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Perfekt in Form. Von diesem Auftritt im Anzug wäre vermutlich auch Knigge begeistert. So förmlich muss es aber nicht in jedem Beruf und für jeden Anlass sein. Foto: Fotolia

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Wirtschaft: Mit Knigge zum Geschäftstermin

In Benimm-Seminaren lernen die Teilnehmer, was sich gehört auf dem gesellschaftlichen Parkett - und was nicht.

Wer geht zuerst durch die Tür? Darf beim Geschäftsessen angestoßen werden? Sind kurze Hosen im Büro wirklich in jedem Fall tabu? Der Umgang mit Geschäftspartnern, Kunden und Kollegen wirft täglich Fragen auf – und birgt Stolpersteine. Ein Kanon an Benimm-Regeln erleichtert in vielen Situationen die Orientierung. Besonders nützlich nach Ansicht vieler Etikette-Trainer: der gesunde Menschenverstand.

Benimm ist in. Das bemerkt spätestens, wer einen Trainer sucht, der sogenannte „Business-Knigge-Seminare“ anbietet. Die Zeit der Seminarleiter ist knapp, die Kurse sind meist ausgebucht. Doch warum ist gutes Benehmen in Business-Kreisen so im Gespräch? „Ein Seminar rund um das Thema gibt uns Sicherheit“, sagt Jan Schaumann. Der Stiltrainer leitet seit zehn Jahren Seminare zur Business-Etikette. Das Thema boomt. „Auch wer sich recht gekonnt im täglichen Umgang mit Geschäftspartnern und Kunden schlägt, erhält durch das Seminar Tipps für einen Plan B. Also: Was tue ich, wenn ich doch einmal versehentlich im Fettnäpfchen gelandet bin?“, sagt Schaumann. „Die vielbeschrieenen Soft Skills sind schwer zu messen. Ob jemand jedoch Umgangsformen hat, merkt man sofort. Und das ist ein Fakt, der immer gut ankommt beim Gegenüber.“ Der Kurs helfe den Teilnehmern, diese Umgangsformen aufzufrischen und sicherer zu werden auf dem gesellschaftlichen und beruflichen Parkett.

Dauerbrenner ist dabei immer wieder die Kleidung. Insbesondere bei heißen Temperaturen sind viele Arbeitnehmer unsicher, ob ein Anzug nach wie vor Pflicht ist. Solche und ähnliche Fragen erörtert Jan Schaumann mit den Teilnehmern. Problem: eine pauschale Antwort gibt es nicht. „In jeder Branche gelten andere Regeln“, sagt er. Und diese Regeln sind tradiert und gefestigt. Einen Bankkaufmann wünschen sich die Kunden möglichst konservativ – nur so scheint ihnen ihr Geld in guten Händen. Von einem Grafikdesigner wird meist ein lässigerer Kleidungsstil erwartet – so als könnte ein kreativer Geist nicht im Anzug tätig werden. Dennoch warnt der Stiltrainer Schaumann: „Gerade in kreativen Branchen rate ich durchaus auch zu einem klassischeren Outfit. Sonst könnte sich ein Kunde fragen, ob sein Geld achtsam verwendet wird, wenn ein erwachsener Grafiker in kurzen Hosen mit einem Tretroller durch die Agentur rauscht.“

Sascha Clausen ist Grafiker und hat gerade an einem Seminar zur Business-Etikette teilgenommen. Der 26-Jährige hat sich vor Kurzem mit einem Geschäftspartner selbstständig gemacht und möchte im Umgang mit potenziellen Kunden und Auftraggebern richtig agieren. „Das meiste denkt man sich schon vorher. Etwa dass man nicht in kurzer Hose zu einem Geschäftstermin geht – selbst bei Temperaturen um die 30 Grad.“

Der junge Freiberufler wählt daher Hemd und lange Hose. Er entscheidet eher aus dem Bauch heraus, ob es sich dabei um die Jeans handeln kann oder doch eine Anzughose angemessen ist. Unsicher ist er immer wieder in Begrüßungssituationen und beim Geschäftslunch. „Wann zahle ich, wann der Kunde, wer sagt als erstes Prost und was mache ich, wenn ich mich verschlucke am Tisch?“ Das waren die Fragen, die den Grafiker beschäftigten.

