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In der diesjährigen Weihnachtswerbung lässt der Flughafen Heathrow zwei Stoffbären verreisen (von oben links im Uhrzeigersinn). Tedi fragt, warum der Schneemann nie eine Aubergine als Nase hat, die Telekom flirtet mit Justin Bieber und Otto feiert Weihnachten in einem Bus in Bolivien.

© promo/iStock; Montage: Sabine Wilms

Marketing: Wie Konzerne uns mit Weihnachtswerbung beeinflussen

Statt Produkte zu präsentieren, erzählen Konzerne in ihren Werbespots im Advent Geschichten. Der Verkauf von Emotionen gelingt aber nicht immer.

Von Carla Neuhaus

Fast zwei Minuten wartet der Zuschauer aufs Happy End. Solange stapft die Protagonistin durch den Schnee, bricht im zugefrorenen See ein, irrt durch den dunklen Wald und flieht vor einem Wolf. All das nur, um zu ihrer Tochter zu gelangen, die sie vor Jahren hochschwanger aus dem Haus gejagt hat. Am Ende gibt es eine Umarmung. Denn: „Es ist Weihnachten. Zeit sich zu versöhnen.“ Eine Weihnachtsgeschichte, erzählt in einem Werbeclip. Eine von vielen, die in diesen Tagen im Netz und im Fernsehen zu sehen sind.

„Wir haben Weihnachten zum deutschen Superbowl gemacht"

Die Wochen vor Weihnachten, das ist für die Händler die Zeit im Jahr, in der sie besonders hohe Umsätze machen. Und in der es entsprechend wichtig ist, die Verbraucher zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Gerade wegen der guten Konjunktur ist dieses Buhlen um den Kunden in diesem Jahr wichtig. Die Menschen haben mehr Geld in der Tasche und die Händler wollen diejenigen sein, bei denen sie es ausgeben. Deshalb wird die Werbung aufwändiger. So aufwändig, dass Werber Jean-Remy von Matt bereits sagt: „Wir haben Weihnachten zum deutschen Superbowl gemacht.“ Für die hiesigen Unternehmen haben die Werbeclips, die in der Adventszeit im Netz und im Fernsehen laufen, also mittlerweile einen ähnlich hohen  Stellenwert wie für US-Konzerne die Werbung, die sie in den Pausen des Football Endspiels ausstrahlen.

Dabei kommt es aber nicht nur auf den Werbeplatz an – sondern auch auf den Inhalt. Nur wer den Zuschauer überrascht, wer ihn rührt oder beeindruckt, bleibt im Gedächtnis. Eben deshalb steht in den aufwändigen Weihnachtsclips inzwischen häufig nicht mehr das Produkt im Zentrum. In manchen Spots taucht es noch nicht einmal mehr auf – wie zum Beispiel in dem Werbefilm, in dem die Mutter sich endlich mit der Tochter aussöhnt. Erst ganz am Ende ist für zwei Sekunden zu sehen, wer diese Botschaft ausgesandt hat: die Supermarktkette Penny.

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Statt des Angebots der Woche werden dem Zuschauer also Emotionen verkauft. Storytelling nennt sich die Methode. Anders als Spots, die einen Kaufimpuls auslösen sollen, wirken diese Clips subtiler, sie sprechen das Unterbewusstsein an. „Die Konzerne versuchen, bei den Zuschauern so ein positives Gefühl für die Marke auszulösen“, sagt Marktforscher Joachim Netz, der bei der Agentur Mediaanalyzer untersucht, wie Werbung auf Verbraucher wirkt.

Spot von Edeka wurde 60 Millionen mal angeklickt

Ganz neu ist die Idee, in der Werbung Geschichten zu erzählen und so die Meinung der Verbraucher zu beeinflussen, nicht. Aber seit Edeka vor zwei Jahren mit dem Weihnachtsclip „Heimkommen“ eine enorme Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, hat das Storytelling für deutsche Werber einen ganz anderen Stellenwert. „Heimkommen“ – das ist der Spot, in dem ein älterer Herr seine eigene Beerdigung inszenieren muss, um seine Kinder an Weihnachten nach Hause zu locken. Auf der Videoplattform Youtube ist der Clip bis heute fast 60 Millionen mal angeklickt worden.

An diesen Erfolg wollen andere Konzerne anknüpfen. So ist es wohl kein Zufall, dass auch in diesem Jahr gleich zwei Kampagnen ältere, einsame Menschen in den Mittelpunkt stellen. Im Spot der Billigkette Tedi sehnt sich zum Beispiel eine ältere Dame im Seniorenheim zu ihrem früheren Haus zurück. Eine Pflegerin erfüllt ihr den Wunsch und führt sie zu dem Haus, das üppig mit Weihnachtsbeleuchtung dekoriert ist. Die alte Dame ist zu Tränen gerührt. Die Botschaft: „Wunder passieren nicht. Du machst sie.“

Wunderschön oder makaber?

