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Kläger und Krebs-Opfer Dewayne Johnson weint nach der Urteilsverkündung im Monsanto-Prozess.

© Josh Edelson/Pool AFP/AP/dpa

Monsanto-Herbizid Roundup krebserregend?: Ein Urteil, das Bayer-Anleger zwölf Milliarden Euro kostet

Eine US-Jury hat einem Krebskranken 250 Millionen Euro Schadensersatz zugesprochen. Die Bayer-Aktie stürzt ab, die Politik streitet über Glyphosat.

Vielleicht wird Dewayne „Lee“ Johnson als der Mann in die Geschichte eingehen, der Bayer-Chef Werner Baumann schließlich doch noch zum Grübeln brachte. War die teure Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto vielleicht ein Fehler? Viele Anleger glauben das. Voller Panik flüchteten am Montag so viele aus der Bayer-Aktie, dass der Kurs zwischenzeitlich um 13 Prozent abstürzte und den Börsenwert von Bayer um 12 Milliarden Euro schmälerte. Die Börse ist in großer Sorge um die Zukunft des deutschen Vorzeigeunternehmens.

Was ist geschehen? Am Freitag hatte ein US-Geschworenengericht die Bayer-Tochter Monsanto verurteilt, Johnson Schadensersatz in Höhe von 289 Millionen US-Dollar (254 Millionen Euro) zu zahlen. Die Jury war der Auffassung, dass Monsanto für die Krebserkrankung des 46-Jährigen verantwortlich ist. Johnson hatte als Platzwart an kalifornischen Schulen Unkrautvernichter von Monsanto verwendet, darunter die glyphosathaltigen Roundup und Ranger Pro – bis zu 30 Mal im Jahr hatte Johnson die Mittel eingesetzt.

Heute hat der Mann Lympdrüsenkrebs und ist todkrank. Er hätte Roundup niemals an Schulen eingesetzt, wenn er die Gefahren gekannt hätte, sagt Johnson heute: „Es ist unethisch, es ist falsch, Menschen verdienen so etwas nicht“. Das sehen auch viele andere so: In den USA sind rund 5000 weitere Klagen anhängig.

Die Übernahme von Monsanto hat Bayers Image angekratzt

Für Bayer ist das Urteil eine empfindliche Niederlage. Denn die Übernahme von Monsanto war von Anfang an von heftigen Protesten begleitet worden. Monsanto ist unter Umweltschützern und Menschenrechtsaktivisten verpönt, weil das US-Unternehmen gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Markt bringt und Farmer in aller Welt mit strengen Lizenzverträgen für Saatgut an sich bindet.

Dennoch hatte sich Bayer-Chef Baumann nicht davon abbringen lassen, das Unternehmen zu kaufen. 63 Milliarden Dollar haben sich die Leverkusener den Deal kosten lassen, die teuerste Übernahme, die ein deutsches Unternehmen jemals gestemmt hat. Neben dem hohen Kaufpreis musste Bayer aber noch weitere Pillen schlucken. Damit die Kartellbehörden in aller Welt die Megafusion durchwinken, musste Bayer große Teile seines eigenen Saatgutgeschäfts an den Konkurrenten BASF abgeben.

Sein Lebenswerk: Bayer-Chef Werner Baumann wollte die Übernahme von Monsanto.
Sein Lebenswerk: Bayer-Chef Werner Baumann wollte die Übernahme von Monsanto.

© Oliver Berg/DPA

Bayer und Monsanto: Urteil wird aufgehoben

Am Montag zeigte sich Bayer zuversichtlich, das Urteil aufheben zu können. „Bayer ist davon überzeugt, dass die Gerichte im weiteren Verfahrensverlauf zu dem Ergebnis kommen werden, dass Monsanto und Glyphosat für die Erkrankung von Herrn Johnson nicht verantwortlich sind“, erklärte ein Bayer-Sprecher auf Anfrage. Monsanto betonte in einer Stellungnahme zwar Sympathie für Johnson und dessen Familie. Allerdings ändere die Entscheidung der Jury nichts an der Tatsache, dass mehr als 800 wissenschaftliche Studien der US-Umweltbehörde EPA, der nationalen US-Gesundheitsinstitute und Aufsichtsbehörden aus aller Welt zu dem Schluss kommen, „dass Glyphosat keinen Krebs verursacht.“ Monsanto will daher Berufung einlegen.

