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Eine Angehörige der uigurischen Minderheit in China versucht einen Polizisten zu packen, während einer Demonstration in Ürümqi in der Unruheregion Xinjiang in Nordwestchina.

© Oliver Weiken/dpa

Menschenrechte in China: Welche Rolle deutsche Konzerne beim Uiguren-Konflikt spielen

Von BASF bis VW: Viele deutsche Unternehmen produzieren in Xinjiang. Von der Unterdrückung der Uiguren wollen sie nichts gewusst haben.

Deutsche Unternehmen befinden sich in Erklärungsnot. Nachdem bekannt wurde, wie die chinesische Regierung Uiguren in Xinjiang überwacht und auch vor Zwangsarbeit nicht zurückschreckt, müssen sich BASF, Siemens, Volkswagen oder auch die staatliche Entwicklungsbank KfW, die alle in der Region aktiv sind, fragen lassen, ob sie sich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt haben.

Laut Berichten der „China Cables“ und der britischen Zeitung „The Guardian“, unterhält Siemens eine Technologiepartnerschaft mit dem chinesischen Militärunternehmen-China Electronics Technology Group Corporation (CETC) vor Ort. In diesem Zusammenhang hatte Human Rights Watch berichtet, dass CETC eine der Technologien bereitstellt, die zur Massenüberwachung in der Provinz Xinjiang eingesetzt wird.

Siemens selbst sieht „keine etwaigen menschenrechtlich nachteiligen Auswirkungen im Sinne der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte“. Die „strategische Kooperation“ stehe in Einklang mit den Siemens-Verhaltensregeln. Zudem sei Siemens-Technologie lediglich in Fertigungsanlagen von CETC verbaut und nicht in deren Endprodukten. Dass die Überwachung durch Technologien wie von CETC so weit gehen, dass dadurch wöchentlich Zehntausende zur muslimischen Minderheit gehörende Uiguren in der Region als Verdächtige verhört und ohne rechtliche Grundlage festgenommen werden und dann in sogenannten Umerziehungslagern landen, scheint Siemens nicht zu interessieren. Dabei hat der China-Experte Adrian Zenz nach der Enthüllung der „China Cables“ gewarnt: „Die Dokumente bestätigten eine Form des kulturellen Genozids.“

VW baut in Xinjian den VW-Santana

Dass Geschäfte Geschäfte sind, sehen auch andere deutsche Firmen in China so. Denn Siemens ist nicht allein vor Ort. Schon seit sechs Jahren baut Volkswagen in der westchinesischen Region Xinjiang den einstigen Kassenschlager VW-Santana, ein Modell, das nur in China und Lateinamerika vertrieben wird. Die dortige Fertigung soll eine Forderung von Seiten der Chinesen gewesen sein, um die Zusicherung für zahlreiche andere Produktionsstandorte an Chinas Ostküste zu bekommen.

 Volkswagen betreibt ein Werk in Xinjiang.
Volkswagen betreibt ein Werk in Xinjiang.

© REUTERS

Herbert Diess, Volkswagen-Chef hatte sich dennoch in diesem Frühjahr auf eine Frage nach den dortigen Lagern für Uiguren ahnungslos gegeben. Sprecher des Konzerns machten es mit ihren Erklärungen gegenüber der Presse nicht besser. Die Entscheidung, in der Uiguren-Region ein Werk zu eröffnen, habe man „auf Grundlage rein wirtschaftlicher Überlegungen“ getroffen. „Wir möchten, dass mit Arbeitsplätzen für alle Volksgruppen das soziale Umfeld für die Menschen in Urumqi verbessert wird.“ Ab kommenden Jahr will VW auch ein SUV-Modell im Werk von Xinjiang vom Band rollen lassen.

Menschenrechtler kritisieren nun immer lauter, dass die Konzerne an den Menschenrechtsverstößen der chinesischen Regierung Mitschuld tragen. Dass die Zusammenarbeit mit den Chinesen auch Mitverantwortung bedeutet, scheinen die Unternehmen anders zu sehen. Der nach Umsatz weltweit größte Chemiekonzern BASF hat gleich zwei sogenannte Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen in Xinjiang. Seit 2016 betreibt der deutsche Chemiekonzern zusammen mit der Xinjiang Markor Chemical Industry Co., Ltd. eine neue PolyTHF-Anlage in der Stadt Korla in der Uiguren-Region Xinjiang. Stolz verkündete BASF bei der Einweihung, dass die Anlage über eine Jahreskapazität von 50000 Tonnen PolyTHF verfügt, mit der man „die steigende Nachfrage der lokalen Kunden“ in China bedienen könne.

Der "sozialen Probleme" sei man sich bewusst

Im Bezug auf die Unterdrückung der Uiguren sagte ein BASF-Sprecher unlängst, der Konzern sei sich „der sozialen Probleme im Raum Xinjiang bewusst“. BASF „toleriert weltweit keine Form von Kinder- und Zwangsarbeit, Sklaverei oder Menschenhandel“. Das gelte auch für Xinjiang.

Doch der China–Experte Adrian Zenz kennt auch die andere Seite: „Fabrikgebäude befinden sich teilweise im gleichen Areal wie die Umerziehungslager“, sagte er zu Wochenbeginn. Die Regierung baue die Internierungslager „vorausschauend auf industriellen Parks und Arealen“, damit die Zwangsarbeiter keine weiten Wege haben, so Zenz, der als einer der ersten im Westen auf die Umerziehungslager der chinesischen Regierung in Xinjiang öffentlich aufmerksam gemacht hatte.

Auch die Förderung der Infrastruktur in der Region muss mit Vorsicht gesehen werden. Die staatliche deutsche Entwicklungsbank KfW gewährte 2016 Xinjiang ein Darlehen in Höhe von 100 Millionen Euro, um die U-Bahn in Urumqi, der Hauptstadt der Provinz, auszubauen. Um mit der U-Bahn zu fahren, muss man sich aber mit seinem Namen registrieren. Es besteht keine Garantie, dass die Daten nicht auch für die Überwachung der Uiguren-Minderheiten in der Region benutzt werden.

Das aber ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Liste der dort tätigen Unternehmen ist lang. Der Autor Benjamin Haas hat für den Berliner China Think-Tank Merics eine Liste von Unternehmen aus 68 Ländern aus Europa zusammengestellt, die in der Region Xinjiang aktiv sind. Darunter Bosch, BMW, Daimler, Deutsche Bahn, SAP, Thyssen Krupp, Metro, Lufthansa, Boehringer Ingelheim, Bayer, oder Fresenius. Nur Adidas hat die Zusammenarbeit mit einem chinesischen Zulieferer in der Region inzwischen gestoppt.

Auf Anfrage des Tagesspiegels was die deutschen Unternehmen zur Wahrung der Menschenrechte in Xinjiang tun, erklärt die Außenhandelskammer in China: „Mit Sorge verfolgt die in China ansässige deutsche Wirtschaft die Entwicklungen in Xinjiang. Die deutschen Unternehmen in China nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst. Mit der Initiative ,More-than-a-Market’ bietet die Deutsche Handelskammer in China seit einigen Jahren beispielsweise eine Plattform für unternehmerische Verantwortung. Zudem diskutieren wir im Rahmen einer Veranstaltung zur ,Sozialen Verantwortung in Lieferketten’ auch das Thema Menschenrechte.“

Ning Wang

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