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DHL baut sein Geschäft mit Express-Lieferungen aus.

© picture alliance / Holger Hollem

Milliarden-Investment: Warum DHL auf Express-Lieferungen setzt

Schneller Versand ist bei den Kunden beliebt und für Logistiker lukrativ. Im Weihnachtsgeschäft könnten Hermes, DPD und Co. aber ganz andere Probleme bekommen.

In dem boomenden Geschäft der Online-Lieferungen gibt es ein Segment, mit dem Paketdienstleister aktuell besonders gut Geld verdienen können: die Express-Lieferung. Bei DHL etwa machte der Bereich zuletzt zwar nur ein Viertel des Konzernumsatzes aus, aber die Hälfte des Betriebsgewinns. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Deutsche-Post-Tochter hier nun investiert. Pro Jahr werde künftig mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben für Sortieranlagen, Flugzeuge und Fahrzeuge, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Auch Schulungen der Mitarbeiter würden damit finanziert.

[Wo kommen eigentlich die Berliner Weihnachtspakete her? Ingo Salmen schaut für den Marzahn-Newsletter ins DHL-Zentrum von Berlin-Marzahn. Hier sein Text. Hier alle Tagesspiegel-Newsletter, Bezirk für Bezirk - kostenlos und in voller Länge: leute.tagesspiegel.de]

Als eine Art Startschuss für die Milliarden-Investitionen eröffnete die Deutsche Post jetzt ein neues Express-Drehkreuz am Köln-Bonner Flughafen, in das 123 Millionen Euro investiert wurden. Dank neuer Technik können dort künftig pro Stunde bis zu 20.000 Sendungen weitergeleitet werden, bisher waren es nur bis zu 3500. Tatsächlich stieg die Zahl der Express-Sendungen bei DHL zuletzt konstant. Im dritten Quartal 2019 lieferte der Logistiker täglich rund 962.000 Expresssendungen international aus; ein Plus von fast sechs Prozent zum Vorjahreszeitraum. Auf dem Inlandsmarkt lag die Zahl bei 505.000, was einen noch stärkeren Anstieg nämlich um 8,8 Prozent bedeutete. Weltweit sind rund 100.000 Menschen in diesem Bereich des Bonner Konzerns beschäftigt und damit etwa jeder fünfte Konzernbeschäftigte.

Während derlei Angebote früher vorrangig von Firmen genutzt wurden, die auf diesem Wege Dokumente oder Ersatzteile mit garantierter Lieferzeit versendeten, werden Privatkunden angesichts des wachsenden Onlinehandels immer wichtiger. Gingen 2013 nur zwölf Prozent der DHL-Express-Sendungen an Privatkunden, so sollen es im kommenden Jahr 30 Prozent sein. Zwar ist die Bereitschaft, für Standard-Bestellungen Versand zu zahlen, nach wie vor gering. Doch in dem Maße, in dem auch teurere Artikel im Internet bestellt werden, wächst auch die Neigung, Aufpreise zu zahlen – und damit die hohen Margen der Versender.

Lieferung bis 9 Uhr am Folgetag

Wie viel eine DHL-Expresslieferung den Verbraucher beim Onlinekauf kostet, variiert, da nicht jeder Händler die Kosten gleich auf den Endpreis umlegt. Will man aber privat ein DHL-Paket innerhalb Deutschlands verschicken, das bis neun Uhr am Folgetag zugestellt wird, kostet das einen Aufpreis von 24,90 Euro. Reicht auch 10 Uhr, liegt der Preis bei 12,90 Euro. DHL ist mit Express-Angeboten allerdings nicht allein. So bietet Wettbewerber DPD einen Express-Service zu 8:30 Uhr am Folgetag. Auf Tagesspiegel-Nachfrage teilt das Unternehmen mit, „als margenstarkes Segment spielt der der Express-Versand eine immer wichtigere Rolle und verzeichnet jährliche Wachstumsraten im hohen einstelligen Prozentbereich“.

