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Digital und elektrisch in die Zukunft. Am Standort Marienfelde sind noch gut 2400 Beschäftigte tätig.

© REUTERS/Michele Tantussi

Mercedes in Marienfelde: Daimler und Siemens digitalisieren Berliner Werk

Das älteste Mercedes-Werk soll das modernste werden. „Aus Berlin für die ganze Welt“ soll der Standort Tools und Technologie liefern. Wie viele Jobs verloren gehen, ist offen.

Daimler baut sein Berliner Werk zusammen mit Siemens und Unterstützung des Landes zu einem „Kompetenzzentrum für Digitalisierung“ aus. Neben der Produktion von Komponenten für Elektroautos soll in Marienfelde künftig eine digitale Anlauffabrik entstehen. Die hier erprobten Neuentwicklungen sollen, so der Plan, in den weltweit 30 Werken des Autoherstellers ausgerollt werden. „Wir treiben gemeinsam mit Siemens die Entwicklung von nachhaltigen Zukunftstechnologien voran - aus Berlin für die ganze Welt“, sagte am Montag Jörg Burzer, im Vorstand von Mercedes-Benz für Produktion und Lieferkette verantwortlich. 

Der Autobauer und der Technologiekonzern unterschrieben im Roten Rathaus eine entsprechende Absichtserklärung. Die Patenschaft für die Kooperation übernimmt der Regierende Bürgermeister Michael Müller. „Mit unserer Wirtschafts- und Technologieförderung für Unternehmen werden wir die Kooperation bestmöglich unterstützen“, teilte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop mit. Zur Höhe der Förderung wurden keine Angaben gemacht.

Daimler und Siemens investieren zusammen einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“ in Marienfelde, wo derzeit noch rund 2400 Beschäftigte arbeiten. Auf Daimler entfallen 60 Millionen Euro. Wie viele Arbeitsplätze erhalten bleiben, ist offen. Bis Ende 2029 gilt eine für die deutschen Werke vereinbarte Beschäftigungsgarantie. Szenarien der IG Metall, nach denen drei Viertel der Beschäftigung in Berlin abgebaut werden könnten, nannte Burzer „unwahrscheinlich“. Die nach dieser Prognose verbleibende Stellenzahl sei „einfach zu niedrig“. Es würden jetzt die Grundlagen für eine nachhaltige Sicherung des Standorts gelegt. „Und das ist sicherlich nicht die Verbrennertechnologie“, sagte Burzer.

Nicht nur die künftige Beschäftigtenzahl ist offen

Der Berliner IG Metall-Chef Jan Otto begrüßte die Kooperation. „Marienfelde ist auf einem guten Weg“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Autobauer habe sich zur Produktion in Berlin bekannt und liege inhaltlich auf dem Weg zur Digitalisierung und Elektromobilität richtig. Gegenüber den Beschäftigten gerate er allerdings inzwischen in Erklärungsnot: „Die Leute wollen konkret wissen, was in Zukunft aus ihren Jobs wird“, sagte Otto. 

Auch die Frage, ob der 500.000 Quadratmeter große Werksstandort komplett erhalten bleibt, kann Daimler noch nicht beantworten. Spekuliert worden war über einen Verkauf des Süd-Geländes. Viel hänge davon ab, wann die Fertigung von Verbrennungsmotoren und der Motorsteuerung „Camtronic“ in den kommenden Jahren auslaufe und wie stark der Absatz von E-Fahrzeugen steige, sagte Burzer. In Berlin sollen zunächst Teile für die neuen EQA- und EQB-Modelle montiert werden.

Anfang des Monats hatte Daimler bereits mitgeteilt, dass aus der fast 120 Jahre alten Motorenfabrik, der ältesten im globalen Netzwerk, ein „Digital Factory Campus“ werden soll. Siemens bringt hierfür Know-how und Technologien ein, etwa für die Automatisierung, für industrielle Software oder intelligente Infrastruktur. Beide Unternehmen kooperieren schon lange in den Bereichen Engineering und Produktion. „Gemeinsam wollen wir den nächsten großen Schritt hin zu einer nachhaltigen und noch wettbewerbsfähigeren Automobilproduktion unternehmen“, sagte Siemens-Vorstandsmitglied Cedrik Neike am Montag.

Austausch und Lernen in der smarten Fabrik

Konkret sollen in Marienfelde Testzellen aufgebaut werden, in denen an einzelnen Fahrzeugen neue Fertigungstechnologien und Arbeitsweisen erprobt werden. Hard- und Software von Siemens soll Daten aus der virtuellen und der physischen Welt dabei zusammenbringen. Mercedes-Benz wird zum Beispiel die „Low Code-Plattform“ von Siemens einführen, mit der Mitarbeitende einfach Apps für ihre Arbeitsbereiche selbst entwickeln können. Neike zufolge hat Siemens bereits 10.000 eigene Mitarbeiter entsprechend geschult.  

Virtualisierung, Künstliche Intelligenz und Edge Computing sollen die bestehende Automatisierung in Berlin erweitern. Dazu können auch Erfahrungen aus der „Factory 56“, der smarten Fabrik der Zukunft, im Mercedes-Benz-Werk Sindelfingen und Siemensstadt Square ausgetauscht werden. „Beschäftigte aus Sindelfingen sollen in Marienfelde lernen - und umgekehrt“, sagte Burzer. Daimler verspricht sich vom Austausch auch Input für sein Produktions-System „MO360“, eine Datenplattform, auf der in Echtzeit der Live-Zustand einzelner Fahrzeuge in der Produktion analysiert werden kann. Die gemeinsam mit Mercedes entwickelten Tools und Technologien sollten in Zukunft auch anderen Industrieunternehmen zur Verfügung gestellt werden. 

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