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Offene Türen. Wer im Bundestag regelmäßig ein und aus geht, ist für Bürger kaum ersichtlich. Dabei arbeiten Interessenvertreter maßgeblich an Gesetzesinitiativen mit.

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Exklusiv

Lobbyisten fordern Lobbyregister: Sie wollen ihr schlechtes Image loswerden

Vom Industrieverband BDI bis zum Nabu: Sechs Verbände fordern die Einführung eines Lobbyregisters. Warum sie mehr von sich preisgeben wollen.

Von Carla Neuhaus

Es ist eine ungewöhnliche Allianz, die sich da zusammengetan hat. Naturschützer und Chemiekonzerne, Verbraucherschützer und Industrie beziehen im Normalfall eher gegenteilige Positionen. Doch eins bringt sie zusammen: der Wunsch nach Transparenz. Sechs Verbände fordern jetzt gemeinsam die Einführung eines Lobbyregisters. Sie haben dafür ein mehrseitiges Eckpunktepapier verfasst, das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Unterschrieben haben es Vertreter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Verband der Chemischen Industrie (VCI), den Familienunternehmern, dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu), dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) und Transparency International.

Sie stellen sich demnach ein Verzeichnis vor, in dem alle erfasst werden, „die hauptberuflich der Tätigkeit der Interessenvertretung nachgehen“ oder deren Job es ist, die Willensbildung der Bundespolitik zu beeinflussen. Mit anderen Worten: Die Lobbyisten selbst wünschen sich ein Lobbyregister. Das ist bemerkenswert. Zumal sich die Bundesregierung bislang nicht zu einem solchen Register durchringen konnte.

Die Öffentlichkeit hat bislang kaum Einblick

Den Verbänden geht es dabei um ihre Glaubwürdigkeit. Lobbyismus haftet bis heute ein Schmuddelimage an, der Verdacht lautet: Da wird Politik in Hinterzimmern gemacht. Die Öffentlichkeit hat kaum einen Überblick darüber, wer welche Interessen vertritt – und wer womöglich im Hintergrund an Gesetzentwürfen mitschreibt. Zwar gibt es bereits seit 1972 ein Verbänderegister beim Bundestag – die Eintragung dort ist allerdings freiwillig. Selbst für die Anhörung im Bundestag müssen die Interessenvertreter nicht gelistet sein.

Dazu kommt, dass das bisherige Register nur Verbände erfasst. Dabei gibt es sehr viel mehr Organisationen, die Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen. Das können Politikberater sein, Vertreter von Konzernen, Rechtsanwaltskanzleien, Stiftungen, Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen. Deshalb fordern die Unterzeichner der Initiative mit einem umfassenden Register gleiche Spielregeln für alle Interessenvertreter. „Interessenvertretung lebt von Sachverstand und Vertrauen“, sagt Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer beim Chemieverband VCI. „Mit unserer ungewöhnlichen Allianz setzen wir uns für größere Offenheit und Nachvollziehbarkeit gegenüber der Gesellschaft ein.“

Wer nicht mitmacht, dem drohen Sanktionen

Dabei gehen die Forderungen über eine reine Auflistung von Lobbyisten hinaus. Interessenvertreter sollten demnach auch dazu verpflichtet werden, ihre Angaben aktuell zu halten. Tun sie das nicht oder registrieren sie sich erst gar nicht, sollen ihnen Sanktionen drohen. So könnte den Lobbyisten dem Papier zufolge zum Beispiel der Zugang zu Ministerien und zum Bundestag verweigert werden. Auch könnten sie von öffentlichen Anhörungen ausgeschlossen werden.

Aus Sicht von Grünen-Politiker Sven Giegold ist das Streben der Verbände nach einem Lobbyregister ein großer Fortschritt. „Es ist allerdings typisch, dass die Lobbyverbände selbst hier wieder einmal weiter sind als die Große Koalition“, sagte er dem Tagesspiegel. SPD und Union hatten sich zwar ursprünglich in ihrem Sondierungspapier zum Lobbyregister bekannt – im Koalitionsvertrag tauchte es dann aber nicht mehr auf. Das hat zur Folge, dass es auf der politischen Agenda weit nach unten gerutscht ist.

Streit könnte es über die Offenlegung der Finanzen geben

Mittlerweile wollen aber sowohl CDU als auch SPD das Register. „Unser Ziel ist durchaus ein neues, umfangreicheres Verzeichnis“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder dem Tagesspiegel. „Wer bestimmte Rechte gegenüber dem Bundestag in Anspruch nehmen will, muss sich im Verzeichnis registrieren lassen – egal ob dies ein Verband oder beispielsweise ein Unternehmen ist.“ Auch die SPD drängt auf das Register. „Es wäre ein wichtiges Signal für mehr Transparenz, wenn wir zusammen in der Koalition doch noch ein verbindliches Lobbyregister vorlegen könnten“, sagte SPD-Fraktionsvize Eva Högl dem Tagesspiegel.

Für Streit sorgen könnte aber noch die Frage, inwieweit Lobbyorganisationen auch ihre Finanzen offen legen müssen. Die Verbände selbst schlagen vor, ihre Budgets zu veröffentlichen. Auch wollen sie ausweisen, wer ihre Geldgeber sind, solange sie mehr als 50 000 Euro im Jahr überweisen. Für sich behalten wollen sie hingegen, mit welchen Summen sich wer beteiligt. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob 100 000 Euro oder eine Million fließen. Geht es nach der CDU, könnten hingegen die Finanzen im Register ganz außen vor bleiben. „Insbesondere die Offenlegung der Finanzen wird von uns abgelehnt, weil eine Transparenz hier eher eine Scheintransparenz werden würde“, sagte Sensburg.

Umstritten ist auch, ob die Lobbyisten ausweisen sollten, wer von ihnen sich wann mit welchem Politiker getroffen hat. Die Verbände selbst lehnen das ab. Das „würde aus unserer Sicht in eine uferlose Bürokratie münden“, heißt es in ihrem Eckpunktepapier.

Das EU-Register könnte als Vorbild dienen

Grünen-Politiker Giegold hält das jedoch für problematisch. „Die Europäische Debatte ist da schon viel weiter. Auf EU-Ebene muss offengelegt werden, wer mit wem gesprochen hat.“ So hat das EU-Parlament erst zuletzt für strengere Regeln bei der Offenlegung von Lobbyisten gestimmt. Wichtige Abgeordnete wie Berichterstatter und Ausschussvorsitzende müssen künftig online veröffentlichen, mit welchen Lobbyisten sie sich treffen. Für die restlichen Parlamentarier gilt das zwar nicht, sie dürfen sich allerdings nur noch mit Interessenvertretern verabreden, die im Transparenzregister der EU aufgeführt sind.

Giegold fordert daher, das EU-Register als Vorbild für ein deutsches Verzeichnis zu nehmen. Würde die Bundesrepublik hingegen die Frage, wer wann wen getroffen hat, nicht mit aufnehmen, bekäme Deutschland dem Grünen-Politiker zufolge lediglich ein verbessertes Verbänderegister. „Das wäre eine entscheidende Schwäche“, sagte Giegold.

Zumal Deutschland ohnehin nicht besonders früh dran ist bei dem Thema. Andere Länder sind da längst weiter. In den USA, Kanada und Irland existiert ein entsprechendes Register bereits seit Jahren, 2017 zog Frankreich nach. Dort müssen Unternehmen und Vereine neben den Namen ihrer Interessenvertreter etwa auch den Umfang und die Ausgaben für ihre Lobby-Maßnahmen offenlegen. Bei einem Verstoß drohen hohe Geldstrafen.

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