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Eisige Stimmung: Karstadt benötigt Staatshilfe, um durch den Lockdown zu kommen.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Update

Krise ohne Ende: Galeria Karstadt Kaufhof erhält hunderte Millionen Staatshilfe

Der Warenhauskonzern wähnte sich auf einem guten Weg. Doch nun fehlt mal wieder das Geld. Es rächt sich, dass der Onlinehandel vernachlässigt wurde.

Eigentlich sollte in diesem Jahr alles besser werden. Nach 35 Filialschließungen, dem Austausch des Managements, dem Gläubigerverzicht auf 2,2 Milliarden Euro und dem Aushandeln eines Sanierungsplans sollte Galeria Karstadt Kaufhof 2021 eine Art Neustart hinlegen. „Wir melden uns gestärkt auf dem Spielfeld zurück“, schrieb der Galeria-Chef Miguel Müllenbach im September in einem Brief an die Mitarbeiter. „Wir sind ab Oktober schuldenfrei, haben ein zukunftsfähiges Filialportfolio und werden auch das Digitalgeschäft stark ausbauen.“

Doch dann kam der zweite Lockdown – und schickte den Warenhauskonzern tief in die Krise zurück. Nun bekommt GKK frisches Geld vom Staat. Wie dpa am Mittwoch-Abend meldete, will die Bundesregierung den Warenhauskonzern mit einem Darlehen in Höhe von 460 Millionen Euro unterstützen. Konkret geht es um ein sogenanntes Nachrangdarlehen. Die Hilfsmaßnahme sei an umfangreiche Auflagen und rechtliche Vorgaben geknüpft. Das habe der Ausschuss des Wirtschaftsstabilisierungsfonds beschlossen. Das Hilfsangebot liegt nun dem Unternehmen zur Entscheidung vor und soll die Finanzierung bis Ostern sichern.

Schon im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen das Schutzschirmverfahren in Anspruch genommen, um sich zu sanieren. Karstadt-Eigentümer René Benko hatte über seine Investment-Firma im vergangenen Jahr bereits 550 Millionen Euro an zusätzlichen Geldern zur Verfügung gestellt.

80.000 Arbeitsplätze hängen an GKK

Rückendeckung hatte GKK in dieser Woche auch vom Handelsverband Deutschland (HDE) erhalten. Dessen Präsident Josef Sanktjohanser wandte sich in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Die Warenhauskette sei „wichtigster Anker und Besuchermagnet und systemrelevant für die Zukunft der deutschen Innenstädte“, zitiert das „Handelsblatt“ aus dem Schreiben. Die Häuser seien „überlebenswichtig“ für das „gesamte innerstädtische Leben“.

Sanktjohanser hatte sich ebenfalls dafür ausgesprochen, GKK „im Rahmen des Wirtschaftsstabilitätsfonds mit einem entsprechenden Nachrangdarlehen zu unterstützen“. Andernfalls rechnet er mit Folgen für den Arbeitsmarkt: „Das Unternehmen beschäftigt und sichert direkt und indirekt fast 80.000 Arbeitsplätze in Deutschland – auch bei Partnern, Lieferanten und Dienstleistern.“ Im Rahmen der Filialschließungen im vergangenen Jahr hatten bereits 2500 Mitarbeiter des Konzerns ihren Job verloren.

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth kritisiert gegenüber dem Tagesspiegel zudem eine Benachteiligung großer Firmen. „Dass große Handelsunternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz zurzeit keinen Anspruch auf Überbrückungshilfen haben, obwohl diese auch komplett geschlossen wurden, halten wir für sachlich nicht gerechtfertigt“, so Genth. „Hier besteht heute nur der Zugang zu möglichen Krediten.“

Onlinehandel ist bei GKK unterrepräsentiert

Tatsächlich scheint die Zeit zu drängen für GKK. Insidern zufolge lasten Fixkosten von mehr als 80 Millionen Euro im Monat auf dem Unternehmen. Auch nach Abzug der Personalkosten, die ja zum Großteil durch Kurzarbeitergeld kompensiert werden, bleiben laut einem Bericht des „Handelsblatts“ eine monatliche Belastung von mindestens 30 Millionen Euro. Als fatal erweist sich hier, dass GKK das Onlinegeschäft über Jahre vernachlässigt hat. Laut Insolvenzplan machte der Onlinehandel im vergangenen Jahr nur 4,3 Prozent des Umsatzes aus.

