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Goodbye Deutschland. Die Lieferdienste Foodora, Lieferheld und Pizza.de sollen schon 2019 verschwinden.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Milliardendeal der Lieferdienste: Das Ende des Pizzakriegs

Lieferando schluckt Lieferheld, Foodora und Pizza.de, die Marken sollen schon 2019 verschwinden. Delivery Hero gibt seinen Heimatmarkt auf.

Vor fünf Jahren hatte der Kampf der Berliner Essenslieferdienste seinen Höhepunkt erreicht. Mit Anzeigen und einstweiligen Verfügungen waren die Konkurrenten Lieferheld und Lieferando gegeneinander vorgegangen, Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten wegen des Vorwurfs der Computersabotage. Das eine Start-up soll den Konkurrenten mit massenhaften Anfragen lahmgelegt haben, die wehrten sich, man habe nur die Seite automatisch mit einem Computerprogramm durchforstet, um zu überprüfen ob die Aussagen über die Zahl der Restaurants stimmen.

Der Streit wurde dann beigelegt, doch die Rivalität blieb. Lieferando wurde Teil der niederländischen Gruppe Takeaway.com, Lieferheld wuchs zu Delivery Hero heran, dem nach eigenen Angaben weltgrößten Online-Marktplatz für Essenslieferungen. Die Berliner sind inzwischen in 41 Ländern aktiv und an der Börse 5,6 Milliarden Euro wert. Doch ausgerechnet auf dem Heimatmarkt tat sich Delivery Hero schwer.

Jitse Groen, Chef und Gründer von Takeaway, stichelte daher gern gegen seinen deutschen Konkurrenten. Er zeigte dann beispielsweise eine Europakarte mit großen orangenen Flächen, die sich sich von Belgien bis Polen und von der Ostseeküste bis zu den Alpen erstrecken. Überall dort biete Takeaway seinen Kunden deutlich mehr Restaurants zur Auswahl als die Konkurrenz - auch in großen Teilen Deutschlands. „Wir schätzen, dass wir in Deutschland inzwischen 20 Prozent mehr Bestellungen haben als die Nummer Zwei und Drei zusammen“, sagt Groen im Frühjahr im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“. Damit meint er Lieferheld und Pizza.de, die beiden deutschen Hauptmarken von Delivery Hero.

Niklas Östberg, Chef von Delivery Hero, widersprach solchen Aussagen zwar, doch nun hat er sich geschlagen gegeben. Er verkauft sein Deutschland-Geschäft an den Konkurrenten für knapp eine Milliarde Euro, wie das im M-Dax gelistete Unternehmen mitteilte. Die Berliner geben damit ihre deutschen Dienste Lieferheld, Pizza.de und Foodora ab. Dafür erhalten sie Bargeld und Aktien der Takeaway.com im Volumen von 930 Millionen Euro.

Lieferando bekommt in Berlin ein Platzproblem

Die Mitarbeiter sollen weitestgehend übernommen werden. „Wir wollen in Deutschland weiter stark wachsen und brauchen dafür super viele Mitarbeiter“, sagt Jörg Gerbig, Chief Operating Officer von Takeaway.com. Delivery Hero beschäftigt im Deutschland-Geschäft derzeit nach eigenen Angaben 480 Personen. Dazu kommen rund 2000 Fahrradkuriere, die für Foodora unterwegs sind. Wobei nur acht Prozent der Fahrer Vollzeit arbeiten. Fraglich ist allerdings, wo die künftig unterkommen sollen. Bislang beschäftigt Lieferando 200 Personen im Berliner Büro südlich des Potsdamer Platzes. „Wir müssen zeitnah klären, wie wir das Platzproblem lösen“, sagt Gerbig.

Die Marken Lieferheld, Foodora und Pizza.de sollen dagegen verschwinden. „Wir werden alle Marken auf Lieferando umstellen“, sagt Gerbig, der einst Lieferando mit gegründet hatte. „Wir waren immer ein Verfechter der Ein-Marken-Strategie“, sagt Gerbig. Der Schritt solle innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss der Transaktion erfolgen.

