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Im morgendlichen Smog. Der Sitz der EZB in Frankfurt.

© Boris Roessler/dpa

Kredite nur für nachhaltige Projekte?: Wie die EZB Europas Banken auf Klimaziele festnageln will

Die Devise ist klar: Nur nachhaltige Finanzierungen sollen die besten Konditionen erhalten. Doch verbindliche Druckmittel hat die Zentralbank bislang nicht.

Einige europäische Banken haben begonnen, Nachhaltigkeitsrisiken systematisch zu bewerten und nachweislich zu managen. Andere Institute stehen noch am Anfang. Da der Umgang mit entsprechenden Herausforderungen für die Finanzmarkstabilität relevant ist, hat die Europäische Zentralbank (EZB) kürzlich einen Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken veröffentlicht.

Darin formuliert sie ihre Erwartungen zur Offenlegung und dem sicheren und umsichtigen Management diesbezüglicher Risiken. Sie stellt in Abstimmung mit den nationalen Finanzaufsichten an bedeutende Institute, die die EZB direkt beaufsichtigt, höhere Anforderungen als an weniger bedeutende, also kleinere und nicht systemrelevante Institute.

„Von den bedeutenden Instituten wird erwartet, dass sie den Leitfaden nutzen“, heißt es und: „Bei der Festlegung und Umsetzung ihrer Geschäftsstrategie sollten Institute Klima- und Umweltrisiken einbeziehen, die sich auf kurze, mittlere oder lange Sicht wesentlich auf ihr Geschäftsumfeld auswirken werden.“ Dafür seien Szenarioanalysen nötig sowie die Festlegung und Überwachung von Leistungskennzahlen.

Der Leitfaden trat mit Veröffentlichung in Kraft und soll bei Großbanken direkt greifen: Ab Jahresende 2020 sind diese aufgefordert, „die EZB über jegliche Abweichungen ihrer Vorgehensweisen von den hier beschriebenen aufsichtlichen Erwartungen in Kenntnis zu setzen“. Ihr sei klar, so die EZB, dass sich bei der Steuerung, den Methoden, Instrumenten und der Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken derzeit viel entwickele.

Der Leitfaden ist zwar nicht bindend, aber sehr ernst zu nehmen in Verbindung mit anderen EZB-Leitfäden, insbesondere, um eine angemessene Kapitalausstattung sicher zu stellen, wie betont wird. Konkret dient er dem jährlichen Dialog mit den Instituten.

Sollte die Aufsicht während des Überprüfungs- und Bewertungsprozesses bei einer Bank feststellen, dass sich diese nicht an den Leitfaden hält, stark hinterherhinkt und hohe Umwelt- und Klimarisiken hat, könnte die EZB der Bank qualitative Vorgaben zum Reporting oder Management machen oder im Extremfall sogar quantitative, wie zu erfahren ist: Sie könnte als Ultima Ratio sogar darauf drängen, dass die Bank mehr Eigenkapital vorhält.

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Die europäische Währungshüterin hatte vorab Geldinstitute des Euroraums befragt. Die Antworten und eine Analyse zu diesen Häusern ergaben, dass sie sich dem Thema meist aus sozialem Blickwinkel annähern „und einen umfassenden Risikomanagementansatz erst noch entwickeln müssen“. Dafür gibt es den Leitfaden nun als Gegengewicht. Menschenrechte kommen nicht vor, obwohl das Recht auf Leben durch Klimakrise und Ökosystemkollaps in vielen Weltregionen bedroht ist.

Die EZB bestärkt Finanzinstitute darin, die Offenlegung ihrer Umweltrisiken allgemein auszuweiten. „Schließlich sind unterschiedlichste Umweltfaktoren wie Wasserstress, der Verlust der Biodiversität, Ressourcenknappheit und die Umweltverschmutzung ursächlich für die sie betreffenden Risiken.“ Schon die Europäische Bankenaufsicht EBA hatte im Dezember einen Action Plan on Sustainable Finance veröffentlicht, der zentrale Botschaften für Banken zu Strategie und Risikomanagement, Offenlegung, Szenarioanalyse und Stresstests enthält.

Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung und Abfall zählen

In einem Praxisbeispiel verweist die EZB auf eine nicht benannte Bank, die die Auswirkungen ihrer Finanzierung auf die Umwelt bewertet und dem finanzierten Vermögenswert, Projekt oder Kreditnehmer ein Umweltrating zuweist, unabhängig davon, ob es sich um Firmenkunden oder um Kunden der öffentlichen Hand handelt. Sie taxiert die Klimaauswirkungen des Geschäfts und bezieht auch Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung, Abfall und Biodiversität ein. Bei negativen Umwelt- und Klimaauswirkungen wird das analytische Risikogewicht bis um ein Viertel erhöht. Das kann Kredite verteuern oder Anleger verprellen.

EZB-Chefin Christine Lagarde hat jüngst angekündigt, alle Geschäfte der Zentralbank samt dem Anleihekaufprogramm dahingehend zu prüfen, „ob sie den Klimawandel bekämpfen“, sagte sie in einem Interview der „Financial Times“. „Ich möchte jeden möglichen Weg erkunden, um den Klimawandel zu behindern.“

Leitfaden ist nicht verpflichtend

Damit reagiert sie auf jahrelange Forderungen von Umweltaktivisten und Wissenschaftlern. Indes hat die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) im Juli einen sektorübergreifenden Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Er spannt den Bogen vom Klimawandel über Korruption bis zur Kinderarbeit.

Sämtliche Risiken könnten die Performance von Vermögenswerten oder Finanzmarktteilnehmern negativ beeinflussen, betont die FMA, und überdies „auch die Finanzstabilität gefährden“. Darum will sie den beaufsichtigten Unternehmen dabei helfen, Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Geschäftstätigkeit zu beachten, und somit gleiche Wettbewerbsbedingungen herstellen.

Der Leitfaden ist rechtlich nicht verpflichtend, soll aber auf kommende EU-Offenlegungspflichten vorbereiten. Der österreichische Leitfaden sei deutlich detaillierter und konkreter als das Merkblatt der deutschen Finanzaufsicht Bafin zu Nachhaltigkeitsrisiken, meint Finanzberater Ralf Breuer von Investabel. Dies betreffe die positive Sicht auf Nachhaltigkeit als auch praktische Beispiele für direkte und indirekte Auswirkungen auf Finanzinstitute. „Die FMA lässt keinen Spielraum für die Finanzwirtschaft: Nachhaltigkeit und ihre Risiken sind Aufgabe für das gesamte Unternehmen. Von Vorstand und Aufsichtsrat bis zu den einzelnen MitarbeiterInnen.“

Susanne Bergius

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