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Die bald 100-jährige Ifa ist die berühmteste Messe der Welt für Unterhaltungselektronik und Hausgeräte.

© REUTERS

Konflikt um die Funkausstellung Ifa: Ex-Messechef Göke macht den Weg frei für einen Kompromiss

Überraschende Wendung: Christian Göke zieht sich aus dem Konsortium um gfu und Clarion zurück. Eric Schweitzer ist als neuer Aufsichtsrat im Gespräch.

Pünktlich zur Aufsichtsratssitzung der Messe Berlin an diesem Mittwoch gibt es Entspannung im Konflikt über die Funkausstellung Ifa. Christian Göke, bis 2020 Chef der landeseigenen Messegesellschaft, zieht sich aus einem Konsortium zurück, das spätestens ab 2025 die Ifa veranstalten wird. In der Berliner Politik und bei der Messe Berlin hatte man es als Verrat empfunden, dass Göke sich auf die Seite des angelsächsischen Eventkonzerns Clarion und des Ifa-Rechteinhabers gfu geschlagen hatte, die künftig die Internationale Funkausstellung ausrichten wollen. „Ich möchte die personenbezogene Debatte endlich beendet wissen“, sagte Göke am Dienstag dem Tagesspiegel. Es sei ihm immer um die Ifa gegangen „und nicht um pekuniäre Interessen“, fuhr der frühere Messemanager fort. Sein Rückzug sei „jetzt ein klarer Schnitt, der hoffentlich den Weg freimacht für eine Zukunft der Ifa in Berlin“.

Göke will sich auf das Portfoliomanagement konzentrieren

Er werde sich als Generalbevollmächtigter der Beteiligungsgesellschaft des früheren IHK- und Hertha-Präsidenten Werner Gegenbauer auf das Management eines Unternehmensportfolios mit mehr als 10 000 Mitarbeitenden konzentrieren, darunter 5000 in Berlin. Göke arbeitet seit anderthalb Jahren für Gegenbauer. Der 56-Jährige war 2000 von der Messe Frankfurt (Main) in die Geschäftsführung der Messe Berlin gewechselt. 2013 hatte Göke Raimund Hosch, der nach knapp 14 Jahren in Rente ging, an der Spitze der Messe Berlin ersetzt.

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Treffen in London

Der Rückzug Gökes kann eine verfahrene Verhandlungssituation auflösen helfen. Zudem kommt der Schritt nicht nur passend zur Aufsichtsratssitzung der Messegesellschaft, sondern fällt zwischen zwei Treffen von Gökes-Nachfolger Martin Ecknig mit Simon Kimble, dem Chef von Clarion. Ecknig hatte sich Pfingstmontag in London mit Kimble getroffen, um die Zukunft der Ifa zu besprechen. Ohne Ergebnis. Die Herren verabredeten aber ein weiteres Gespräch und stimmen derzeit den Termin ab.

Ob und wie es mit der Ifa in Berlin weitergeht, ist also noch offen. Fakt ist: Der Vertrag der Messe Berlin mit dem Ifa-Rechteinhaber gfu Consumer Home Electronics GmbH läuft 2024 aus; die gfu (30 Prozent) hat mit Clarion (70 Prozent) ein Unternehmen gegründet, das von 2025 an die Ifa veranstalten will. Und zwar idealerweise in Berlin – sofern es eine Verständigung mit der Messe Berlin gibt über deren Rolle als Vermieter des Geländes und der Hallen unterm Funkturm. Es geht um Geld und um Personen: Die landeseigene Messegesellschaft möchte einen langfristigen und lukrativen Vertrag; gfu/Clarion eine Art Ausstiegsoption, falls ein Virus die Veranstaltung verhindert, wie 2020 und 2021.

Christian Göke mit den Golf-Freunden Tuomo Hatakka (Vattenfall), Werner Gegenbauer und Walter Müller (Mercedes, von links). Das Foto stammt vom Golfclub am Seddiner See und ist gut zehn Jahre alt.
Christian Göke mit den Golf-Freunden Tuomo Hatakka (Vattenfall), Werner Gegenbauer und Walter Müller (Mercedes, von links). Das Foto stammt vom Golfclub am Seddiner See und ist gut zehn Jahre alt.