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Zwar dürfte der Anteil in der Krise gestiegen sein. Doch bis zum Durchschnittswert der Modebranche von rund 25 Prozent schon vor dem Lockdown dürfte noch einiges fehlen. „Was früher der Konsumtempel Kaufhaus war, das ist jetzt das Internet“, sagte erst in der vergangenen Woche Gero Furchheim, Präsident des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) anlässlich einer Umfrage, die den Boom des Onlinehandels untersucht hatte. Diese Entwicklung sei „unumkehrbar“.

"Erheblich weniger Standorte als bisher"

Handelsexperte Werner Reinartz rechnet deshalb mit weiteren Einschnitten bei GKK. „Eine überzeugende Digitalstrategie ist nach wie vor Fehlanzeige“, sagte der Direktor am Institut für Handelsforschung (IFH) dem Tagesspiegel. Da nicht klar sei, woher das nötige Geld kommen soll, werde der Konzern um eine weitere Konsolidierung nicht herumkommen.

Im Zuge des Sanierungsplans musste dutzende Karstadt-Filialen schließen. Auch Karstadt-Sport in der City-West gehörte dazu.
Im Zuge des Sanierungsplans musste dutzende Karstadt-Filialen schließen. Auch Karstadt-Sport in der City-West gehörte dazu.

© imago images/Andreas Gora

„Natürlich wird es weiterhin einen Platz für GKK geben aber wohl an erheblich weniger Standorten als bisher“, schätzt Reinartz. Eine gute Verzahnung mit der digitalen Präsenz ist seiner Meinung nach überlebenswichtig. „Die Online-Recherche der Produktverfügbarkeit vor Ort ist beispielsweise heute praktisch eine Basiserwartung.“

Mittelfristig sieht der Professor der Universität zu Köln aber durchaus Chancen für GKK. Vor allem in Metropolen. Hier müsse der Weg über „Premiumization“, also hochwertiges Angebot gehen. „Meist haben diese Häuser bereits ein klares Profil und eine gute Reputation, wie etwa das Alsterhaus in Hamburg oder das Oberpollinger in München“, so Reinartz.

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Schwieriger werde es in kleineren Städten. „Auf den überschaubaren Flächen in den kleineren Häusern muss eine klare Sortimentsstrategie verfolgt werden“, rät er. „Ein wenig von allem ist tödlich.“ Vor allem müsse der praktische Nutzen in den Vordergrund gestellt werden: Zugänglichkeit, Parken, Ladestationen, Click & Collect sowie auch eine Wettbewerbsfähigkeit beim Preis. Und er prognostiziert: „Nach Corona sehnen sich die Kunden auch wieder nach dem Erlebniskauf.“

Staatshilfe auch für andere Unternehmen

Doch so weit muss es erstmal kommen. Der GKK-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl hatte erst vor wenigen Tagen im Gespräch mit der „Lebensmittel Zeitung“ gewarnt: „Aktuell zehren die Fixkosten die Reserven auf. Da lässt sich ganz einfach ausrechnen, wie lange wir einen Lockdown überstehen würden.“ Das neue Darlehen dürfte nun etwas mehr Zeit verschaffen.

Galeria Karstadt Kaufhof ist indes nicht der erste Traditionskonzern, der Staatshilfe in der Coronakrise in Anspruch nehmen muss. Im Rahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hat die Bundesregierung bereits zwei Rettungspakete für den Reisekonzern Tui geschnürt; das letzte im Dezember in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Auch Tui-Konkurrent FTI erhielt auf diesem Wege 325 Millionen Euro. Die Lufthansa-Finanzierung über neun Milliarden Euro ging ebenfalls über den WSF. Mittelständler wie der Autozulieferer Schlote haben ebenfalls Gelder erhalten. Und Berichten zufolge prüft auch der 1. FC Köln einen Antrag.

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