Das könne ab dem Jahr 2020 Marketingkosten in Höhe von 60 Millionen Euro einsparen. Denn der Kampf um Marktanteile war auch eine teure Werbeschlacht, allein 2017 steckte Lieferando hierzulande 71 Millionen Euro in TV-Spots und Anzeigen, bei Delivery Hero war es ebenfalls ein hoher zweistelliger Millionenbetrag.

Foodora und Lieferheld sollen 2019 verschwinden

Noch braucht der Vollzug der Transaktion jedoch etwas Zeit. Die Aktionäre von Takeaway müssen dem Plan auf der Hauptversammlung Anfang März noch zustimmen. Das Vorhaben soll dann im ersten Halbjahr 2019 über die Bühne gehen. Die Umstellung der Websiten soll danach innerhalb von einem Jahr erfolgen, Foodora & Co. könnten damit noch im nächsten Jahr verschwinden. „Das ist relativ ambitioniert“, räumt Gerbig ein. Schließlich hatte Delivery Hero nach dem Kauf von Pizza.de für einst 240 Millionen Euro Jahre gebraucht, um die Software mit dem eigenen Programm zusammen zu bringen.

Doch Takeaway habe damit inzwischen auch Erfahrung. So seien kürzlich nach der Übernahme von Wettbewerbern in Rumänien und Bulgarien die Systeme innerhalb eines Monats umgestellt worden. Delivery Hero will künftig in anderen Märkten wachsen. Dafür soll etwa die Hälfte der zufließenden Barmittel reinvestiert werden. 90 Prozent davon in Asien. „Ungeachtet des Verkaufs des Deutschland-Geschäfts werden wir unsere Umsatzziele für 2019 nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen“, sagt Östberg. Für das Jahr 2019 werde ein Umsatz zwischen 1,08 und 1,15 Milliarden Euro erwartet. Dabei werde mit einem Verlust zwischen 270 und 320 Millionen Euro geplant.

Kritik an Delivery Heros Aufgabe des Heimatmarkts

Die Anleger begrüßten den Verkaufsplan: Die Takeaway-Aktie stieg zeitweise um ein Drittel, Delivery Hero legte um mehr als zehn Prozent zu. Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sieht die Transaktion dagegen kritisch. „Ich finde es problematisch, wenn ein Unternehmen den Heimatmarkt komplett aufgibt“, sagt Kunert. Nur auf boomende Märkte in Asien oder anderswo zu setzen, könne auch schnell nach hinten losgehen, wenn sich die wirtschaftliche und weltpolitische Lage ändert. Er hätte es daher lieber gesehen, wenn die Berliner nur einen Verlustbringer wie Foodora verkauft hätten. Die pinke Radlerflotte ist besonders kostenintensiv, da sie für Restaurants arbeitet, die sonst keinen eigenen Lieferservice haben. Lieferheld und Lieferando sind dagegen nur Plattformen, die eine Vermittlungsgebühr kassieren.

"Es kann nur einen geben"

Genau deswegen dürfte es künftig auch noch weitere Zusammenschlüsse geben. Mit den britischen Anbietern JustEat und Deliveroo, sowie UberEats, dem Ableger des US-Fahrdienstes gibt es weitere große Wettbewerber. „In jedem großen Land der Welt kann es nur einen Anbieter geben“, hatte Groen im Frühjahr gesagt. Schon damals hatte er eine Fusion mit Delivery Hero ins Spiel gebracht.

Ein erster Schritt dazu ist getan, denn für den Verkauf seiner hiesigen Lieferdienste erhalten die Berliner rund 18 Prozent an Takeaway. Sie werden damit einer der größten Anteilseigner, nach dem Gründer Groen, der rund 35 Prozent hält. „Wenn das der Einstieg in eine komplette Übernahme ist, würde die Transaktion Sinn machen“, sagt auch Kunert. Allerdings haben sich beide Rivalen auf eine Stillhaltefrist von vier Jahren nach Abschluss der Transaktion geeinigt. Während der Delivery Hero seinen Anteil an Takeaway nicht weiter erhöhen darf. 

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