Es ist gut möglich, dass die nächste Instanz das Urteil aufhebt. Und anders als die Jury im aktuellen Fall zeigt sich auch der US-Bundesrichter Vince Chhabria, bei dem viele Sammelklagen gebündelt sind, skeptisch, ob die Beweislage einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebs wirklich eindeutig belegen kann.

Wissenschaftler und Behörden halten Glyphosat nicht für krebserregend

Tatsächlich gibt es außer der Weltgesundheitsorganisation WHO keine namhafte Behörde, die Glyphosat für krebserregend hält. Man muss aber wissen, dass die WHO auch rotes Fleisch und Mate-Tee in diese Kategorie einordnet. „In der Wissenschaft ist das Urteil glasklar: Glyphosat ist nicht krebserregend“, hatte der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Andreas Hensel, vor einigen Monaten im Tagesspiegel-Interview betont. Im November hatte die EU das Unkrautvernichtungsmittel für weitere fünf Jahre zugelassen. Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte gegen den Willen seiner damaligen Kabinettskollegin, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), dafür gestimmt – und anschließend Todesdrohungen erhalten.

Giftspritze: Glyphosat tötet alle Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind.
Giftspritze: Glyphosat tötet alle Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind.

© REUTERS

Bundesregierung will aus Glyphosat aussteigen

Auch wenn sich bisher nicht belegen lässt, dass Glyphosat Krebs erzeugt, ist der Wirkstoff dennoch mehr als umstritten. Das Herbizid tötet alle Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind. Damit schadet Glyphosat der Artenvielfalt. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einzuschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.

„Das Monsanto-Urteil zeigt, wohin das unverantwortliche Zocken mit den Risiken von Glyphosat führt, vor allem aus gesundheitlicher, aber auch aus unternehmerischer Sicht“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dem Tagesspiegel. Die Bundesregierung müsse einen kompletten Ausstieg aus Glyphosat vorantreiben. „Es braucht ein striktes Anwendungsverbot von Glyphosat, um Bauern und Verbraucher in Deutschland vor einer möglichen Krebsgefahr zu schützen“, forderte Hofreiter.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) will Privatleuten den Einsatz von Glyphosat verbieten und die Verwendung in der Landwirtschaft einschränken. Klöckner hatte im April erste Vorschläge vorgelegt. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gehen diese aber nicht weit genug. „Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff dürften spätestens zum Ende der Legislaturperiode keine Rolle mehr spielen“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums dem Tagesspiegel. Zudem sei es mit einem Glyphosat- Ausstieg allein nicht getan, nötig sei ein grundsätzlich restriktiverer Einsatz aller Pflanzenschutzmittel. „Heute werden in der Landwirtschaft zu oft zu viele Pestizide verwendet. Das führt mittlerweile zu einem spürbaren Insekten- und Vogelsterben“, heißt es im Umweltministerium. Pflanzenschutzmittel, die nachweislich die Artenvielfalt beeinträchtigen, „sollen gar nicht mehr oder nur noch unter strengen Auflagen verwendet werden.

EU hatte Zulassung um fünf Jahre verlängert

Seit Jahren wird in Europa über Glyphosat gestritten. An der Entscheidung der EU vom November, das Mittel für weitere fünf Jahre auf dem Markt zu lassen, soll sich nach Angaben der Kommission nichts ändern. Drastische Worte fand dagegen der französische Umweltminister Nicolas Hulot. „Das ist der Anfang vom Ende der Arroganz dieses verfluchten Paars Monsanto-Bayer“, sagte er in einem Interview der Zeitung „Libération“.

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