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Stefan Wolf, seit 2006 Vorstandvorsitzender von ElringKlinger, führt als ehrenamtlicher Chef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall die Tarifverhandlungen mit der IG Metall.

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Metallindustrie in der Krise: „Wir müssen die Arbeitskosten reduzieren“

Stefan Wolf, Chef des Autozulieferers Elring Klinger, über die Branchenkrise, hohe Arbeitskosten, Tesla und die Zukunft des Autos mit Brennstoffzelle.

Herr Wolf, wie geht es der Firma?

Uns geht es ganz gut. Wir hatten einen schwierigen April und einen schwierigen Mai, im Juni und Juli hat es wieder angezogen und wir waren auch beim Ertrag gut dabei, weil die Sparmaßnahmen wirken. Da wir eine hohe Liquidität und eine hohe Eigenkapitalquote haben, geht es uns im Vergleich zu vielen anderen in der Branche sehr ordentlich.

Der Auftragseingang hat sich halbiert.
Wir haben stark an der Kostenschraube gedreht und die Investitionen deutlich reduziert, sodass wir jetzt auf einem guten Weg sind.

Ohne Investitionen in die Zukunft?
Wir investieren stark in die neuen Geschäftsfelder, also Brennstoffzelle und Batterietechnologie, und nicht mehr viel in die klassischen Geschäftsfelder, obwohl es noch lange Verbrennungsmotoren geben wird. Investitionen gehen häufig in Kapazitätserweiterungen, und die brauchen wir in den alten Geschäftsfeldern nicht mehr. Wir gehen davon aus, dass in diesem Jahr nur rund 65 Millionen Fahrzeuge weltweit gebaut werden nach knapp 90 Millionen 2019.

Mit alternativen Antrieben hat Elring Klinger im zweiten Quartal gerade mal sechs Millionen Umsatz erwirtschaftet – bei einem Gesamtvolumen von 250 Millionen.
Es gibt aber immer mehr Projekte und Entwicklungsaufträge, sodass wir in dem Bereich Batterien/Brennstoffzelle in den nächsten fünf Jahren deutlich mehr Umsatz erwarten.

Sind Sie zufrieden mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung?
Im Prinzip schon. Im Pkw-Bereich ist der Einsatz von Wasserstoff in der Brennstoffzelle nicht so energieeffizient wie ein batterieelektrisches Fahrzeug, aber in der Gesamtschau ist es das deutlich umweltfreundlichere und leistungsfähigere System – auch wegen der größeren Reichweite und der möglichen Infrastruktur.

Elring Klinger bewirbt sich beim Bundeswirtschaftsministerium um Fördermittel in Rahmen der IPCEI-Programme zum Aufbau von Batterieproduktionen. Was haben Sie vor mit dem Geld?
Es geht um Batterietechnologie. Wir haben ein Batteriegehäuse entwickelt, mit dem wir den Asiaten Paroli bieten können. Und beim Thema Wasserstoff arbeiten wird am Stack, also dem Stapel aus Brennstoffzellen, in dem Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt wird. Wir haben die leistungsfähigsten Stacks und wollen den Vorsprung vor den Wettbewerbern mindestens halten und die Technologie verbessern.

Zylinderköpfe gehören zum Kerngeschäft von ElringKlinger. Der Zulieferer aus der Nähe von Reutlingen beschäftigt weltweit 9000 Mitarbeiter.
Zylinderköpfe gehören zum Kerngeschäft von ElringKlinger. Der Zulieferer aus der Nähe von Reutlingen beschäftigt weltweit 9000 Mitarbeiter.

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Im Pkw-Markt dürfte die Brennstoffzelle erst in den 30er Jahren eine Rolle spielen.
Das glaube ich nicht. Wir werden natürlich mit den schweren Nutzfahrzeugen einsteigen, weil man nie einen großen Lkw batterieelektrisch fahren kann. Die Brennstoffzelle ist hier viel besser geeignet. Wenn wir alle Müllfahrzeuge in Deutschland mit Brennstoffzellen ausrüsten würden, hätten wir schon viel erreicht. Für die Luftqualität in den Städten und für den Klimaschutz, sofern grüner Wasserstoff eingesetzt wird.

