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Bunt gemischt. Das Angebot an Haustauschmöglichkeiten ist kaum zu übersehen. Eine kostenlose Privatunterkunft dürfte viele Urlauber locken – im Vergleich zu Hotels, Ferienwohnungen und selbst All-inclusive-Camps kann das mehrere hundert oder gar tausend Euro ausmachen. Foto: djd/Trivselhus AG

© djd

Wirtschaft: „Man tauscht auf Augenhöhe“

Immer mehr Menschen ziehen für ein paar Wochen im Jahr in das Zuhause anderer. Das Ziel Berlin ist dabei im Ausland besonders beliebt

Verlockende Angebote: eine Villa in Sydney mit Meerblick oder ein Holzhaus irgendwo in den Wäldern Kanadas. Auf der Internetplattform haustauschferien.com finden sich allerdings auch Einfamilienhäuser in Recklinghausen und Eutin. Tauschurlaube haben Konjunktur. Sie können einen aus der Provinz in die Großstadt, vom Flachland in die Berge bringen. Oder umgekehrt. Dazu gratis, von den Kosten der Anreise mal abgesehen.

„Endlich tauschen wir nach Venedig“, freut sich Daniela Hufeisen. Jedes Jahr zur Sommerzeit packt sie Kind und Kegel ein und, in diesem Fall in einer 120 Quadratmeterwohnung in Venedig, wieder aus. Bereits zum zehnten Mal überlässt die Familie Fremden ihre Fünf-Zimmer-Wohnung in Kreuzberg. Tausende tauschen auch in diesem Jahr wieder ihr Zuhause mit Fremden in der Ferne für den Urlaub. Fernab von touristischen Ballungszentren haben diese „Homeswapper“ die Möglichkeit, einen Ort von der inneren, authentischen Seite zu entdecken.

Was sich 2004 für die junge Generation via couchsurfing.org um den Globus wickelte, gibt es in der größeren Dimension schon deutlich länger. Die Idee lässt sich 50 Jahre weit zurückverfolgen. Damals tauschten Universitätsdozenten in den Vereinigten Staaten von Amerika von der Ost- an die Westküste mit anderen Lehrern während der Ferien die Wohnungen. Heute gibt es viele Organisationen, die diesen Ursprungsgedanken weiterführen. Zu den größten gehören hierzulande homelink.de, haustausch.de und haustauschferien.com.

Was bei den Südeuropäern und Amerikanern schon etabliert ist, fasst anscheinend in Deutschland etwas langsamer Fuß. Bei Haustauschferien werden etwa 500 Tauschangebote auf deutschem Boden bereitgestellt, während man in Spanien aus fast viermal so vielen Domizilen wählen kann. „Unsere Kunden sparen pro Reise mit allem Drum und Dran etwa 50 Prozent ihrer Kosten“, sagt Jürg Thalmann, Geschäftsführer von haustauschferien.com. Seine Community hat 40 000 Mitglieder in 143 Ländern, darunter knapp 500 in Deutschland. Vor neun Jahren ist das Portal in den USA online gegangen. Vor allem dort sind Haustausche beliebt, auch in Südeuropa begeistern sich immer mehr dafür.

Allerdings stellt Manfred Lypold, Homelink-Chef in Deutschland, ein größeres Interesse nach der Wirtschaftskrise auch hierzulande fest: „In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Inserate um fünf bis zehn Prozent gestiegen, derzeit sind es etwa 1150 Inserate aus Deutschland.“ – „Wir suchen nie“, sagt Daniela Hufeisen, „sondern warten auf Anfragen und lassen uns überraschen. Das ist spannender.“ Die Familie hat meist sogar die Wahl, wohin die Reise gehen soll. Ein wenig anders ergeht es der Hamburgerin Mirjam Rademacher mit ihrer Familie: „Wir müssen selber sehr aktiv werden, denn mit Anfragen wird man in Hamburg nicht überhäuft. Berlin läuft einfach besser“, gibt die Hamburgerin zu. Ihre vorübergehende Heimat für diesen Sommer: Paris. Nach langer Suche.

Eine Jahresmitgliedschaft kostet 83,40 Euro bei Haustauschferien, bei Homelink 140 Euro, allerdings ist darin ein Garantiefonds enthalten, der Schäden bis 2500 Euro ausgleicht, sollte die Hausrat- oder Haftpflichtversicherung nach einem Malheur nicht zahlen. Auf den Profilen stellt man Fotos und Informationen zur Immobilie und Lage ein, kann aber auch Wunschziele, Zeiträume und Anforderungen angeben. Keinerlei Geld fließt übrigens bei der Plattform Couchsurfing. Dort bieten Gastgeber Reisenden eine kostenlose Unterkunft im ganz einfachen Stil – meist auf dem Sofa.

Kurz vor der Reise beginnt laut erfahrenen Tauschern ein Pflichtprogramm: die Grundreinigung. Wer kleine Schönheitsreparaturen am Haus vor sich herschiebt, wird sich vielleicht über den latenten Druck eines vorübergehenden Umzugs freuen. Mirjam Rademacher: „Wir haben eine Liste mit kleinen Renovierungsarbeiten, die noch erledigt werden müssen. Es soll eben schön werden. Für die Gäste, aber auch für uns.“ Übrigens: Auch Tiere dürfen getauscht werden. Allergiker können Wünsche angeben und der Hobbygärtner muss sich nicht um seine Pflanzen sorgen. Alles nach Absprache.

Von einer 60-Quadratmeter-Wohnung in Hamburg-Eimsbüttel in eine französische Villa mit Pool in St. Tropez zu tauschen – das geht in der Regel nicht: „Man tauscht auf Augenhöhe“, sagt Mirjam Rademacher. Ob Eigentums- oder Mietwohnung, Reihenhaus oder Hütte im Grünen, zum Tauschen eignet sich fast jede Bleibe: „Das ist ganz bunt gemischt“, sagt Lypold.

Einschränkungen gibt es so gut wie keine, genauso wenig wie rechtliche Vorschriften. In dieser Grauzone gilt es jedoch vorsichtig zu sein. „Solche Vereinbarungen sind eine Basis, bei der jeder Jurist eigentlich nur den Kopf schütteln kann. Das ist eine ganz heikle Geschichte“, sagt Ronald Schmid, Professor für Reiserecht an der Universität Dresden. Er rät, die Identität des Tauschpartners im Vorwege zu prüfen. Schmid empfiehlt auch, zumindest die wichtigsten Details schriftlich festzuhalten. Normalerweise funktioniert das „Homeswapping“ auf Vertrauensbasis. Das Haar in der Suppe findet man meist nur in der eigenen Persönlichkeit, denn „wer sich ständig sorgt, wird sich niemals entspannen“, sagt Daniela Hufeisen.

(mit dpa/Mitarbeit: Nikola Helmreich)

Anbieter im Internet:

www.haustauschferien.com

www.homelink.de

www.haustausch.de

www.couchsurfing.org

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