zum Hauptinhalt
Gastautor Klaus Richter, Präsident des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) spricht bei der Konferenz "Berlin Aviation Summit", dem inoffizellen Auftakt der ILA in Berlin.

© Britta Pedersen/dpa

Luft- und Raumfahrtindustrie: "ILA ist die ideale Plattform für industriepolitische Weichenstellungen"

Zum Auftakt der Luft- und Raumfahrtmesse ILA in Berlin präsentiert sich die Industrie selbstbewusst - und rät zur europäischen Zusammenarbeit. Ein Gastbeitrag

Die Luft- und Raumfahrt ist Technologiebeschleuniger der deutschen Industrie mit hervorragenden Zukunftsperspektiven: Wir rechnen für die kommenden zwei Jahrzehnte mit einem Bedarf an über 30 000 neuen und hochmodernen – das heißt deutlich leiseren und umweltschonenderen – Großraumflugzeugen. Zugleich hat sich keine andere Branche beim Thema Nachhaltigkeit ambitioniertere Ziele gesteckt. Bis 2050 soll der CO2-Ausstoß von Flugzeugen um 75 Prozent reduziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, investieren unsere Unternehmen rund 10 Prozent ihres Umsatzes – doppelt so viel wie andere Industrien – in Forschung und Entwicklung. Der größte Anteil fließt in Technologien, die das Fliegen effizienter und umweltverträglicher machen.

Die Luft- und Raumfahrt ist eine Hightechbranche, und Deutschland und Europa stehen weltweit technologisch an der Spitze. Ob es um die Entwicklung neuer Flugzeuge und Hubschrauber geht, die digitale Vernetzung der Industrie oder um autonomes Fahren und Fliegen, stets kommen dabei unsere Technologien „Made in Germany“ zum Einsatz. Davon profitieren wir alle, beruflich und im Privatleben.

Deutsche und Franzosen arbeiten Hand in Hand

Die Luft- und Raumfahrt ist eine starke europäische Branche. Airbus als das europäische Unternehmen steht dafür sinnbildlich. Diese Dynamik spiegelt sich auch in unserer mittelständisch geprägten Zuliefererlandschaft wider. Franzosen und Deutsche arbeiten Hand in Hand, gemeinsam mit anderen europäischen Partnern, wenn es um den Schutz unserer Umwelt geht, um innere und äußere Sicherheit, um Kommunikation oder um die wissenschaftliche Erforschung des Alls. Europäisches Denken und transnationale Kooperation sind zentrale Wesensmerkmale unserer Branche. Deswegen trifft uns der Brexit auch härter als andere Industriezweige. Neben ihrer wirtschaftlichen und technologischen Stärke ist die Luft- und Raumfahrt eine europäische Erfolgsgeschichte par excellence. Die Erfolgskomponenten bedingen einander: Ohne die europäische Ausrichtung wäre der technologische und wirtschaftliche Erfolg nicht möglich. Wegweisende Entwicklungsprojekte wie der A350 oder die Ariane-Rakete – funktionieren nur im europäischen Verbund. Zeiten der Kleinstaaterei sind vorbei.

Und wir setzen alles daran, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Voraussetzung dafür ist ein noch engeres europäisches Zusammenwirken. Nur so kann es uns gelingen, im globalen Wettbewerb mit den USA und China zu bestehen. Das gilt für die zivile und militärische Luftfahrt ebenso wie für die Raumfahrt.

Darum begrüßen wir ausdrücklich, dass sich die neue Bundesregierung das Thema Europa prominent auf die Fahnen geschrieben hat. Im Koalitionsvertrag steht das Kapitel an erster Stelle. In ihrer Regierungserklärung forderte Bundeskanzlerin Merkel kürzlich einen „Aufbruch für Europa“.

Enger Schulterschluss von Industrie und Politik

Als Industrie können und wollen wir unseren Beitrag leisten. Es ist daher kein Zufall, dass die diesjährige ILA Berlin, die am Mittwoch ihre Pforten öffnet, ganz im Zeichen der deutsch-französischen Partnerschaft steht. Denn auch für unsere Branche gilt, was in anderen Bereichen selbstverständlich ist: Es braucht den engen deutsch-französischen Schulterschluss, um den europäischen Motor in Gang zu setzen.

An Großprojekten mangelt es nicht: Von der Entwicklung eines elektrisch-hybrid betriebenen Mittelstreckenjets innerhalb der nächsten 15 Jahre über die erfolgreiche Fertigstellung der Trägerrakete Ariane 6, mit der sich die Europäer den unabhängigen Zugang ins Weltall sichern, bis zur Entwicklung eines neuen europäischen Kampfflugzeugs und Luftkampfsystems – diese ambitionierten Vorhaben lassen sich nur gesamteuropäisch und im engen Schulterschluss von Industrie und Politik realisieren. Während mancherorts noch über fliegende Autos geschmunzelt wird, ist die Konzeptentwicklung vielerorts bereits auf dem Weg. Will Europa die Zukunft der Mobilität mitgestalten, muss es sich sowohl bei der Technologieförderung als auch bei der Gestaltung des regulatorischen Rahmens an die Spitze der Bewegung setzen.

Gemeinsam können Deutschland und Frankreich die treibende Kraft für Wohlstand und Sicherheit in Europa werden. Das Zeitfenster für politisches Handeln ist günstig. Der Aktionsradius einer neuen deutschen Regierung sowie des frisch gewählten französischen Präsidenten ist beachtlich. Die ILA bietet eine ideale Plattform, um wichtige strategische industriepolitische Weichenstellungen in der Luft- und Raumfahrt vorzunehmen. Diese Gelegenheit dürfen wir nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Der Autor ist seit Anfang 2017 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) mit Sitz in Berlin.

Klaus Richter

Zur Startseite