Welche Zeiträume haben Sie im Blick?

Mitte des Jahrzehnts werden viele Lastwagen mit Brennstoffzellen ausgerüstet sein, weil die auch zur Erreichung der CO2-Ziele unverzichtbar ist. Und nach 2025 dürfte es große Pkw mit Brennstoffzellen geben, also etwa Vans oder SUV. Einen VW Polo oder Opel Corsa werden wir nie mit einer Brennstoffzelle antreiben, das ergibt keinen Sinn. In den nächsten 15 Jahren erwarte ich einen Dreiklang: Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, mit Brennstoffzelle und rein batterieelektrische Autos.

Was fahren Sie?
Als Dienstwagen eine S-Klasse von Mercedes. Und seit zwei Jahren einen Tesla X, weil Tesla ein Kunde von Elring Klinger ist.

Kommt Elring Klinger bei der neuen Tesla-Fabrik in Brandenburg ins Geschäft?
Wir führen derzeit Gespräche. In der Tesla-Fabrik in Fremont sind wir mit Karosserieleichtbauteilen und Türmodulen eingestiegen und haben dazu in Fremont ein Werk gebaut. Auch in Schanghai sind wir dabei, sodass es logisch wäre, dass wir den Auftrag für Grünheide bekommen, da die Teile baugleich sind.

Es geht voran in Grünheide. Die ersten Hallen sind in Bau, und ein passendes Straßenschild steht auch schon.
Es geht voran in Grünheide. Die ersten Hallen sind in Bau, und ein passendes Straßenschild steht auch schon.

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Wann wird das entschieden?
In den nächsten drei Monaten rechnen wir damit. Das bedeutet aber nicht, dass die Teile auch sofort vor Ort produziert werden. In der Tesla-Fabrik in Schanghai werden zum Beispiele Module verbaut, die von Fremont nach China transportiert werden. Das ist durchaus typisch für die Anlaufphase einer neuen Fabrik. Perspektivisch ist die Tesla-Strategie, alles zu lokalisieren und die Teile eben nicht um die Welt zu transportieren.

Einer Verbandsumfrage zufolge wollen 60 Prozent der deutschen Autozulieferer in den kommenden Monaten Personal abbauen. Wie dramatisch wird der Herbst?
Wir werden viel an Personalabbau sehen, vor allem in Unternehmen, die von einem oder zwei Kunden abhängen und hochspezialisiert sind. Bei uns im Unternehmen lassen wir beispielsweise vermehrt befristete Arbeitsverträge auslaufen. Wir haben auch weitere Arbeitsplätze sozialverträglich über Ruhestand und natürliche Fluktuation abgebaut.

Gibt es noch Kurzarbeit bei Elring Klinger?
Ja, das dauert auch noch bis Ende des Jahres. Aber je nach Auslastung der jeweiligen Bereiche unterschiedlich hoch und auch nicht überall. Das Ersatzteilgeschäft läuft gut. Wenn weniger neue Autos zugelassen werden, braucht der Markt mehr Ersatzteile für Reparaturen.

Die Bundesregierung verlängert die Kurzarbeit bis Ende 2021. Wirkt das nicht als Instrument gegen Personalabbau?
Es gibt Unternehmen, denen hilft das sehr, wenn dann irgendwann der Markt wieder anzieht. Aber es gibt auch Firmen, die strukturelle Probleme haben und diese auch schon vor Corona hatten. Hier hilft die Kurzarbeit nicht. Oder noch schlimmer: Die Kurzarbeit würde in diesem Fall dazu beitragen, die Lösung des strukturellen Problems aufzuschieben.

