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Unterschiedlicher Status, gleicher Alltag. Beamte wie Angestellte unterrichten 26 Stunden in der Woche.

© Julian Stratenschulte/dpa

Lehrer in Berlin: Die Angestellte

Seit 2004 werden neue Lehrer in Berlin nicht mehr verbeamtet. Was das für die Arbeitsbedingungen der Nachwuchspädagogen heißt.

Patricia Krauß ist 30 Jahre alt und angestellte Lehrerin in Berlin. Für sie hat gerade ihr drittes Schuljahr an einem Charlottenburger Oberstufenzentrum begonnen. Und sie ist zufrieden mit ihrem Job – nur nicht mit der Rente, die sie erwartet. „Wenn ich an die Altersversorgung denke, werde ich neidisch auf meine verbeamteten Kollegen“, sagt sie. Aber weil sie noch jung ist, denkt sie nicht oft daran. In ihrem Kollegium sind ohnehin die meisten angestellt. Trotzdem, sagt sie, werde oft über den Status gesprochen. „Je älter Kollegen werden, desto wichtiger wird ihnen das Thema.“

Beamte oder Angestellte: In Berliner Klassenzimmern gibt es beide Beschäftigungsarten für Lehrer. Seit 2004 verbeamtet das Land Berlin Lehrkräfte nicht mehr. Begründung war damals die hohe finanzielle Last durch die Pensionen. Neueinsteiger werden seitdem nur angestellt. Lehrkräfte aus anderen Bundesländern, die dort mindestens fünf Jahre verbeamtet waren, behalten ihren Status aber, wenn sie nach Berlin wechseln. „Das sind jedoch Einzelfälle, nur rund 50 pro Jahr“, sagt Udo Mertens, Vorstandsmitglied der Berliner Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Inzwischen seien etwa 17 000 Berliner Lehrer angestellt, „das sind mehr als die Hälfte“.

Man kann nicht alle einfach wieder verbeamten

Berlin ist heute das einzige Bundesland, das Pädagogen anstellt. Seit Sachsen vor wenigen Monaten angekündigt hat, Lehrkräfte wieder zu verbeamten, hat das Thema auch hier wieder neue Dynamik gewonnen. Zuletzt war aus der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus die Forderung gekommen, neu darüber nachzudenken; Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigte sich von dem Vorstoß wenig begeistert. Und auch aus Sicht der GEW ist die Rückkehr zur Verbeamtung nicht sinnvoll. „Viel zu viele Lehrkräfte würden dabei rausfallen“, sagt Mertens. Etwa Quereinsteiger ohne Staatsexamen oder Master-Abschluss. Auch ältere Angestellte hätten keine Chance auf eine Verbeamtung. Das Ergebnis wären neue Ungerechtigkeiten. Im Schulalltag macht der Status ohnehin keinen Unterschied. Für alle Lehrkräfte in Vollzeit gilt eine Unterrichtsverpflichtung von 26 Stunden pro Woche.

„Berlin war meine Flucht nach vorne“, sagt Patricia Krauß. Im Sommer 2016 ist sie nach ihrem Referendariat von Bayern nach Berlin gezogen. Mit ihrer Fächerkombination – Deutsch, Sozialkunde und Geschichte für Gymnasien – hatte sie in Bayern keine Aussicht auf eine feste Stelle mit Verbeamtung. Deshalb entschied sie sich für die Bewerbung in Berlin. Die Bedingungen klangen attraktiv.

Absolventen, kommt nach Berlin

Seit einigen Jahren wirbt die Bildungsverwaltung bundesweit unter Absolventen um Lehrkräfte – und bietet ihnen auf den ersten Blick auch ohne Beamtenstatus ziemlich viel. Der Wechsel in Teilzeit zum Beispiel ist laut Mertens auch für Angestellte relativ unproblematisch möglich. Wie viele ihrer Kollegen bekam auch Patricia Krauß sofort einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Und sie wurde mit einem Bruttogehalt von rund 5000 Euro pro Monat sofort in die höchste Gehaltsstufe eingruppiert. Für Berufsanfänger ein gutes Gehalt. Allerdings: Aussicht auf nennenswerte Gehaltssteigerungen hat sie für den Rest ihres Berufslebens dann nicht mehr – anders als die verbeamteten Kollegen, die in einer niedrigeren Besoldungsstufe beginnen und mit zunehmendem Dienstalter mehr Geld bekommen.

Deutlich werden die Unterschiede zwischen Angestellten und Beamten vor allem bei den Sozialleistungen. Werden Beamte länger krank, bekommen sie weiter ihr volles Gehalt, wenn nötig auch jahrelang. Für die Angestellten dagegen gelten dieselben Regeln wie in anderen Berufen auch: Im Krankheitsfall zahlt der Arbeitgeber sechs Wochen lang das Gehalt weiter, danach gibt es Krankengeld von der Krankenkasse. Und während angestellte Lehrkräfte in der Regel in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, müssen sich Beamte privat versichern und erhalten dazu Beihilfe vom Staat.

Weil die Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung bei den Angestellten direkt vom Gehalt abgezogen werden, haben verbeamtete Lehrer netto bis zu mehreren Hundert Euro mehr auf dem Gehaltszettel. Studien haben vorgerechnet, dass verbeamtet Lehrer über ihr gesamtes Berufsleben hinweg mehr als 200 000 Euro mehr verdienen als angestellte. Der größte finanzielle Vorteil liegt in der Altersversorgung: Beamte müssen nicht in die Rentenversicherung einzahlen. Stattdessen bekommen sie im Ruhestand eine Pension vom Staat. Die lebenslange Versorgung ist die Garantie, die der Staat seinen Beamten gibt.

Angestellte dürfen mehr, zum Beispiel streiken

Dafür sind verbeamtete Lehrkräfte aber auch zur Loyalität ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet. Anders als Angestellte dürfen sie nicht für bessere Arbeitsbedingungen streiken, wie das Bundesverfassungsgericht vor Kurzem bestätigt hat. Angestellte Lehrer dagegen schon.

Doch auch den Angestellten sind enge Grenzen gesetzt: So kann Patricia Krauß nicht nach Belieben die Schule wechseln. Ihr unbefristeter Vertrag gilt nur für ihre Schule in Charlottenburg. Würde sie ihn kündigen, bekäme sie auf absehbare Zeit in Berlin keinen unbefristeten Vertrag mehr.

Will sie die Schule wechseln und ihren Status nicht verlieren, muss sie, wie ihre verbeamteten Kollegen, Versetzungsanträge stellen. Erst den dritten Antrag muss die Bildungsverwaltung annehmen. Zwischen den Anträgen müssen aber je sechs Monate liegen. Das heißt: Würde Patricia Krauß ihre Schule verlassen wollen und jetzt den ersten Antrag stellen, müsste sie damit rechnen, dass das erst in eineinhalb Jahren möglich ist. Da bringt ihr das Angestelltenverhältnis keinen Vorteil.

Andererseits: Die Jobs der angestellten Lehrkräfte sind in Berlin sicher, offenbar genauso sicher wie bei einer Verbeamtung auf Lebenszeit: Denn der Lehrermangel ist so groß, dass das Land auf lange Sicht vermutlich kaum auf eine gewonnene Lehrkraft freiwillig wieder verzichten wird.

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