Passen würde dieser Werbespruch auch zum Weihnachtsspot des Elektronikhändlers Saturn, der ebenfalls im Seniorenheim spielt. Dank einer Virtual-Reality-Brille weckt eine Frau bei ihrem an Demenz erkrankten Vater Erinnerungen an seine große Liebe. „Du kannst mehr“, so lautet der Slogan. Hinter dem Werbefilm steht die Agentur Jung von Matt, die auch schon für den erfolgreichen Edeka-Spot verantwortlich war. Doch während der insgesamt positiv aufgenommen worden ist, löst der Saturn-Film sehr unterschiedliche Reaktionen aus. „Das ist der schönste Werbespot, den ich seit langem gesehen hab“, schreibt ein Nutzer bei Facebook. Ein anderer meint: „Wer sich diese Idee ausgedacht hat, hat noch nie Erfahrung mit demenzkranken Menschen gemacht.“ Ein Dritter findet die Werbung „einfach nur makaber“.

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Zumindest die Aufmerksamkeit ist dem Elektronikkonzern so sicher. Doch ob das in diesem Fall von Vorteil ist? „Demenz ist ein sehr sensibles Thema“, sagt Netz. „Nutzt man das für die Werbung, muss man damit sehr vorsichtig umgehen.“ Saturn hat sich jedenfalls bereits entschuldigt und erklärt, man habe mit dem Spot „die Gefühle von Angehörigen von kranken Menschen nicht verletzen“ wollen. Das zeigt, wie schnell beim Kunden eine andere Botschaft ankommen kann, als beabsichtigt war.

Auf der sicheren Seite sind dagegen Konzerne, die auf klassische Weihnachtsgeschichten setzen und stattdessen versuchen, sich durch einen originellen Plot oder ungewöhnliche Kameraperspektiven abzuheben. Der Versandhändler Otto lässt seinen Spot zum Beispiel in einem Bus spielen, der an Heiligabend in den Bergen Boliviens liegen bleibt. Aldi hat seinen Clip aus der Innensicht eines Kühlschranks gedreht. Und in der Milka-Werbung baut ein Junge eine Zeitmaschine, mit der er zum 24. Dezember vorspringen kann.

Konzerne setzen auf Musikstars und Klassiker

Andere versuchen derweil, sich über die Musik abzugrenzen – was ausschlaggebend sein kann. „Zwei Spots, die inhaltlich identisch sind, können aufgrund der Musik als besonders gut oder besonders schlecht wahrgenommen werden“, sagt Netz. Lidl hat für seinen diesjährigen Weihnachtsspot extra einen Song komponieren lassen. Otto hat den Klassiker „Feliz Navidad“ neu interpretiert und stellt ihn im Internet als Download bei Spotify bereit. Amazon nutzt „Give a little bit“ von Supertramp, Apple einen Song vom neuen Album von Sam Smith. Und die Telekom lässt Justin Bieber in ihrem Spot nicht nur singen, sondern auch noch eine der beiden Hauptrollen spielen.

Dass sich die Konzerne etwas einfallen lassen müssen, liegt unter anderem am geänderten Medienkonsum. So dürfen Werbeclips bei Youtube sehr viel länger sein als im Fernsehen – allein schon aufgrund der Kosten. Gleichzeitig sind im Netz aber auch die Erwartungen andere. Online gilt noch viel stärker als im TV: Der Spot darf nicht langweilen und nicht zu sehr nach Werbung aussehen – sonst klicken die Zuschauer einfach weg. „Die Online-Spots erinnern daher meist eher an Kurzfilme als an Werbesendungen“, sagt Netz.

Ein Unternehmen, bei dem die Trennung zwischen TV- und Online-Spot besonders auffällt, ist Edeka. Während der diesjährige Fernsehspot im Supermarkt spielt, erinnert der Webclip von der Machart an einen Kinofilm: Er spielt in einer Zeit, in der die Menschen vor den Robotern in die Berge geflohen sind. Einer der Roboter findet in einem alten Kino einen Film über Weihnachten, wie es früher einmal war. Daraufhin macht er sich in die Berge auf, wo eine Familie ihn an ihren Weihnachtstisch einlädt.

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Immerhin 60 Prozent der Zuschauer sagen inzwischen, sie fänden es gut, wenn in Weihnachtsspots solche Geschichten erzählt werden. Ein Viertel der Befragten lässt sich für Weihnachtswerbung dagegen so oder so nicht begeistern.

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