Jan Schaumann rät in solchen Situationen: „Offen sein. Wenn ich den Kunden einlade, dann sollte ich ihm einen klaren Rahmen aufspannen – etwa eine Empfehlung für das Sommermenü geben. Dann weiß der Eingeladene, in welchem finanziellen Spielrahmen er wählen darf.“ Zudem sollte der Gastgeber nicht vergessen, das Essen zu eröffnen, sonst kommt es zu unangenehmen Situationen zu Tisch. Außerdem appelliert Schaumann an den gesunden Menschenverstand: „Die meisten Etikette-Regeln haben wir grundlegend verinnerlicht. Man sollte versuchen authentisch und ehrlich zu bleiben – dann kommt man auch beim Gegenüber richtig an.“ Also wer sich an der Gräte verschluckt, sollte diese nicht kompliziert mit der Gabel aus dem Mund angeln, sondern möglichst schnell mit der Hand und der Serviette entfernen.

Salka Schwarz leitet ebenfalls Kurse zum Thema. Sie tut sich schwer mit verallgemeinernden Äußerungen, was sich schickt im Bereich Business. Listen, die lapidar festlegen, was geht und was nicht, hält sie für riskant. Benimm bedeute mehr: „Wenn Menschen miteinander umgehen, müssen Regeln her“, sagt sie. Die geltenden Umgangsformen seien die Basis, die den täglichen Umgang miteinander sehr erleichtern. „ Es sind objektive Signale, die als Wertschätzung interpretiert werden, sie sind darüber hinaus allerdings auch Codes und insofern ein offenkundiges Unterscheidungskriterium– nach wie vor.“

Nicht umsonst schrieb der Namensgeber sämtlicher Benimm-Kurse – Adolph Freiherr von Knigge – seinen vermeintlichen Etikette-Ratgeber „Über den Umgang mit Menschen“. Knigge war also nicht der verkniffene Benimmpapst, sondern wählte einen viel philosophischeren und globaleren Ansatz. Was wir von ihm lernen können: uns situationsgerecht und gleichzeitig authentisch zu verhalten.

Das Thema Benimm und Etikette dreht sich für Salka Schwarz vor allen Dingen um einen Begriff: Angemessenheit. „Gutes Benehmen ist immer angemessenes Benehmen. Adäquates Verhalten verlangt heute allerdings recht komplexe Kenntnisse über Umgangsformen. Nur wer auf ein vielschichtiges Repertoire an Regeln und Codes zurückgreifen kann, wird im jeweiligen Kontext stets souverän auftreten.“ Nur so könne man sein Verhalten anpassen.

Zum Beispiel besage eine der Etikette-Regeln: Gäste haben Vortritt. Aber ist es klug, seinen Gästen im eigenen Bürogebäude den Vortritt zu lassen, wenn diese sich in den Räumen nicht auskennen? „In dieser Situation wäre es eben nicht angemessen, nicht höflich, nicht sinnvoll, die Vortrittsregel strikt anzuwenden“, sagt Schwarz. Eigentlich also ein Verstoß gegen die Etikette – in dieser speziellen Situation aber sinnvoll und somit höflich.

In Seminaren, doch vor allem in den Einzelberatungen, geht es den Klienten von Salka Schwarz außerdem auch um einen Perspektivwechsel: Eigene Überzeugungen und Werte im punkto Umgangsformen werden hinterfragt, das Selbst- und Fremdbild einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Wichtig dabei ist ein ehrliches und kompetentes Feedback. Im Seminar können die Teilnehmer Fragen stellen, Situationen üben und mögliche Erwartungshaltungen beim Gegenüber erfahren.

„Ich berate und begleite meine Klienten so, dass sie auf der einen Seite die objektive Bedeutung von Umgangsformen als Codes kennenlernen und dass sie sie auf der anderen Seite als verlässliche Signale, als aussagestarkes Unterscheidungskriterium und insofern auch als Kommunikationsstrategie verstehen.“ Das Ziel: So wahrgenommen zu werden, wie man wahrgenommen werden möchte. Dann kann man im nächsten BuMeeting ganz sicher auftreten – ohne Sorge vor möglichen Stolpersteinen.

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