Was halten Sie vom „Tarifvertrag Transformation“ bei ZF, der für 50 000 Beschäftigte gilt: Nach der Kurzarbeit wird die Arbeitszeit mit einem Teillohnausgleich um 20 Prozent reduziert. Die Kapazitäten reduzieren sich schnell und sozialverträglich und bis 2022 gibt es keine Kündigungen.
Das passt sicherlich auf das Unternehmen und auch bei anderen ist so etwas möglich, aber nicht bei allen. ZF wendet im Prinzip die tarifliche Kurzarbeit, die es in Baden-Württemberg gibt, an. Deshalb hat mich der Vorschlag von Jörg Hofmann zur Einführung einer Vier-Tage-Woche überrascht, weil der IG Metall- Vorsitzende aus Baden-Württemberg kommt und unsere Tarife kennt. Es ist halt teuer und wird deshalb von vielen Firmen nicht genutzt. Dieses Modell erhöht die Arbeitskosten pro Stunde, und das können wir jetzt überhaupt nicht brauchen.

Sie wollen in der Anfang 2021 anstehenden Tarifrunde „einen Kostenbeitrag der Beschäftigten“. Das wäre neu in der deutschen Tarifgeschichte: Den Arbeitnehmern wird Geld abgenommen.
Es geht darum, in der Rezession und in der Transformation Arbeitsplätze zu sichern. Das Durchschnittseinkommen in der Metall- und Elektroindustrie ist sehr hoch und lässt eine Kostenentlastung zu. Dazu muss man gar nicht in die Entgelttabellen eingreifen. Wenn man die Durchschnittseinkommen in der baden-württembergischen Metallindustrie vergleicht mit den Einkommen einer Altenpflegerin oder einer Erzieherin, dann sehen Sie eine exorbitante Lücke. Ich bin sicher, dass viele Metaller zu Zugeständnissen bereit sind. Beschäftigungssicherung kann es nicht zum Nulltarif geben.

Es gibt weltweit vermutlich keine Industriearbeiter mit einer ähnlich hohen Produktivität wie die in Baden-Württemberg. Und die Tarifverträge, die zu den hohen Arbeitskosten geführt haben, hat auch ein gewisser Stefan Wolf unterschrieben.
Wir haben große Steigerungen gehabt, keine Frage, weil es viele Jahre gut gelaufen ist in unserer Industrie. Diese Situation hat sich aber grundlegend geändert.

Was wollen Sie den Arbeitnehmern konkret wegnehmen?
Man muss nicht unbedingt etwas wegnehmen. Ziel ist es, die Arbeitskosten je Stunde zu reduzieren. Das kann Sonderzahlungen betreffen, aber auch Pausen oder Arbeitszeiten. Vielleicht kommt ja die IG Metall auch mit Vorschlägen, wie wir Arbeit günstiger machen können.

Bei Daimler und Bosch hat die IG Metall Vereinbarungen wie bei ZF abgeschlossen.
Die große Masse in unserer Industrie sind kleine oder mittelgroße Betriebe, und die tun sich unheimlich schwer, mit der IG Metall solche Vereinbarungen zu treffen, die ihnen Luft geben. Das verbittert viele Firmen in dieser Krise, die deutlich gravierender ist als 2009.

Es sieht gar nicht mehr so schlecht aus.
China läuft sehr gut. Unsere beiden Tochtergesellschaften liegen sogar über Plan. Nordamerika läuft auch noch gut, weil die großen Händlerparkplätze nach dem Lockdown im April/Mai wieder aufgefüllt werden. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass die deutsche Autoindustrie bereits 2019 in der Rezession war mit einem Minus von fünf Prozent. Dann kam Corona. Es wird noch lange dauern, bis wir das Niveau von 2018 erreichen.

Reicht das Konjunkturpaket?
Im Moment ist das mal ausreichend. Anfang 2021 kann es anders aussehen, wenn wir im Herbst oder Winter wieder einen Lockdown kriegen.

Im Frühjahr 2021 wird in Baden-Württemberg gewählt, sind Sie zufrieden mit dem grünen Landesvater?
Gerade jetzt in der Coronakrise hat er viele Dinge gut gemacht. Auch der Einsatz von ihm für die Autoindustrie, gemeinsam mit Markus Söder und Stephan Weil, war bemerkenswert.

Aber erfolglos: Es gibt keine Kaufprämie für schadstoffarme Autos.
Das ist bedauerlich, aber da sollten wir nicht nachkarten. Das Thema ist erst mal durch. Es kommt vor, dass man sich mit einer Position nicht durchsetzen kann.

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