zum Hauptinhalt
Das klassische Taxigewerbe steht unter Druck. Jetzt fusioniert Daimler-Tochter Mytaxi mit dem britischen Anbieter Hailo - sie wollen den Taxifunk überflüssig machen.

© Wolfram Kastl/dpa

Mytaxi fusioniert mit Hailo: Die Taxibranche gerät weiter unter Druck

Das Taxigeschäft wandelt sich: Immer mehr Fahrdienstvermittler drängen in den Markt. Jetzt fusionieren Daimler-Tochter Mytaxi und der britische Anbieter Hailo. Doch auch VW mischt mit.

Berlin - Wer heute ein Taxi bestellen will, hat drei Möglichkeiten: Er winkt eines an der Straße heran, er ruft per Telefon oder Taxisäule in der Taxizentrale an, oder er ordert einen Wagen per App – letzteres machen immer mehr Menschen hierzulande. 20 Prozent der Fahrten werden inzwischen per App bestellt, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie des IT-Branchenverbands Bitkom. Am häufigsten genutzt wird demnach das Angebot von Mytaxi. Nun fusioniert die Daimler-Tochter mit dem britischen Anbieter Hailo – ein Versuch, sich Anteile auf dem heiß umkämpften Markt der Mobilitätsanbieter zu sichern. Der klassischen Taxi-Branche bereitet das Sorgen.

Uber und Lyft haben Taxis in den USA quasi überflüssig gemacht

In den USA sind klassische Taxis quasi überflüssig gemacht worden durch neue Fahrdienstvermittler wie Uber und Lyft, die Fahrten in Privatwagen vermitteln und die Branche dominieren. In Europa und Deutschland ist der Markt dagegen bisher noch nicht so klar aufgeteilt. Uber hat zwar versucht, aggressiv in den Markt zu drängen, konnte sein Modell hier jedoch aufgrund der strengen Regeln in Bezug auf Personenbeförderung nicht wie gewohnt umsetzen.

Volkswagen startet 2017 mit dem Taxi-Dienst Gett in Deutschland

Allerdings haben die traditionellen Automobilhersteller erkannt, dass sie künftig nicht mehr allein mit der Herstellung von Fahrzeugen punkten können. Immer mehr Menschen verzichten auf ein eigenes Auto, sie nutzen verschiedene Angebote, um sich von A nach B zu bewegen. Beispielsweise per Carsharing, an dem sich schon BMW mit DriveNow, Daimler mit Car2Go und Opel mit Carunity beteiligen. Doch auch in die neuen Fahrdienstvermittler investieren sie kräftig: Erst Anfang des Jahres steckte Opel-Mutter General Motors (GM) 500 Millionen Dollar in den Uber-Konkurrenten Lyft. Toyota übernahm Anteile an Uber. Und Volkswagen beteiligte sich mit 300 Millionen Dollar am US-Mitfahrdienst Gett, dessen Taxen ab der ersten Jahreshälfte 2017 auch durch deutsche Großstädte wie Berlin fahren sollen. Daimler, das Mytaxi bereits 2014 übernommen hatte, will sich nun durch die Fusion mit Hailo vorab wichtige Marktanteile sichern.

Mytaxi arbeitet mit 45 0000 Taxifahrern zusammen

Mit 45 000 Taxifahrern arbeitet Mytaxi nach eigenen Angaben in sieben europäischen zusammen, davon mit 20 000 in Deutschland. Die Fahrer zahlen für die Vermittlung eines Fahrgastes sieben Prozent Provision, für die Kunden ist die Nutzung kostenlos. Drei Millionen Nutzer zählt Mytaxi nach eigenen Angaben, am erfolgreichsten sei der Dienst in Madrid, gefolgt von Berlin und Hamburg.

Hailo, 2011 gegründet und von prominenten Investoren wie dem Virgin-Gründer Richard Branson mit insgesamt über 100 Millionen Dollar finanziert, ist bislang in Großbritannien, Irland und Spanien aktiv, wo es zu Mytaxis größten Konkurrenten gehörte. Beim Versuch einen Fuß auf den US-Markt zu setzen und mit Uber und Lyft zu konkurrieren, hatte sich Hailo eine blutige Nase geholt.

