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Eine VARTA Batterie steht am 09.10.2013 im Werk Johnson Controls in Hannover (Niedersachsen) auf einem Produktionsband. Autos mit alternativen Antrieben werden aus Sicht führender Batterieexperten den Massenmarkt nur nach und nach erobern. «Nur die Summe vieler kleiner Schritte wird zur Lösung führen», sagte der Chef der Batteriesparte im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Foto: Peter Steffen/dpa (zu lni 0793 vom 09.10.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++ |

© picture alliance / dpa

Nach Absturz der Aktie: Varta klagt über Patentverletzungen der Konkurrenz

Die Aktie des Akku-Herstellers bricht um 25 Prozent ein. Zuvor war eine Studie der Commerzbank über Lieferengpässe öffentlich geworden.

Am Donnerstag hat der Schreck langsam nachgelassen. Die Varta-Aktie erholte sich deutlich. Doch bis das Papier den Wert vom vergangenen Dienstag erreicht, werden noch viele Handelstage gebraucht. Um mehr als ein Fünftel war der Kurs am Mittwoch eingebrochen, nachdem eine kleine Studie der Commerzbank über Lieferengpässe und Patentverstöße bekannt geworden war. Vielleicht war das auch ein willkommener Anlass, um etwas Luft rauszulassen aus der Aktie, die 2019 mit plus 388 Prozent auf 128 Euro zu den auffälligsten Wertpapieren hierzulande gehörte.

Die Commerzbank riet übrigens nicht zum Verkauf des Papiers, korrigierte ihre Empfehlung für die Anleger aber von „Kaufen“ auf „Halten“ – immerhin mit einem Kursziel von 135 Euro. Am Mittwoch war die Aktie von 120 auf 93 Euro gestürzt, am Donnerstag ging es zeitweise bis knapp 98 Euro aufwärts.

Weltmarktführer für Hörgeräte-Akkus

Das Unternehmen mit Sitz im schwäbischen Ellwangen ist womöglich Opfer des eigenen Erfolgs geworden: Bei kleinen Lithium-Ionen-Knopfzellen ist Varta Weltmarktführer in den Einsatzbereichen Hörgeräte und Kopfhörer. Die Kapazitäten werden auf der Schwäbischen Alb rasant ausgebaut – von 80 Millionen Akkus im vergangenen Jahr auf 100 Millionen in diesem Jahr und 150 Millionen 2022. Vor allem Smartphone-Anbieter benötigen immer mehr Kleinbatterien für ihre kabellosen Kopfhörer.

Kunden zweifeln an der Lieferfähigkeit

Offenkundig gerieten die Einkäufer von Samsung wie auch vom Hifi-Unternehmen JBL in Sorge, der mittelständische Lieferant aus dem Schwabenland könnte nicht genug Zellen liefern. Die Unternehmen suchten eine Alternative und wurden in China fündig bei EVE und MIC Power. Diese Anbieter haben jedoch, so jedenfalls die Angaben von Varta, in vier Fällen Patente des deutschen Marktführers verletzt; unter anderem sei die hochkomplexe Folientechnik kopiert worden.

Varta hat die mutmaßliche Patentverletzung kurz vor Weihnachten entdeckt und inzwischen Klagen in China, Japan, den USA und in Deutschland eingereicht. Ferner wurden Händler aufgefordert, bis zum 15. Januar die Plagiatskopfhörer aus dem Sortiment zu nehmen, darunter Amazon, Media Markt und Saturn.

Das Geschäft mit Akkus soll weiter ausgebaut werden

„Man kriegt das irgendwie hin“, heißt es in Ellwangen auf die Frage, ob die zuletzt um 30 Prozent gestiegene Nachfrage auch zeitnah bedient werden könne. Eine neue Produktionshalle entsteht gerade auf dem Gelände in Ellwangen, und am Zweitstandort in Nördlingen werden die Kapazitäten auch ausgebaut. Mit knapp 4000 Mitarbeitern ist Varta bereits jetzt der größte deutsche Zellenhersteller mit herausragender Kompetenz bei den kleinen Akkus. Doch auch bei den größeren Formaten für Autobatterien will die Varta AG, die mehrheitlich der schweizerischen Montana Gruppe gehört, künftig mitmischen. Bislang werden diese Zellen ausschließlich von asiatischen Firmen produziert. Damit das anders wird, nehmen Bundesregierung und EU-Kommission Milliarden in die Hand.

Zu einem ersten Konsortium, das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag gefördert wird, gehört neben PSA/Opel, BASF und BMW auch Varta. Gut 200 Millionen Euro sehen allein die Varta-Pläne vor, um eine erste Pilotfertigung aufzubauen. Dem Vernehmen nach ist dafür eine Drittelfinanzierung vorgesehen: Jeweils rund 70 Millionen Euro kommen vom Bund, dem Land Baden-Württemberg und dem Unternehmen. Noch im Januar soll mit dem Förderbescheid des BMWi konkreter über die Pläne informiert werden. Das Marktpotenzial ist enorm, da ein großer Teil der weltweiten Autoflotte in diesem Jahrzehnt auf Batterieantrieb umgestellt wird.

220 Stellen im Konsumenten-Geschäft fallen weg

Neben dem stark expandierenden Geschäft mit Mikrobatterien produziert die Varta AG auch Speicher und seit Kurzem Haushaltsbatterien. Dazu hat die Varta AG die Varta Consumer von der US- Firma Spectrum Brands übernommen. Die Varta AG steht nun auf zwei Säulen: „Microbatteries & Solutions“ sowie „Household Batteries“. Unter dem Dach von Spectrum Brands hatte Varta Consumer auch Kaffeemaschinen, Toaster oder Tierfutter vertrieben. Diese Bereiche werden eingestellt, das Unternehmen beschränkt sich auf Batterien. Dadurch fallen 220 Vollzeitstellen im Consumer-Geschäft weg, „sozialverträglich und in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern“, wie Varta am Donnerstag mitteilte.

Frisches Geld durch Kapitalerhöhung im letzten Jahr

So viele Betroffene wie möglich sollen von der neuen Mutter übernommen werden, in deren klassischem Geschäft mit Mikrobatterien allein in diesem Jahre einige Hundert Einstellungen geplant sind. „Aufgrund der hohen Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien bauen wir unserer Produktionskapazitäten weiterhin massiv aus“, ließ sich Varta-Vorstandschef Herbert Schein zitieren. Dazu hat sich das Unternehmen Mitte 2019 auf dem Wege einer Kapitalerhöhung 100 Millionen Euro von institutionellen Investoren besorgt.

Und auf dem Stammgelände in Ellwangen wird im zweiten Quartal ein neues, 30 Meter großes Hochregallager in Betrieb genommen; es entsteht Platz in den angrenzenden Hallen für neue Produktionsstrecken. Damit Samsung, JBL und andere Hersteller nicht zu lange warten müssen auf die Knopfzellen für kabellose Kopfhörer.

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