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Schnell wie sonst nicht: Der ICE 3 auf der Neubaustrecke Erfurt-Ebensfeld der Gesamtstrecke Berlin-München in Richtung Bayern.

© dpa

Mobilitätswende: Die vertanen Chancen der Deutschen Bahn

Mit Bummelzügen und Baustellen bremst das Unternehmen sich selbst aus. Dabei könnte jetzt seine große Stunde schlagen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Fabian Leber

Da ist der Skandal um die Grenzwerte von Dieselautos auf der einen Seite. Und da gibt es die Debatte um einen Flughafen wie Berlin-Tegel andererseits – einen Airport, von dem aus viele kurze, innerdeutsche Flüge starten. Auf den ersten Blick haben beide Diskussionen nichts miteinander zu tun. Es sei denn, man stellt die Frage, was in beiden Fällen eine umweltfreundliche Alternative sein könnte: Eine Verkehrsart, die die Batterieprobleme von Elektroautos umgeht, gleichzeitig aber Regionen unkompliziert miteinander verknüpft.

Klar, dass jetzt eigentlich die Stunde der Bahn schlagen müsste. Die aber sorgt stattdessen für Negativschlagzeilen: Noch bis in den Oktober hinein bleibt die Rheintalstrecke bei Karlsruhe komplett gesperrt – ein verkehrstechnischer Super-Gau. Nicht irgendeine Bahnlinie weit weg in der Provinz ist da unterbrochen, sondern eine der wichtigsten Lebensadern im europäischen Nord-Süd-Verkehr. Weil die Bahn nur fünf Meter unter der Strecke einen neuen Tunnel graben ließ, sackten Mitte August die Gleise ab. Ein Glück, dass nicht ein vollbesetzter ICE über die Stelle bretterte, als die Schienen sich verbogen.

Das Loch unter den Gleisen muss nun mit mehr als 1300 Lastwagenladungen Beton notdürftig gestopft werden. Jeden Tag sind zehntausende Passagiere betroffen, hunderte internationale Güterzüge fallen aus, Spediteure müssen auf die Straße ausweichen, der Schaden beträgt mehr als 100 Millionen Euro. Vom gewaltigen Imagekratzer ganz zu schweigen - und der sich aufdrängenden Frage, warum die Bahn den Tunnelbau in den Sand setzte.

Nur langsam realisierte die Deutsche Bahn (DB) das Ausmaß des Schadens; das Krisenmanagement kam nicht in die Gänge, was durchaus symptomatisch wirkt für den Gesamtzustand des Konzerns. Auch Angela Merkels Wunderwaffe für die Bahn, ihr früherer Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, jetzt dort zuständig für die Infrastruktur, ging in Deckung. Als ehemaliger Politiker müsste er eigentlich am besten wissen, wie wichtig gute Krisenkommunikation ist.

Eine Paradestrecke - und sonst?

Symptomatisch sind die Reaktionen deshalb, weil die Bahn seit der Amtszeit von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn zu einem weltweit tätigen Konzern angewachsen ist. Fast die Hälfte der DB-Mitarbeiter arbeitet inzwischen im Ausland. Zwar wurde der von Mehdorn anvisierte Börsengang abgesagt, doch der Heimatmarkt Deutschland scheint für die Bahn nur noch eine nachgeordnete Rolle zu spielen. Dabei ist die DB zu 100 Prozent im Besitz des Bundes und damit der Bürger. Sie könnte und müsste eine zentrale Rolle bei der Verkehrswende spielen, als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. In den Augen vieler Deutscher ist sie aber vor allem: teuer und am Ende oft doch zu langsam.

Auch eine neue Paradestrecke wie die ICE-Verbindung zwischen Berlin und München darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bahn auf vielen Relationen zu lange unterwegs ist, um mit dem Flugzeug zu konkurrieren. Für die etwa 600 Kilometer lange Strecke braucht der Sprinter-ICE ab Dezember vier Stunden. Andere Länder sind da besser: Bei der ungefähr gleich langen Strecke zwischen Madrid und Barcelona sind es zweieinhalb Stunden. Das ist- schnell genug, um Geschäftsreisende vom Flugzeug auf die Bahn zu lotsen. Im Schnitt ist der ICE auch langsamer als der französische TGV, unter anderem, weil in Deutschland neue Schnellstrecken von schlecht ausgebauten Altstrecken unterbrochen werden.

Ohnehin setzt die Deutsche Bahn auf Entschleunigung. Sie will den Hochgeschwindigkeitsverkehr sogar zurückfahren. Der beginnt ab 250 Stundenkilometern, die neuen ICE-4-Züge bleiben da knapp drunter und schaffen es nur noch auf Tempo 249. Das Potenzial der milliardenteuren, steuerfinanzierten Neubaustrecken kann so nicht ausgeschöpft werden Und das bloß, weil die Bahn bei der Beschaffung der Züge Geld sparen will, denn langsamere Züge sind billiger.

Vielleicht würde echte Konkurrenz das Bahnfahren attraktiver machen. Doch in Deutschland ist das öffentlich bezahlte Bahnnetz in der Hand der DB geblieben, statt es unabhängig zu verwalten. Das bremst andere Bahngesellschaften in der Praxis aus. Auch die Politik will keinen wirklichen Wettbewerb auf der Schiene, denn sie ist an möglichst hohen Gewinnen der DB AG interessiert. So lange diese in den Bundeshaushalt fließen, statt in den dringend nötigen Ausbau des Netzes, werden die Deutschen auf die Bahn auch weiterhin nicht richtig abfahren.

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