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Rettung für die Altersvorsorge: Die Bafin ist für die Kontrolle eines Viertels der Lebensversicherer und rund 40 Pensionskassen zuständig.

© freie-kreation/Getty Images/I-Stock

Leistungskürzungen sind nicht auszuschließen: Bafin warnt vor Problemen bei Pensionskassen

Bafin-Experte Frank Grund sieht eine "einstellige Zahl" gefährdet. Für die Lebensversicherungen gibt der Aufseher aber Entwarnung.

Lebensversicherer und Pensionskassen leiden unter der lang anhaltenden Niedrigzinsphase. Sichere, festverzinsliche Wertpapiere bringen kaum Rendite, im Gegenteil: Neue Papiere kosten die Anleger Geld statt ihnen Profite zu bescheren. Was heißt das für die Finanzkraft der Anbieter? Wie sicher ist die Altersvorsorge der Kundinnen und Kunden? Frank Grund ist bei der Finanzaufsicht Bafin als Exekutivdirektor für die Versicherungsaufsicht und damit für die Frage der Solvabilität zuständig.

Herr Grund, wie viele Lebensversicherungen und Pensionskassen beaufsichtigt die Bafin?

Wir beaufsichtigen aktuell 135 Pensionskassen und 79 Lebensversicherer.

Wissen Sie bei allen Unternehmen, wie es finanziell um sie steht, wie solide sie sind?
Das ist unser Anspruch. Dafür ist die Versicherungsaufsicht da. Wir haben ein intensives Berichtswesen und führen regelmäßig Gespräche mit den Versicherern. Wir lassen uns die Erwartungen der Unternehmen schildern und wir machen jährliche Prognoserechnungen, in denen wir auch langfristige Szenarien über einen Zeitraum von 15 Jahren abfragen.

Frank Grund ist bei der Finanzaufsicht Bafin für Versicherungen und Pensionskassen zuständig.
Frank Grund ist bei der Finanzaufsicht Bafin für Versicherungen und Pensionskassen zuständig.

© Bernd Roselieb/Bafin

Gibt es Unternehmen, bei denen Sie jetzt keinen Vertrag mehr abschließen würden?
Es gibt stärkere Unternehmen und weniger starke. Das ist bei Lebensversicherern so, aber auch bei den Pensionskassen. Wir beaufsichtigen Unternehmen, die Probleme haben, natürlich besonders. Wir nennen das intensivierte Aufsicht.

Wie viele Unternehmen stehen unter intensivierter Aufsicht?
Es sind derzeit rund 20 Lebensversicherer und rund 40 Pensionskassen. Das heißt aber nicht, dass ich bei diesen Unternehmen keine Versicherung abschließen würde.

Sondern?
Es heißt nur, dass diese Unternehmen in gewissen Szenarien Schwierigkeiten bekommen könnten. Mit unserer Aufsicht wollen wir ja verhindern, dass ein solcher Fall eintritt. Bei den Lebensversicherern gehen wir – Stand jetzt – davon aus, dass alle Unternehmen ihre vertraglich versprochenen Leistungen erfüllen können. Bei den Pensionskassen würde ich das nicht so sagen. Es gibt Pensionskassen, bei denen man Leistungskürzungen – so wie wir sie bei drei Pensionskassen in den vergangenen Jahren schon erlebt haben – nicht ausschließen kann. Das kann passieren, wenn die Trägerunternehmen, die hinter diesen Pensionskassen stehen, kein Kapital nachschießen.

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Muss dann der Arbeitgeber haften, um die Betriebsrente zu sichern?
Ja. Wenn die Kasse die Leistung kürzt, muss der Arbeitgeber einspringen. Wenn die Betriebsrente ausgezahlt wird, muss er den Saldo ausgleichen. Problematisch wird es, wenn es diesen Arbeitgeber dann nicht mehr gibt, zum Beispiel wegen einer Insolvenz. Für diese Fälle gibt es jetzt aber eine gute Nachricht. Spätestens ab dem 1. Januar nächsten Jahres springt der Pensionssicherungsverein auch für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ein, wenn diese über Pensionskassen durchgeführt werden. Bei manchen Pensionskassen greift auch Protektor, das ist die Sicherungseinrichtung der Lebensversicherer. Man kann sagen: Etwa 90 Prozent der Versicherten in Pensionskassen sind abgesichert durch die Haftung des Arbeitgebers und der Sicherungseinrichtungen. Das ist doch beruhigend.

Wie viele der 40 Pensionskassen sind besonders gefährdet?
Eine einstellige Zahl von Pensionskassen haben wir besonders im Blick, darunter die drei Kassen, die bereits Leistungen gekürzt haben. Es gibt im Moment keine weiteren akuten Fälle. Perspektivisch schließe ich das jedoch nicht aus. Wie es weitergeht, hängt auch von der Zinsentwicklung ab.

Warum haben die Pensionskassen größere Probleme als die Lebensversicherer?
Ihr Geschäftsmodell ist ein anderes. Pensionskassen haben nur ein Geschäft: Sie versprechen lebenslange Renten mit lebenslangen Garantien. Die Lebensversicherer haben dagegen schon frühzeitig umgesteuert. Sie haben ihre Produktpalette angepasst und beispielsweise Risikolebensversicherungen angeboten oder fondsgebundene Lebensversicherungen aufgelegt – und sich so besser an die Niedrigzinswelt angepasst.

Der Bund der Versicherten sagt, ein Viertel der Lebensversicherer ist angezählt.
Wir beobachten ja rund ein Viertel intensiv. Ob man aber sagen kann, diese Versicherer seien angezählt, möchte ich bezweifeln. Nochmal: Nach jetzigem Stand können alle Lebensversicherer ihre Verpflichtungen erfüllen.

