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Den Zukauf von Flugzeugen sieht Schwingeler als einen Grund für die Insolvenz von Germania.

© dpa

Luftfahrt-Experte im Interview: "Germania-Insolvenz bedroht Dezentralisierung des Flugverkehrs"

Der Luftfahrt-Berater Jörg Schwingeler über die Folgen der Germania-Pleite und die Frage, ob das billige Fliegen sein Ende erreicht hat.

Herr Schwingeler, Germania ist insolvent, Air Berlin schon lange pleite. Gestern hat auch Ryanair schlechte Zahlen bekannt gegeben. Ist das Ende des billigen Fliegens erreicht?

Nein, sicherlich nicht. Ryanair ist nicht gefährdet, auch wenn die Nachrichten gerade schlecht sind. Wir haben aber eine Reihe von kleineren Marktteilnehmern, die sich schwertun, ihr Geschäfts stabil zu finanzieren. Die Finanzierung basiert leider oft auf zu optimistischen Annahmen. Wenn dann Querschläger kommen, die das Ergebnis belasten, entstehen schnell große Probleme. Das ist aber keine Krise des Billigflugverkehrs. Im Gegenteil; das Geschäftsmodell ist weiterhin im Wachstum begriffen

Bleiben am Ende dann nur Easyjet und Ryanair als Billigflieger übrig?

In der gesamten Luftfahrt findet schon länger eine Konzentrationsbewegung statt. Da gibt es die drei ganz Großen: Die Lufthansa-Gruppe, die International Airline Group mit British Airways sowie der Verbund von Air France und KLM. Dazu kommen Ryanair und Easyjet als Billig-Flieger. Diese fünf Unternehmen gewinnen immer mehr an Bedeutung im europäischen Markt. Kleinere scheiden tendenziell aus oder werden von den größeren geschluckt.

War die Insolvenz von Germania also unvermeidlich oder gab es Management-Fehler?

Von allem ein bisschen. Schlüsselfaktor war die massive Expansion der vergangenen Jahre. Nach der Insolvenz von Air Berlin hoffte man, neue Marktanteile erschließen zu können. Hier kann man durchaus von einem Management-Fehler sprechen, da überhaupt nicht klar war, ob die Expansion auch nachhaltig wirtschaftlich sein kann, wenn sich einzelne Faktoren verändern. So zum Beispiel die Treibstoffpreise, die im vergangenen Jahr stark angezogen haben. Aber man kann durchaus auch von einem Strukturproblem sprechen, da die großen Konzerne so finanzkräftig sind, dass sie zum Beispiel Kerosinpreise sichern können, was kleinen Unternehmen oft nicht möglich ist. Die Kluft in der Kapitalausstattung zwischen klein und groß ist so enorm, dass Krisen meist nicht durch Management-Fehler ausgelöst, aber beträchtlich verschärft werden.

Weniger Unternehmen bedeuten weniger Wettbewerb – wird Fliegen teurer?

Ich glaube, dass die Preise leicht steigen werden. Vor allem aber wegen der steigenden Treibstoffpreise, nicht aufgrund einer Abnahme des Wettbewerb.

Wer wird die Lücken, die Germania hinterlässt, schließen?

Ich bin zuversichtlich, dass die Reiseveranstalter für Pauschalreisen ihre Germania-Flüge mit ihren eigenen Gesellschaften ausgleichen können. Thomas Cook mit Condor oder Tui mit Tuifly. Doch ob alle anderen Verbindungen von anderen Airlines übernommen werden, ist mehr als fraglich.

Jörg Schwingeler ist Vize-Präsident bei dem Luftfahrt-Beratungsunternehmen Prologis Strategy. Er sieht Management-Fehler bei Germania.
Jörg Schwingeler ist Vize-Präsident bei dem Luftfahrt-Beratungsunternehmen Prologis Strategy. Er sieht Management-Fehler bei Germania.

© Prologis Strategy

Was bedeutet das für die deutsche Luftfahrtbranche?

Das hat vor allem auf die kleineren Flughäfen im Land große Auswirkungen. Denn Germania war nicht nur in Berlin, München und Düsseldorf tätig, sondern auch an vielen kleinen Standorten. Und da könnte das Angebot nun beträchtlich schrumpfen und in die großen Airports verlagert werden. Die Dezentralisierung des Angebots ist bedroht. Das macht im Übrigen die Pünktlichkeit und Verlässlichkeit der ohnehin überlasteten Großflughäfen nicht besser.  Da fällt der Branche die Germania-Insolvenz schon zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt auf die Füße

Günstiges Fliegen steht einerseits aus Gründen des Klimaschutzes in der Kritik, andererseits bedeutet die Möglichkeit, dass mehr Menschen sich Reisen in andere Länder leisten können, einen enormen kulturellen Gewinn – wird sich dieser Spagat irgendwann lösen lassen?

Ich fürchte nein. Aber nicht, weil die Flugbranche sich nicht verbessert, sondern weil die Ansprüche  der Gesellschaft steigen. In den 1970er Jahren hatten wir große Probleme mit der Lautstärke und dem Schadstoffausstoß. Die Flugzeuge sind seitdem massiv weiterentwickelt worden. Der Ausstoß ist in beiden Hinsichten zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Anspruch der Gesellschaft aber weiter gestiegen. Obwohl der Luftverkehr wie kaum ein anderes Verkehrsmittel seine Emissionen reduzieren konnte, ist die Akzeptanz nicht gestiegen.

Jörg Schwingeler ist Vize-Präsident der Beratungsgesellschaft Prologis Strategy, die hauptsächlich in der Luftfahrtbranche tätig ist. Zuvor war er unter anderem als Vizepräsident für den Bereich Network Development bei Air Berlin verantwortlich und arbeitete als Managing Director bei der österreichischen Regionalfluggesellschaft Intersky.

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