Hailo schreibt tiefrote Zahlen

Ohnehin schreibt das Unternehmen rote Zahlen, 2014 machte es einen Verlust von 25,8 Millionen Euro und war offensichtlich auf der Suche nach einem neuen Geldgeber – und der kommt nun mit Daimler. Durch den Zusammenschluss könne das gemeinsame Unternehmen auf mehr als 100 000 Taxi-Fahrer in mehr als 50 Städten in neun Ländern, teilt Mytaxi-Sprecher Stefan Keuchel mit. Hauptsitz des Unternehmens, das künftig unter dem Namen Mytaxi firmiert, ist Hamburg. Chef wird der bisherige Hailo-Chef Andrew Pinnington. Mytaxi-Gründer Niclaus Mewes rückt derweil in Aufsichtsrat von Mytaxi auf und wird dazu Geschäftsführer der Daimler Mobility Services GmbH.

Der Zusammenschluss mit Hailo sei „ein weiterer strategischer Schritt, um uns als führendes Unternehmen für Mobilitätslösungen und -plattformen zu positionieren“, erklärte der Vorstandschef der Daimler-Finanzsparte, Klaus Entenmann. Das Investment erfolge zusätzlich zu den 500 Millionen Euro, die Daimler in den vergangenen Jahren bereits in den Aufbau von Mobilitätsplattformen gesteckt habe.

Bei der Fusion der beiden Unternehmen fließt kein Bargeld

Bei der Fusion der beiden Unternehmen fließe kein Bargeld. Der Deal werde alleine durch den Austausch von Firmenanteilen finanziert, teilt Mytaxi mit. Zu den Details des Vertrags wollten weder Mytaxi noch Hailo Angaben machen. Der Zusammenschluss muss allerdings noch von den europäischen Regulierungsbehörden genehmigt werden. Eine Entscheidung werde in den kommenden Wochen erwartet.

"Damit zahlt am Ende der Verbraucher die Zeche"

Der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband BZP warnte am Dienstag vor den negativen Folgen, die die Fusion für das Gewerbe und seine Kunden haben werde. Durch MyTaxi werde nicht etwa ein zusätzliches Angebot auf die Straße gebracht, sondern es ändere sich lediglich die Form der Vermittlung. Diese erfolge bisher über Taxizentralen in Form von Eigenorganisation zum Selbstkostenpreis, erklärte BZP-Präsident Michael Müller: „Wenn aus dieser Vermittlung zukünftig Gewinne erzielt werden sollen, können diese nur über den Fahrpreis erwirtschaftet werden. Damit zahlt am Ende der Verbraucher die Zeche.“

Verfechter der neuen Technologien meinen dagegen, dass die Fahrdienstvermittlung durch Digitalisierung nicht nur effizienter, sondern auch transparenter werde – ein systematischer Betrug, wie nun in Berlin aufgedeckt, sei damit kaum noch möglich.

Schon vor der Fusion gab es Knatsch zwischen Mytaxi und der Taxibranche

Schon jetzt gibt es neben Mytaxi weitere Anbieter, die Taxi-Fahrten per App vermitteln wie Taxi.de, Taxi.eu und Taxi Deutschland. Doch schon vor der Fusion gab es Knatsch zwischen Mytaxi und der klassischen Taxibranche. Mehrere Taxizentralen wehrten sich vor Gericht gegen Rabattaktionen. Mytaxi umgehe die gesetzten Festpreise, die Taxifahrer vor ruinösem Wettbewerb schützen sollen, klagte die Branche. Das Landgericht Frankfurt am Main stoppte diese Praxis bundesweit. Die Daimler-Tochter ging daraufhin in Berufung, eine Entscheidung steht aber erst im kommenden Jahr an.

Uber ist weiter in Deutschland aktiv

Doch auch Uber macht dem Unternehmen weiter Konkurrenz. In Berlin ist es mit dem Dienst Uber Taxi aktiv, der ebenfalls Taxifahrten vermittelt. Dazu mit dem Dienst Uber X, der Mitfahrten bei Personen vermittelt, die eine Lizenz zur Personenbeförderung haben und günstigere Preise als Taxis anbieten sollen. In München wird Uber X ebenfalls angeboten, hinzu kommt der Chauffeurservice Uber Black. Zu den Nutzungszahlen will Uber keine Angaben machen. Auch zu der Fusion von Mytaxi und Hailo äußert sich das Unternehmen nicht.

Wer das Rennen macht auf dem deutschen Markt ist zwar auch nach der Fusion weiter offen, die klassische Taxisäule aber dürfte schon bald aus dem Stadtbild verschwinden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false