Obwohl viele Kunden noch alte Verträge haben, in denen ihnen traumhafte vier Prozent Zinsen während der gesamten Vertragslaufzeit garantiert sind?
Ja, und diese Garantien müssen die Versicherer auch erfüllen. Der Gesetzgeber hat ja nicht zuletzt mit Blick auf solche Verträge und wegen der langen Niedrigzinsphase die Versicherer verpflichtet, ein zusätzliches Polster anzulegen, die sogenannte Zinszusatzreserve. Inzwischen liegen mehr als 90 Milliarden Euro darin.

Gute Nachricht: Alle Lebensversicherungen werden ihre Verpflichtungen erfüllen können, sagt die Bafin.
Gute Nachricht: Alle Lebensversicherungen werden ihre Verpflichtungen erfüllen können, sagt die Bafin.

© dpa-tmn/Jens Büttner

Früher haben Lebensversicherer das Geld ihrer Kunden fast ausschließlich in sichere, festverzinsliche Wertpapiere gesteckt. Doch wegen der Niedrigzinsphase bringt das nichts. Welche Spielräume haben die Unternehmen bei der Wahl riskanterer, aber möglicherweise profitablerer Anlagen?
Das aktuelle Aufsichtsregime Solvency II setzt den Versicherern keine festen Grenzen bei der Kapitalanlage. Aber viele Unternehmen nutzen die Spielräume nicht aus, weil sie für riskantere Anlagen mehr Eigenkapital hinterlegen müssen. Nach Solvency II muss ein Versicherer für eine Aktie mehr Eigenkapital aufbringen als für eine Staatsanleihe. Eine riskantere Anlagepolitik ist damit teurer.

Ist das noch zeitgemäß, wenn man sieht, dass sich Aktien seit langem stabiler zeigen als manche Anleihe?
Darüber wird im Moment gesprochen. Wir überprüfen derzeit das Solvency- II-Regime. Die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA hat hierzu einen Vorschlag unterbreitet, die EU- Kommission ist jetzt am Zuge. Aber im Kern sind sich alle einig, dass es keine Revolution, also keine grundlegende Veränderung geben soll. Das System besteht seit 2016 und es hat sich in der Niedrigzinsphase und in der Coronakrise bewährt.

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Die Unternehmen haben ihre Antwort schon gegeben: Sie haben in den vergangenen Jahren immer mehr Risiken auf die Kunden geschoben.
Ich glaube Kunden sind bereit, mehr Risiken zu tragen, wenn sie dafür höhere Renditechancen haben. Beim Abschluss neuer Lebensversicherungen haben beispielsweise nur noch rund 15 Prozent der Verträge feste Garantien.

Versicherer wie die Allianz garantieren bei neuen Verträgen noch nicht einmal, dass man sein eingezahltes Geld zurückbekommt. Mit der klassischen Lebensversicherung hat das nichts mehr zu tun.
Ja, aber das ist der richtige Weg. Die Versicherer versuchen, eine Balance zwischen Chance und Risiko für die Kunden zu schaffen. Der Kapitalerhalt ist ja auch eine Art der Garantie. Der Versicherer garantiert den Erhalt der Prämie inklusive der Kosten. Diese Herausforderung sollte man nicht unterschätzen. Deswegen bieten auch immer weniger Unternehmen eine Beitragsgarantie und speziell die Riester-Rente an.

Protest gegen die Riester-Rente: Verbraucherschützer haben dazu vor der Wahl die Kanzlerkandidaten künstlich altern lassen.
Protest gegen die Riester-Rente: Verbraucherschützer haben dazu vor der Wahl die Kanzlerkandidaten künstlich altern lassen.

© AFP/John Macdougall

Ist es für die Menschen, die einen Riester-Vertrag haben, gefährlich, wenn keine neuen Verträge geschlossen werden?
Nein, die bestehenden Verträge werden ja in jedem Fall ordnungsgemäß weitergeführt. Es kommt häufiger vor, dass Unternehmen ein bestimmtes Produkt nicht mehr anbieten. Bei Riester-Verträgen wäre das dann auch so. Mit dem neuen, gesenkten Höchstrechnungszins, der ab dem nächsten Jahr gilt, können die Versicherer neue Riester-Verträge vermutlich nicht mehr wirtschaftlich anbieten. Die bereits laufenden Verträge berührt das nicht. Die Frage ist eher eine gesellschaftspolitische: Wie soll die geförderte Altersvorsorge in Deutschland zukünftig aussehen?

Alle Parteien sehen hier Reformbedarf. Beliebt ist die Idee, ein einfaches, aktienbasiertes Standardprodukt wie in Skandinavien zu schaffen. Ist das der Königsweg?
Ob der Staat etwas macht oder die Versicherungsbranche, etwa mit einem Kostendeckel, muss letzten Endes der Gesetzgeber entscheiden, das ist keine Frage für die Aufsicht.

Der Garantiezins liegt ab Januar bei 0,25 Prozent. Hätte man ihn dann nicht gleich auf Null setzen können?
Der Höchstrechnungszins legt fest, mit welchem Zinssatz die Versicherer ihre Deckungsrückstellung kalkulieren dürfen. Ich glaube, der neue Satz ist angemessen. Die Unternehmen verdienen mit ihrem Anlagemix deutlich mehr als mit risikofreien Anleihen. Die 0,25 Prozent schaffen sie, heute und auch in Zukunft.

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