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Der wegen der Corona-Schutzmaßnahmen für Gottesdienst gesperrte Raum in der Feldsteinkirche in Perlin.

© Jens Büttner/dpa

Leere Gotteshäuser in der Coronakrise: Mehr Liebe zu den Gläubigen wagen

Ex-Ministerpräsidentin Lieberknecht zeigt eine geradezu heilige Wut auf die Kirchen in der Coronakrise. Das ist überzogen, doch an einer Stelle hat sie recht. Ein Kommentar.

Je mehr die Corona-Einschränkungen gelockert werden, desto lauter wird Kritik, die es längst gab, aber zumeist hinter vorgehaltener Hand. Zum Beispiel an den Kirchen – aus den Kirchen. Was ihnen jetzt die frühere Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, eine Christdemokratin, vorwirft, hat es darum in sich: Versagen in der Krise.

Hunderttausende Menschen allein gelassen zu haben, Kranke, Einsame, Alte, Sterbende – das versetzt Lieberknecht geradezu in heilige Wut. „Es sind 8000 Menschen an Covid-19 gestorben, aber seit März auch 150.000 Menschen aus anderen Gründen. Wo war da das Wort der Kirchen?“ Nur Schweigen sei da gewesen, sagt sie der „Welt“.

Christine Lieberknecht, frühere Ministerpräsidentin von Thüringen
Christine Lieberknecht, frühere Ministerpräsidentin von Thüringen

© imago images/Martin Müller

Nun, der Punkt stimmt so nicht ganz. In vielen Botschaften haben sich die Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche an die Gläubigen gewandt, in virtuellen Gottesdiensten, Andachten, Begegnungen. 

Doch Lieberknechts folgender Punkt verdient mehr, als in Bausch und Bogen verdammt zu werden – dass das Schließen der Gotteshäuser nicht zwingend erforderlich gewesen wäre. Ja, selbst nach dem Infektionsschutzgesetz wäre mehr möglich gewesen. 

„Nicht irgendeine zivilgesellschaftliche Organisation“

Lieberknecht führt das Recht für Geistliche auf die Begleitung von Sterbenden an. Man kann aber auch noch die Möglichkeit der inneren Einkehr an diesem kontemplativen Ort hinzufügen. Zumal die Gefahr der Überfüllung von Kirchen, leider Gottes, ohnedies gering geworden ist, wie ja auch die Zahl der Gläubigen immer geringer wird.

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Die CDU-Politikerin Lieberknecht als ehemalige Gemeindepfarrerin ist auch in dieser Hinsicht eher konservativ. Für sie ist Kirche noch entschiedener als für andere „nicht irgendeine zivilgesellschaftliche Organisation“, weshalb ihre Ansprüche hoch sind. 

In Pest-Zeiten seien die Kirchen offen geblieben

Doch hält Lieberknecht ja Kontakt in ihre Kirche hinein, über ihre Kirche hinaus und drückt ein Unbehagen aus, das es innerhalb des Systems Kirche gibt. Neben dem allseitigen Lob für die herausragende Arbeit unter anderem der Krankenhausseelsorge. Da hört man schon mal, zu Zeiten der Pest seien die Kirchen auch nicht verschlossen gewesen.

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Anstatt nun solche Kritik aufzunehmen und umgekehrt eine Debatte darüber anzuregen, was im Fortgang der Coronakrise und auch im Blick auf kommende Epidemien verbessert werden könnte, wehren sich die Amtskirchen, das sei, zu pauschal“ und bloß politisch. 

Damit weisen sie zugleich ein tatsächlich christliches Anliegen ab, das dahintersteht: Wahrhaftig zu sein in der Liebe und in allen Stücken zu wachsen. Wird das nicht unterstützt, fällt es unangenehm auf. Was schon deshalb ein Fehler ist, weil sie es sich nicht leisten können oder sollten, auch nur einen Gläubigen zu verlieren. Nicht dass aus der Kritik ein anschwellender Bocksgesang wird.

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