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Reisen im Netz buchen ja, Smartphone-Nachrichten nein. Dagmar und Horst von Kleist haben ein differenziertes Verhältnis zur Digitalisierung.

© Thilo Rückeis

Leserbrief zu Digitalisierung bei Senioren: „Wir vermissen kein Smartphone“

Ein Rentnerpaar aus Falkensee bezweifelt, dass alles digitalisiert werden muss – und zeigt, wie Ältere das Internet auf ihre eigene Weise nutzen können.

Vor Kurzem haben wir über den Nachholbedarf von Senioren bei der Digitalisierung und über Computerkurse für Ältere berichtet. Daraufhin erreichte uns dieser Leserbrief von Dagmar und Horst von Kleist aus Falkensee. Den möchten wir Ihnen nicht vorenthalten:

Welche Bedeutung hat eigentlich noch der Mensch als Person, also der Mensch, den man sehen, hören, riechen, spüren oder berühren kann? Ob nun angenehm oder unangenehm, direkt von Mensch zu Mensch ist doch Leben pur. Vielleicht verlieren Menschen, die nur noch über Smartphone oder andere digitale Medien kommunizieren, deshalb so leicht den Respekt anderen Menschen gegenüber.

"Wir möchten nicht pausenlos Fotos anderer Menschen erhalten"

Auch wir haben ein Laptop, übrigens nicht abgelegt, sondern selbst gekauft! Ein Smartphone besitzen wir nicht. Uns – als 74- und 76-jährige Rentner – genügt ein ganz simples Mobiltelefon, nur um im Notfall Hilfe zu rufen. Das bedeutet allerdings auch, dass einiges im Voraus geplant werden muss, zum Beispiel die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Um an einen fremden Ort zu gelangen nutzen wir problemlos Stadtpläne oder Karten.

Und wir möchten keineswegs pausenlos Fotos oder Nachrichten anderer Menschen erhalten. Wichtige Nachrichten können uns gern per Festnetz-Telefon, notfalls über den Anrufbeantworter oder per E-Mail übermittelt werden. Spezielle Apps haben wir bisher auch nicht benötigt. Noch können wir selbst denken, an geeigneten Stellen nachschauen oder fragen, sofern wir etwas Besonderes erfahren möchten. Wir nutzen weder Facebook noch Twitter, doch haben und pflegen wir viele persönliche Kontakte.

"Die Stadt braucht dringend mehr Treffpunkte"

Unseren Laptop nutzen wir vorwiegend für E-Mails, mal um Flüge zu buchen oder Aktuelles über ein Reiseziel zu lesen. Für Arbeiten in einer AG „Wohnen im Alter“ wird der Computer sowohl für Protokolle, die Organisation von Veranstaltungen mit Flyern und Postern wie auch zur Vorbereitung von Lesungen genutzt. Mit der Tochter, die weit entfernt lebt, skypen wir. Und wir bearbeiten und bewahren Fotos, für die wir noch einen richtigen Fotoapparat nutzen. Denn wenn wir ein Foto machen, Schnappschüsse ausgenommen, nehmen wir auch die umgebenden Eindrücke wahr, um uns später, beim Betrachten der Bilder, der ganzen Situation zu erinnern.

Ansonsten treffen wir uns einmal in der Woche mit anderen Senioren zum ausgedehnten Kaffeeklatsch, bei dem durchaus aktuelle Themen aus Politik und Kultur Vorrang haben. An einem anderen Tag spielen wir im Mehrgenerationenhaus der Stadt in größerer Runde Karten. Und es ist, nicht nur in unserer Stadt, ein dringender Wunsch an die Verwaltung, mehr „Treffpunkte“ zu schaffen, weil wir uns eben nur zu gern von Mensch zu Mensch begegnen. Und niemand von uns vermisst ein Smartphone, wenige nicht mal einen Computer oder Ähnliches. Wenn Bedarf besteht, so hilft ein Freund, Bekannter oder die Familie.

"Was tun sie eigentlich mit der gewonnenen Zeit?"

Durch die Digitalisierung sollen die Menschen ja auch Zeit sparen, aber was tun sie dann eigentlich mit der gewonnenen Zeit? Sich auch wieder mit dem Smartphone oder Computer beschäftigen? Digitalisierung ist in vielerlei Fällen sicher sehr sinnvoll, doch für uns bedeutet sie in mancher Hinsicht Entmündigung, werden doch viele Dinge vorgegeben. Selbst nachzudenken ist nicht mehr notwendig, vielleicht auch nicht gewünscht. Und wenn erst einmal Roboter das Arbeitsleben gestalten, werden für sie eigentlich Sozialabgaben geleistet? Denn weniger Menschen wird es nicht geben, woraus sollten dann Renten und anderes gezahlt werden? Sicher kann man auch die Arbeit bei der Polizei, Feuerwehr, in Medizin und Pflege durch Digitalisierung erleichtern. Doch den Menschen ersetzen kann man nicht, auch wenn es einen hohen Arbeitskräftemangel gibt. Menschen in diesen Berufen brauchen technische Unterstützung, vor allem aber Anerkennung und einen angemessenen Lohn! Dann können wir wieder Menschen für diese Berufe begeistern.

Es gäbe noch viele Gründe aufzuzählen, warum das Leben auch ohne vielseitige Digitalisierung lebenswert ist, doch dies würde hier zu weit führen. Manchmal wünschten wir uns schon, der Strom fiele einige Zeit aus. Doch das würde leider zu einem absoluten Chaos führen, darum also lieber nicht.

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