsorge, wollen oft alle gleichzeitig einen Beratungstermin, sagt sie. Die Rückkehr aus ihrem dreiwöchigen Toskana-Urlaub verlief für die 52-jährige dieses Jahr dennoch sanft. Sie war schon vor der Hauptreisezeit losgefahren und kam Mitte Juli zurück – als die Hälfte der Belegschaft im Urlaub war.

Entscheidend für den sanften Wiedereinstieg sind für Hoins aber die gute Zusammenarbeit und klaren Absprachen mit Kollegen. „Wer sich vorher nicht gut organisiert, hat nachher das Chaos“, sagt sie. Sie arbeitet im Alltag eng mit einer Kollegin zusammen. Man sei gut eingespielt, sagt sie. „Fast aus dem Stand heraus können wir uns vertreten.“

In den ersten Tagen im Büro trennt sie gemeinsam mit der Kollegin Wichtiges von Unwichtigem und macht einen Fahrplan. Man solle sich nicht gleich überfordern und vermeiden, im Alltag überhaupt erst so viel Stress anzusammeln, sagt Hoins. Deshalb gibt es bei der Allianz auch in jeder Arbeitsgruppe zwei Gesundheitsbeauftragte – Kollegen, die auch als „Vorturner“ fungieren und das Team etwa einmal pro Woche oder bei Bedarf, wenn alle angespannt wirken, in den Besprechungsraum trommeln. Für fünf bis zehn Minuten wird dann geturnt.

ÖFTER MAL DURCHATMEN

Max Becker ist freiberuflicher Yogalehrer. Erst die Konzertreise nach Köln, dann der Urlaub im Grünen in Freiburg und Umgebung. Als er wieder in Berlin ankam, musste er sich erst einmal akklimatisieren, sagt er.

Nach dem Urlaub achtet er immer darauf, wieder in die Routine zurückzufinden – bevor er sich neuen Herausforderungen stellt. „Die Seele braucht einen Tag länger, um zurückzukommen“, sagt Becker.

Wenn sich bei ihm neue Yoga-Schüler melden und von ihm Hilfe bei schweren Problemen erhoffen, bei Rückenschmerzen zum Beispiel, Depressionen oder Bluthochdruck, dann will er sich ganz auf sie einstellen können, ohne den Kopf voll zu haben mit anderen Dingen.

In der ersten Woche nach der Reise nahm er deshalb auch in diesem Jahr nur die laufenden Gruppenkurse in Berliner Unternehmen wieder auf. Einzelstunden für neue Schüler legte er in die zweite Woche. Er müsse gut zu sich selbst sein, um helfen zu können, sagt er. Auch das hat er durch Yoga gelernt.

Seit vielen Jahren lehrt er die Übungen für Geist und Körper. Und er hat einige Techniken entwickelt, wie er sich selbst nach einer Leistungsanspannung wieder entspannt. Jeden Morgen absolviert der 60-Jährige in 30 bis 45 Minuten ein maßgeschneidertes Programm, um beweglich zu bleiben und seine Mitte zu finden.

Wenn er während eines Arbeitstages von einem Unternehmen in Berlin quer durch die Stadt zu einem anderen fährt, bleibt für solche Übungen aber wenig Zeit und Raum. Dann helfen ihm kleine Atemübungen von drei bis fünf Minuten. Das lässt sich ganz einfach machen, sagt er, und macht gleich mal am Telefon vor, wie es geht: Etwa für zehn bis zwölf Atemzüge mit dem linken Zeigefinger den linken Nasenflügel zuhalten. Dann wieder normal atmen und auf den Unterschied achten. Anschließend die rechte Seite zuhalten, erklärt der Fachmann. Auch bewusst auszuatmen helfe – in Stressphasen sei die Einatmung meist überbetont. Und er beschreibt eine weitere Übung: Wenn man spürt, dass man bei Stress die Zähne zusammenbeißt, sollte man den Unterkiefer nach unten fallen lassen, so wie ein staunender Mensch. Das sei für den gesamten Körper ein Signal, sich zu entspannen.

Aber auch er müsse sich immer wieder daran erinnern, sich nicht zu überfordern, sagt Becker. Sein Tipp: „Nicht 100 Dinge gleichzeitig tun, sondern nur ein bis zwei.“ Das bringe Ruhe in den Alltag.

MENTALER KURZURLAUB

Allein wieder acht Stunden still zu sitzen fiel Claudia Gallus von der Online-Spendenplattform betterplace.org in diesem Jahr nach dem Sommerurlaub schwer. Die 29-Jährige ist Assistentin der Geschäftsführung und auch zuständig für das Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Vor ein paar Wochen war sie noch „on the Road“, mit einem VW-Bus ist sie nach Portugal gereist. Am Meer stand ein Surfkurs auf dem Programm. „Man konzentriert sich ganz auf die Welle“, erzählt Gallus.

Zurück an den Schreibtisch im Kreuzberger Großraumbüro mit 45 Kollegen, wo häufig das Telefon läutet, fühlte Gallus sich in den ersten Tagen „noch ganz hippelig“. Sie wechselte häufig an Stehtische, zur Mittagspause ging sie raus ins Freie. Die Kollegin, die sie vertreten hatte, übernahm in den ersten Tagen noch eingehende Telefonate und den Posteingang. Das hat ihr den Einstieg sehr erleichtert, sagt Gallus.

Dass sie erst Sonntag um 22 Uhr zurück in Berlin war und dann Montag um 9 Uhr im Büro, war für sie kein Problem. Sie fühlte sich erholt, erzählt sie, und die Abläufe nach einer längeren Abwesenheit seien immer gleich: Nach der Begrüßung brachte der Chef sie auf den Status quo und nannte die fünf wichtigsten Dinge für die laufende Woche. „Dann hat er mich allein gelassen, damit ich wieder Land gewinne“, sagt Gallus. Sie machte sich an ihre E-Mails. Mit der frischen Energie habe sie in den folgenden Tagen auch zwei Dinge für die Teamleiter organisiert, die vorher länger liegen geblieben waren. „Der Berg ist da“, sagt Gallus über die Arbeit, die sich angehäuft hat, aber wie man ihn abarbeite, das mache den Unterschied.

Sie wollte sich die gute Urlaubsstimmung nicht gleich verderben lassen und achtete noch mehr als gewöhnlich darauf, pünktlich Schluss zu machen. Zwischendurch hörte sie manchmal mit Kopfhörern Musik von der Reise.

Ihr Bildschirmschoner zeigt eine Regenwald-Insel bei Panama; eine ihrer früheren Urlaubsdestinationen. Da taucht sie für eine Minute ein, wenn sie nicht Zahlen und E-Mails sehen will. Bei dem Bild hört sie Affen durch Bäume rascheln, erzählt sie. Manchmal kommen Kollegen vorbei und fragen, wo sie das Foto aufgenommen hat.

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