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Am Start. Die Bahn ist optimistisch, die Reisewelle dieses Jahr ohne Chaos zu bewältigen.

© Jan Woitas/dpa

Kritik am Staatskonzern: Wird die Deutsche Bahn den Feiertags-Verkehr meistern?

Stress vor Weihnachten, Ärger mit den Lokführern und ein unzufriedener Eigentümer: Die Deutsche Bahn beendet das Jahr, wie sie es begonnen hat - mit vielen Baustellen.

In die Vorfreude auf Weihnachten mischt sich bei Bahnreisenden wie jedes Jahr eine düstere Ungewissheit: Wird die Deutsche Bahn das Verkehrschaos vor und an den Feiertagen meistern?

„Wir haben alles auf dem Gleis, was uns zur Verfügung steht“, versicherte am Montag eine Sprecherin. Sie verwies auf die verkehrsgünstig gelegenen Festtage, die Entlastung versprächen. Weil Heiligabend dieses Jahr auf einen Montag falle, beginne die Hauptreisezeit schon am Donnerstag und Freitag. „Das verteilt sich besser als im vergangenen Jahr.“

Dennoch rechnet die Bahn im Schnitt mit 20 Prozent mehr Reisenden am 21. und 22. Dezember. 2017 transportierte sie allein am 22. und 23. Dezember 800.000 Fahrgäste. „Wir werden zum Weihnachtsreiseverkehr bundesweit und über alle Tage verteilt insgesamt 44 zusätzliche Züge im Einsatz haben“, sagte die Sprecherin. Außerdem gebe es im neuen Fahrplan, der seit dem 9. Dezember gilt, planmäßig mehr Verbindungen auf viel befahrenen Strecken – etwa auf der Schnellfahrstrecke Berlin-München, auf der fünf statt bisher drei Sprinterzüge pro Tag fahren.

Und: Der Wetterbericht kündigt für die kommenden Tage frühlingshafte Temperaturen an. Schnee, der die Bahn bremsen könnte, dürfte also nicht fallen. So ist man bei der DB optimistisch, dass es vor Weihnachten lediglich „den ein oder anderen ausgebuchten Zug“ geben wird – und sonst alles reibungslos verläuft.

Für die Bahn-Führung um Vorstandschef Richard Lutz wäre es ein Weihnachtsgeschenk in Krisenzeiten. Denn zum Feiern ist aktuell niemandem zumute im Berliner Bahn-Tower. Akut beschäftigen den Vorstand nicht nur mögliche Chaostage rund um Weihnachten.

Gdl-Chef Weselsky bringt Bummelstreik ins Spiel

Auch der Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft Gdl ist immer noch nicht beigelegt. Nach der Einigung mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG am Freitag steht sogar ein Bummelstreik der GDL- Zugführer in den kommenden Tagen im Raum. Zwar darf die Gewerkschaft nicht streiken, solange sie keine Schlichtung angerufen hat. GDL-Chef Claus Weselsky hatte jedoch angekündigt, dass es durchaus sein könne, dass die Kollegen, „die Hunderte Überstunden vor sich herschieben, nunmehr von ihrem Recht Gebrauch machen, in Freizeit zu gehen“. Am Montag berieten die Gremien der Gewerkschaft über das Vorgehen im Tarifkonflikt. „Der Sprengstoff liegt noch in den Arbeitszeitregelungen“, hieß es. Dass Lokführer tatsächlich noch vor Weihnachten Überstunden abfeiern und den Bahnbetrieb behindern, hält man in GDL-Kreisen aber für unwahrscheinlich.

Ans Eingemachte geht derweil der bahnpolitische Großkonflikt mit dem Bahn-Eigentümer, dem Bund. So hatte der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann (CDU), am Wochenende den Ton verschärft und dem DB-Vorstand Führungsfehler vorgeworfen. „Besorgt“ sei man in der Regierung darüber, wie Lutz und seine fünf Vorstandskollegen das weit verzweigte Unternehmen mit zahlreichen Tochtergesellschaften und Hierarchieebenen führten. Mit ihrer Leistung könne man „nicht zufrieden“ sein. Schon im Januar soll die DB-Spitze skizzieren, wie sie die Bahn wieder fit machen will, im März will der Bund ein Konzept für ein rasches Krisenmanagement sehen.

Die Bundesregierung verschärft den Ton

Ferlemanns Anmerkungen sollen signalisieren, dass die Geduld der Regierung mit dem Bahn-Management langsam endet. Verspätungen, Qualitäts- und Servicemängel, die marode Infrastruktur, Engpässe bei der Netzkapazität, die defizitäre Cargobahn – die Mängelliste wird dem Bund zu lang. Eine späte Erkenntnis, wie Kritiker meinen. 25 Jahre nach der Bahnreform, die am 1. Januar 1994 in Kraft trat, zeige sich, „dass die Krise der Bahn zu einer politischen Krise geworden ist“, sagte Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), am Montag dem Tagesspiegel. Die Bahn brauche eine „schonungslose Problemanalyse und eine klare verkehrs- und eisenbahnpolitische Ansage“.

An negativen Zustandsbeschreibungen mangelt es nicht. So rügte unlängst der Bundesrechnungshof die Ineffizienz der öffentlichen Bahn-Finanzierung. Trotz stetig steigender Bundesmittel – die Bahn fordert vom Bund in den laufenden Verhandlungen zur Fortschreibung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) eine Milliarde Euro zusätzlich pro Jahr – verschlechtere sich die Bahninfrastruktur von Jahr zu Jahr. Die Gründe: Fehlanreize, Bürokratie, wirkungslose Qualitätskennzahlen und Sanktionen.

Auch der Bahn-Vorstand selbst hatte vor einigen Wochen in einem internen Brief Doppelstrukturen, Ineffizienzen und zu viel Gegen- statt Miteinander im Management scharf kritisiert. Ausgaben für externe Berater soll Bahn-Chef Lutz nun gedeckelt haben. Das Staatsunternehmen soll von 2015 bis 2018 mehr als eine halbe Milliarde Euro für Beratungsleistungen ausgegeben haben.

Reisende, die für Weihnachten die Koffer packen, haben unterdessen allen Grund, nervös zu sein. In den elf Monaten des laufenden Jahres kam im Schnitt mehr als jeder vierte Zug im DB-Fernverkehr zu spät, die Pünktlichkeit lag im Jahresschnitt bei 74,7 Prozent – knapp 80 Prozent hatte sich die Bahn vorgenommen.

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