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Joer Bidens....

© imago images/ZUMA Wire

Kritik von Aktivisten: Bidens Infrastruktur-Pläne gehen Klimaschützern nicht weit genug

Es sollte der erste konkrete Versuch sein, die großen Transformationsversprechen des US-Präsidenten einzulösen. Doch Aktivisten und Parteifreunde üben Kritik.

Von Jakob Schlandt

Die Rahmenvereinbarung für die Modernisierung und den Ausbau der Infrastrukturen in den USA geht Klimaschutzorganisationen nicht weit genug. Es sollte der erste konkrete Versuch sein, die großen Transformationsversprechen des Präsidenten Joe Biden einzulösen, die unter anderem zur Halbierung des CO2-Ausstoßes der USA bis 2030 führen sollen. Das Projekt sollte Bidens ambitionierte Ziele zeigen. Energieinfrastrukturen sind in dem Rahmenwerk auch berücksichtigt. Aber der größte Teil der rund eine Billion Dollar wird – nachdem die Vereinbarung in ein Gesetz mündet und von Präsident Joe Biden unterschrieben wird – in die Instandsetzung maroder Verkehrsinfrastruktur fließen.

So sieht der „Bipartisan Infrastructure Deal“ nach ersten Angaben des Weißen Hauses beispielsweise 109 Milliarden Dollar für Straßen und Brücken vor, 25 Milliarden für Flughäfen, 17 Milliarden für Häfen, 65 Milliarden für schnelle Internetverbindungen. Der Schienenfern- und öffentliche Nahverkehr sollen gestärkt, auch Wasserstraßen sollen modernisiert werden.

Infrastruktur Extremwetter oft nicht gewachsen

Bisher 73 Milliarden Dollar sind für das Energienetz vorgesehen. Bei diesen Maßnahmen dürfte es vor allem um Instandsetzung und Ertüchtigung gehen und in geringerem Maße um Investitionen mit dem Ziel, die Netze flexibler zu machen und mehr erneuerbare Energie hineinzubringen. Viele Netzinfrastrukturen in den USA sind veraltet, störanfällig und unter anderem den zunehmenden Extremwetterereignissen nicht gewachsen. Für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos sind 7,5 Milliarden Dollar eingeplant.

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Angesichts der Zerstrittenheit des Kongresses lobte Biden, der seit Monaten intensiv für das Paket geworben hatte, den Kompromiss als Zeichen, dass die US-Demokratie weiter Großes leisten könne. Es sei „die bedeutendste langfristige Investition in unsere Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit seit fast einem Jahrhundert“, erklärte er. Aber die Rahmeneinigung ist der vorerst kleinste gemeinsame Nenner – und noch weit weg von den gewaltigen Transformationsvorhaben, die Biden vor und nach seiner Wahl versprochen hatte. Biden hatte zunächst Pläne für Ausgaben in Höhe von rund zwei Billionen US-Dollar angekündigt.

100 Prozent kohlenstofffreie Stromversorgung bis 2035

Teile des „American Jobs Plan“, des „Plans für nachhaltige Infrastruktur und saubere Energie“ und des „Plans für eine Saubere-Energie-Revolution und Umweltgerechtigkeit“ finden sich darin zwar. Doch in diesen einander überschneidenden Programmen hat Biden sich deutlich mehr vorgenommen, als die aktuelle Einigung hergibt: beispielsweise eine 100 Prozent kohlenstofffreie Stromversorgung bis 2035, Millionen von Jobs im grünen Energiesektor, eine Sanierungskampagne in der fossilen Energieindustrie durch das Versiegeln verlassener Gas- und Ölquellen und Bergwerke, mehr als eine Million energieeffiziente Wohneinheiten, eine Forschungs- und Entwicklungsoffensive im Sinne des Klimaschutzes und eine klimagerechte Autoindustrie.

Das meiste davon wurde im aktuellen Paket ausgespart und muss, wenn Biden es weiterverfolgt, im nächsten, weiter gefassten Infrastrukturpaket enthalten sein. Es soll 3,5 Billionen Dollar umfassen. Die Demokraten wollen es mithilfe der „budget reconciliation“ (Budget-Schlichtung) durchsetzen. Dieses Verfahren würde eine Aufteilung in kleinere Maßnahmenpakete bedeuten, die auch mit einer einfachen Mehrheit verabschiedet werden könnten.

Linke Demokraten und Klimaschützer sind unzufrieden

Progressive Demokraten und politische Beobachter in Thinktanks und Klimaschutzorganisationen hatten sich vom ersten Paket wesentlich mehr erhofft: Es sei „kein ernsthafter Plan“, schrieb der klimapolitische Direktor des Washingtoner Institute for Policy Studies, Basev Sen. Der American Jobs Plan habe die Erwartungen an einen Green New Deal zwar nicht erfüllt, sei aber immerhin ein Anfang gewesen. Der Zwei-Parteien-Kompromiss aber nehme den „ohnehin beeinträchtigten Plan und beschneidet ihn weiter, um ihn komplett nutzlos zu machen“, so Sen.

Die Summen für öffentliche Verkehrsträger und die Elektrifizierung von Fahrzeugen seien in den Verhandlungen zwischen Demokraten und Republikanern geschrumpft, und vom Budget für erneuerbare Energien sei überhaupt nichts übriggeblieben. Sen führt das auf intensives Lobbying eines Ölkonzerns bei elf Senatoren beider Parteien zurück.

Der Ökonom Jeremy Rifkin, der die Demokraten bei ihren Infrastruktur-Überlegungen beraten hat, sagte laut Bloomberg, er sei „mehr als enttäuscht“. Der Kompromiss werde nicht zu den notwendigen Veränderungen in den USA führen. „Wenn er so bleibt, wird er die Vereinigten Staaten aus dem Spiel werfen gegenüber der EU und der Volksrepublik China“ mit deren ehrgeizigen Investitionsprogrammen für Energie und Digitalisierung, so Rifkin. (mit rtr, dpa)

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