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Wagenladung. Stapelweise bei Ikea einzukaufen ist verlockend, vor allem dann, wenn man alles wieder zurückbringen kann.

© Getty Images

Möbel müssen unbenutzt sein: Ikea ändert sein Recht auf Rückgabe

Bislang galt: Solange der Kauf nur ein Jahr zurückliegt, stellt Ikea keine Fragen und nimmt alle Waren zurück. Damit ist ab September Schluss.

Von Carla Neuhaus

Berlin - „Es ist ok, wenn du deine Meinung änderst“, schreibt Ikea. „Wir wollen, dass du glücklich bist.“ Deshalb darf man Regale, Sessel oder Schränke bislang noch ein Jahr nach dem Kauf zurückgeben. Das klingt großzügig – ist aber wohl selbst den Schweden inzwischen zu großzügig. Ikea schränkt in Deutschland das Rückgaberecht ein: Ab September nimmt der Möbelhändler gekaufte Ware nur noch zurück, wenn sie „neu und unbenutzt“ ist. Die Möbel müssen zwar nicht originalverpackt sein, dürfen aber keine Gebrauchsspuren aufweisen. Das Billyregal kann man weiter im zusammengebauten Zustand zurückgeben – aber eben nur, wenn es keine Kratzer hat.

Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit. Doch bislang galt: Ikea stellt keine Fragen und nimmt alles zurück. Mit diesen zuvorkommenden Regeln ist Ikea in Deutschland allerdings einen Sonderweg gegangen. In anderen Ländern, sagt eine Sprecherin des Konzerns, werden schon immer nur Waren zurückgenommen, die keine Gebrauchsspuren aufweisen. Nun mag man sagen, dass diese Änderung verständlich ist: Warum sollten Kunden einen Tisch oder einen Stuhl noch umtauschen können, wenn er bereits abgenutzt ist? Doch genau das war lange Ikeas Strategie: Der Konzern wollte dem Kunden alles so einfach wie möglich machen, selbst den Rücktritt vom Kauf. 2014 hat Ikea seinen Kunden sogar ein lebenslanges Umtauschrecht eingeräumt – aber nach zwei Jahren wieder kassiert, weil es dafür angeblich keinen Bedarf gab.

Die neue Einschränkung erklärt Ikea mit der Rücksicht auf die Umwelt: Man wolle sicherstellen, „dass Kunden Möbel und Einrichtungsgegenstände nicht nach kurzem Gebrauch entsorgen“, sagt die Sprecherin. Sie sollten vielmehr „den Wert des Produkts im Sinne des Ressourceneinsatzes, der dafür nötig war, schätzen“. Soll heißen: Ikea will den Kunden die Wegwerfkultur austreiben.

Dabei hat der Möbelhändler genau die lange selbst befeuert. Mit besonders günstigen Preisen hat Ikea Kunden dazu animiert, mehr zu kaufen als sie brauchen und Möbel schneller durch neue zu ersetzen. Wie bei Lebensmitteln ist die Verschwendung inzwischen aber auch bei Möbeln in Verruf geraten. Deshalb arbeitet Ikea schon länger an einem neuen Image. „Heutzutage kannst du keine Wegwerfprodukte mehr bauen“, ließ sich Peter Agnefjäll, der damalige Ikea-Chef, bereits 2016 zitieren. „Wer einen Sofatisch kauft, erwartet, dass der lange hält.“

Zudem hat der Konzern das Ziel ausgegeben, 2020 bereits 90 Prozent seiner Abfälle zu recyceln. Dazu passt, dass Ikea überlegt, Möbel künftig auch zu verleihen. In Belgien kann man schon jetzt defekte Schränke reparieren oder neu anstreichen lassen. In Japan nimmt Ikea alte Sofas in Zahlung und recycelt sie.

Wie viele Kunden hierzulande das Rückgaberecht ausgenutzt und selbst für zerkratzte, kaputte oder verschlissene Möbel ihr Geld zurückverlangt haben, will der Konzern nicht verraten. Allerdings sollen es stets dieselben Kunden gewesen sein, die kurz vor Ablauf der Umtauschfrist demolierte Ware vorbeigebracht hätten.

Ein Problem, das auch andere Händler kennen. Amazon etwa geriet kürzlich in die Schlagzeilen, weil der Konzern zurückgeschickte Waren im großen Stil vernichtet. Weil sie nicht mehr verkäuflich sind, werden funktionsfähige Waschmaschinen, Tablets, Matratzen und Möbel entsorgt. Der Grund: Die Wiederaufbereitung ist oft teurer als der Neukauf. Auch Ikea entsorgt zum Teil Möbel, die zurückgegeben und selbst reduziert nicht mehr weiterverkauft werden können.

Wie der schwedische Konzern schränken auch andere Händler ihre Rückgaberegeln ein. Vorreiter sind dabei die USA. Dort hat zum Beispiel der Outdoorhändler LL Bean seine lebenslange Produktgarantie zurückgenommen. Der Grund: Zu viele Kunden wollten ihre abgetretenen Wanderschuhe oder verschmutzten Jacken nach Jahren des Gebrauchs zurückgeben. Die Unterwäschefirma Victoria's Secret und der Elektronikhändler Best Buy sollen inzwischen extra Datenspezialisten eingeschaltet haben: Die sollen diejenigen Kunden ausfindig machen, die besonders viel zurückgeben. Abgesehen haben es die Händler angeblich vor allem auf Betrüger: Sie sollen zum Teil auf den Parkplätzen der Läden Kassenbons aus Mülleimern fischen, die Ware im Geschäft klauen und das Geld kassieren.

Dennoch ist es für die Händler immer eine Gratwanderung, die Rückgabe einzuschränken – online wie offline. So hat der Berliner Onlinehändler Zalando zum Beispiel mal getestet, was passiert, wenn der Retourenschein nicht mit ins Paket gelegt wird. Die Kunden konnten die Ware zwar weiterhin zurückgeben, mussten sich aber den Bogen selbst ausdrucken. Die Folge: Sie haben weniger zurückgeschickt – aber auch seltener ein zweites Mal etwas bestellt.

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