Wie wichtig schnelle Lieferungen aus Sicht der Händler sind, zeigt auch eine Umfrage des Handelsforschungsinstituts EHI. Demnach ist für 80 Prozent der Händler die Geschwindigkeit der Lieferung das wichtigste Kriterium bei der Wahl des Versanddienstleisters. Zudem zeigte die Befragung, dass die Händler mit dem derzeit angebotenen Tempo noch lange nicht zufrieden sind. Bieten aktuell lediglich zehn Prozent der Händler eine Lieferung am Tag der Bestellung an, so planen insgesamt 38 Prozent der Studienteilnehmer Same-Day-Delivery. Zurzeit liefern 41 Prozent innerhalb von 24 Stunden, zusätzlich planen dies 40 Prozent. Für die Kunden dürfte es in Zukunft also schneller gehen als bisher.

Allerdings ist nicht jeder in der Branche der Meinung, dass nur die Geschwindigkeit zählt. Das Logistik-Unternehmen Hermes etwa gibt sich zurückhaltender. „Kunden haben beim Paketempfang vor allem ein hohes Bedürfnis nach größtmöglicher Flexibilität, Transparenz und Zuverlässigkeit“, sagt ein Sprecher dem Tagesspiegel. „Dem Großteil der Kunden ist es gegenüber der reinen Zustellgeschwindigkeit wichtiger zu wissen, wann ihr Paket zugestellt und dass der angekündigte Termin eingehalten wird.“

Amazon sucht Saisonarbeitskräfte für 11,52 Euro brutto

Die Otto-Tochter Hermes setzt daher verstärkt auf flexible Zustellungsmöglichkeiten, wie etwa Abholstationen oder Smart-Lock-Technologie, mit der Hermes-Boten Zugang zum Hausflur erhalten. Vor allem aber soll die Kommunikation mit den Kunden verbessert werden, um die Zustellung per App auch kurzfristig ändern zu können. Same-Day-Delivery bietet Hermes seinen Geschäftskunden über das zum Konzern gehörige Start-up Liefery aber ebenfalls an.

Gerade im Weihnachtsgeschäft könnte die Express-Lieferung für manchen Last-Minute-Einkäufer noch wichtig werden. Die Logistiker rüsten deshalb auf. DPD etwa rechnet mit einem um bis zu 50 Prozent höheren täglichen Paketvolumen als an einem Durchschnittstag. In den Wochen vor Weihnachten werde man daher bis zu 4000 zusätzliche Arbeitskräfte in Zustellung und Paketumschlag einsetzen. Auch Hermes will entweder mit befristeten Arbeitsverträgen oder über tarifgebundene Zeitarbeitsfirmen bis zu 6500 Personen für das Weihnachtsgeschäft einstellen. Außerdem werden 3900 zusätzliche Hermes-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein sowie 450 neue Sattelzug- und Wechselbrücken-Lkw für den Langstreckenverkehr.

Beim Logistiker GLS plant man 3000 zusätzliche Saison-Arbeitskräfte ein. Auch hier sind bis zu 700 Autos mehr im Einsatz als normalerweise. Der US-Konzern Amazon sucht derzeit in seinen Logistikzentren ebenfalls nach Versandmitarbeitern. Ihnen winkt ein bis zum 31. Dezember befristeter Arbeitsvertrag und 11,52 Euro brutto pro Stunde.

Auf dem „nahezu leergefegten Arbeitsmarkt“, wie es bei Hermes heißt, ist dieser Arbeitskräftebedarf ein Problem. So nimmt GLS keine neue Kunden mehr auf, um die Lieferungen der bisherigen Geschäftspartner nicht zu riskieren. Und wer keinen Express-Aufpreis zahlen will, sollte die Geschenke rechtzeitig versenden; GLS empfiehlt, Pakete innerhalb Deutschlands bis spätestens 12 Uhr am 20. Dezember verschickt zu haben.

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