zum Hauptinhalt
Andreas Korbmacher (M), Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht und Kollegen auf der Richterbank.

© Sebastian Willnow/dpa

Update

Leipzig: Bundesverwaltungsgericht vertagt Entscheidung über Diesel-Fahrverbote

Die Entscheidung am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten wird vertagt. Der 7. Senat will seine Entscheidung am 27. Februar verkünden.

Die Entscheidung am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten wird vertagt. Der 7. Senat will seine Entscheidung am 27. Februar verkünden, wie der Vorsitzende Richter, Andreas Korbmacher, am Donnerstag sagte. Das Rechtsgespräch habe deutlich länger gedauert, als vorgesehen. Ursprünglich war für Donnerstag die Entscheidung angedacht.

In dem rund vierstündigen Rechtsgespräch ging es um Fragen des Europarechts, des Bundesimmissionsschutzgesetzes, der Straßenverkehrsordnung. Zudem wurden die strittigen Fragen der Verhältnismäßigkeit und Kontrollierbarkeit eines möglichen Fahrverbotes erörtert. Im Mittelpunkt der Erörterungen steht die Frage, ob Städte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nach geltendem Recht anordnen können - oder ob es dafür neue, bundeseinheitliche Regelungen geben muss.

Richter Korbmacher brachte bei der Gerichtsverhandlung am Donnerstag ein sukzessives Vorgehen ins Spiel. Denkbar sei, zunächst Diesel der Abgasnorm Euro-4 (galt von 2005 bis 2009) und dann Euro-5-Fahrzeuge (2009 bis 2014) mit einem Fahrverbot zu belegen. Die Behörden müssten sich mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit Gedanken über die Zeitschiene machen.
Zuvor wurde die grundsätzliche Frage der Verhältnismäßigkeit eines Fahrverbots diskutiert: Ist zum Gesundheitsschutz eine Restriktion der Bewegungsfreiheit von Diesel-Fahrern akzeptabel? Der Anwalt der Deutschen Umwelthilfe (DUH) befürwortete das, weil die Kommunen genug Möglichkeiten für Ausnahmen von den Verboten hätten. In Brüssel erklärte unterdessen ein Sprecher der EU-Kommission, nicht Brüssel sei für die Regulierung des Verkehrs in Städten zuständig, sondern die Behörden vor Ort.

Ganz zu Beginn diskutierten die Anwälte der Prozessparteien auch, ob eine bundeseinheitliche Regelung zu einem Verkehrsschild für Fahrverbote überhaupt notwendig ist. Richter Korbmacher ließ vor dem Publikum im vollbesetzten Saal keine Tendenz durchblicken. Er warf die Frage auf, ob das EU-Recht nicht eine andere Betrachtung der Verbotsfrage verlange. Der EuGH werde zunehmend ungeduldig über Verstöße gegen die Luftreinhaltevorschriften. Als Möglichkeit deutete Korbmacher zudem an, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Frage befasst werde, ob Verbote trotz fehlender bundesrechtlicher Voraussetzungen zulässig seien.

Schadstoff-Grenzwerte werden kaum eingehalten

Seit Jahren werden in vielen Städten Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Der Verkehrsbereich, darunter vor allem Dieselautos, trägt nach Angaben des Umweltbundesamts rund 60 Prozent zur Belastung bei.

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt nicht darüber, ob Fahrverbote einzuführen sind. Es geht in Leipzig um die Frage, ob Städte Fahrverbote nach geltendem Recht und damit auch ohne eine bundesweit einheitliche Regelung anordnen können, um Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten.

Verhandelt wird über eine sogenannte Sprungrevision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf. Diese hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Behörden verpflichtet, ihre Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass die Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen zurückweisen, könnte dies politisch äußerst folgenreich sein. Die Richter in Leipzig würden damit faktisch Fahrverbote für zulässig erklären.

Ob es diese dann auch gibt, liegt aber an den einzelnen Städten und Bezirksregierungen. Einen Automatismus gibt es nicht. Es könnte noch Wochen oder Monate dauern, bis Fahrverbote wirklich in die jeweiligen Luftreinhaltepläne aufgenommen werden.

Vor dem Gerichtsgebäude hatten am Donnerstagmorgen mehr als 100 Aktivisten von mehreren Umweltverbänden und den Grünen für saubere Luft in den Städten demonstriert. Mit Bannern und selbstgebauten quadratischen Luftpolstern forderten sie ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte vor Beginn der Verhandlung, er sei ausgesprochen gespannt, aber nicht nervös: „Ich habe gut geschlafen.“ Die Luftqualität in Deutschland sei „erbärmlich“. Die DUH habe schon viel erreicht, sagte Resch und verwies auf das Milliardenprogramm der Bundesregierung für saubere Luft in Kommunen. (dpa/Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false