zum Hauptinhalt

Nach dem Brexit: Osteuropa-Handel könnte die Delle ausgleichen

Deutsche Unternehmen sind in Polen, Ungarn und Tschechien sehr willkommen. Auch Usbekistan ist ein spannender Partner.

der

Die EU stellt sich auf einen harten Brexit und dessen negative Folgen für die Wirtschaft ein. Eine positive Hoffnung lautet: der prosperierende Ost-Handel könnte die erwartete Brexit-Delle zumindest teilweise ausgleichen. „Natürlich ist der Brexit nicht gut“, sagt Michael Harms, Geschäftsführer des Ostausschusses. „Aber er bietet auch eine gewisse Chance.“

Deutschland und Großbritannien seien bisher in der EU die Vorreiter für wirtschaftlichen Liberalismus und Multilateralismus gewesen. „Wir werden neue Verbündete brauchen“, sagt Harms, „und wir hoffen, dass wie sie bei unseren Nachbarn finden.“

Wirtschaftliche Schwergewichte

Vor allem Polen, Ungarn oder Tschechien seien inzwischen „wirtschaftliche Schwergewichte“ geworden. Gerade in den Zukunftsbranchen, meint Harms, können die östlichen EU-Nachbarn strategische Partner sein. Das gerate ein wenig aus dem Blick, weil einem sofort die politischen Probleme einfallen, wenn von Polen und Ungarn die Rede ist. Die Erfahrung des Ost-Ausschusses zeige, deutschen Unternehmen werde in diesen Ländern „der rote Teppich ausgerollt“. Positives gelte auch für den Außenhandel. „Mit Polen und Tschechen zusammengenommen handeln wir mehr Waren, als mit China oder den USA“, sagt Harms. Polen ist inzwischen der siebtgrößte Handelspartner Deutschlands und hätte demnächst - auch ohne Brexit - Großbritannien wohl überholt. Ganz Osteuropa stehe inzwischen für 20 Prozent des deutschen Außenhandels.

Zudem biete der Brexit nach Ansicht von Harms die Möglichkeit, noch intensiver weiter nach Osten zu blicken. Trotz guter Entwicklungen in den Beziehungen zu zentralasiatischen Staaten sei die Eurasische Wirtschaftsunion, ein Zusammenschluss ehemaliger Sowjetrepubliken, noch weitgehend „ein großer weißer Fleck“. „In Brüssel halten sie viele für eine Sowjetunion light“, sagt Harms. Aber das sei ein strategischer Fehler.

Großes Potenzial besitze Usbekistan, um nur ein Beispiel zu nennen. „Nach 30 Jahren autoritärer Herrschaft beobachten wir dort eine phantastische Öffnung. Die Wirtschaftsreformen nehmen Fahrt auf und es gibt ein großes Interesse deutscher Unternehmen“, beschreibt der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses die Situation. Usbekistan ist mit 33 Millionen Einwohnern der größte Markt in Zentralasien. Das Land hat zudem sehr gute handwerkliche und industrielle Traditionen und ist reich an Rohstoffen. „Es gibt zum Beispiel Gasvorkommen, die derzeit auch mit Hilfe deutscher Investoren erschlossen werden.“

Südliche Route für das Erdgas

Wenn es um Erdgas geht, dann käme vor allem natürlich Turkmenistan ins Spiel - auch mit Blick auf den Streit über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Harms stellt klar: „Wir sind sehr dafür, aus geopolitischen wie aus wirtschaftlichen Gründen, einen südlichen Gaskorridor zu etablieren. Wenn es uns gelingen würde, auch aus Turkmenistan oder Aserbaidschan Erdgas zu beziehen, dann wäre das hervorragend für die Diversifizierung europäischer Lieferquellen.“

Auch China widmet Zentralasien derzeit große Aufmerksamkeit und sucht in der EU-Partner für sein Projekt einer „neuen Seidenstraße“. Italien ist dabei mit bilateralen Vereinbarungen vorgeprescht. Die Haltung deutscher Unternehmen ist ambivalent, geht aus einer Untersuchung des Ost-Ausschusses hervor. Einerseits erhoffen sich deutsche Unternehmen durch eine Kooperation mit China einen besseren Zugang zu Projekten entlang dieser Seidenstraße. Andererseits herrscht Skepsis, weil den großen Ankündigungen von Investitionen in Höhe von 900 Milliarden Dollar bisher nicht viel Konkretes gefolgt ist. Deutsche Unternehmen fürchten, dass China Kredite an die betreffenden Länder gibt und die Projekte komplett mit eigenen Leistungen abdecken will.

Russland ohne Wachstumsstory

Licht und Schatten gibt es auch mit Blick auf Russland. Es ist nicht nur die fortlaufende Diskussion über eine Verschärfung der Sanktionen, die zu einer Verunsicherung der Unternehmen führt. „Die große Wachstumsstory, die Anfang der 2000er Jahre mit Russland verbunden war, gibt es derzeit nicht“, sagt Harms. Die Prognose für 2019 liege „bei mageren 1,3 Prozent“. Eine zentrale Rolle spielt auch der Ukraine-Konflikt. „Letzten Endes wird es ohne die Lösung der Ukraine-Problematik keine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland geben. Da müssen wir realistisch sein.“ Der Ost-Ausschuss setzte sich für ein schrittweises Vorgehen ein: wenn es Fortschritte einer Konfliktlösung um die Ukraine gebe, dann sollte es auch zu Bewegung hin zu einem Abbau der Sanktionen führen. Aber, sagt Harms: „Auch Russland muss da mehr tun.“

Zur Startseite