© Eventpress Herrmann

Obgleich Ecknig im November mit dem gfu-Aufsichtsrat Volker Klodwig Eckpunkte des Vertrages fixierte, kam es danach zum Zerwürfnis. Ecknig und Vertreter des Landes Berlin als Eigentümer der Messe werfen Klodwig inakzeptable Forderungen vor. Klodwig wiederum spricht von „exorbitanten zusätzlichen Forderungen“, die Ecknig auf den Tisch gelegt habe. Ferner wird dem Berliner Messechef, der Anfang 2021 als Nachfolger von Göke ins Amt gekommen war, unfreundliches Verhalten gegenüber dem Partner gfu vorgeworfen: Die gfu bekommt jedes Jahr rund 1,2 Millionen Euro von der Messe Berlin als eine Art Lizenzgebühr für die Ifa. Wegen der coronabedingten Absage wollte Ecknig erst gar nicht zahlen und dann nur einen kleinen sechsstelligen Betrag. Das erboste die gfu-Oberen, die sich als Kunde der Messe Berlin verstehen und entsprechend behandelt werden möchten. In der gfu haben sich 15 der wichtigsten Firmen der Elektronik- und Hausgeräteindustrie zusammengefunden, darunter Samsung und BSH, Miele und Philips, Sony und Liebherr.

Martin Ecknig hat viele Jahre im Immobilienmanagement von Siemens gearbeitet. Seit Anfang 2021 führt er die landeseigene Messe Berlin.
Martin Ecknig hat viele Jahre im Immobilienmanagement von Siemens gearbeitet. Seit Anfang 2021 führt er die landeseigene Messe Berlin.

© Messe Berlin GmbH

Das Krisenmanagement rund um die Ifa hat Zweifel an der Qualifikation Ecknigs und an Wolf- Dieter Wolf, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Messe Berlin, aufkommen lassen. Der Immobilienunternehmer Wolf sitzt seit 2010 im Aufsichtsrat, 2017 wurde er Vorsitzender. Ecknig, 1967 in Berlin geboren, hat sein Berufsleben bei Siemens verbracht, ganz überwiegend im Immobilienmanagement. Ecknig hat keine Erfahrung in der Messewirtschaft, wurde dem Aufsichtsrat aber trotzdem als Nachfolger Gökes vorgeschlagen. Dabei gab es auch Bewerberinnen und Bewerber mit Branchenkenntnis, darunter etwa eine Nichte des früheren Berliner CDU-Politikers und -Senators Elmar Pieroth. Wolf und Ecknig kennen sich angeblich seit Jahrzehnten. Darauf angesprochen sagte Wolf dem Tagesspiegel, er äußere sich nicht zu persönlichen Beziehungen.

Senator Schwarz bleibt in Deckung

Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für die SPD), vertritt das Land im Aufsichtsrat der Messe Berlin und amtiert als erster stellvertretender Vorsitzender. Aus dem Streit mit der gfu/Clarion hat sich Schwarz weitgehend rausgehalten; die Lösung sei eine Aufgabe des operativen Managements. Doch beim Eigentümer hat man zunehmend argwöhnisch auf den auch öffentlich ausgetragenen Streit geschaut. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erwägt dem Vernehmen nach eine Neubesetzung des Aufsichtsrats, unter anderem mit dem früheren IHK- und DIHK-Präsidenten Eric Schweitzer, der Wolf ablösen könnte.

„Bereits kurzfristig wird die Messe Berlin erheblich in den Aufbau digitaler Plattformen investieren müssen“, teilte Ex- Messchechef Göke am Dienstag mit. Auch in die Ifa. Seine Expertise hätten gfu und Clarion „im Zuge der Pandemie zur Fortentwicklung der Ifa angefragt“. Doch er ziehe sich nun aus dem Joint-Venture zurück. „Mir ging es darum, die Ifa wettbewerbsfähiger zu machen und langfristig für den Standort Berlin zu sichern“, verabschiedete sich Göke.

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Nachtrag: In einer früheren Fassung dieses Artikels haben wir berichtet, dass Wolf der Patensohn eines Sohnes von Ecknig sein soll. Hierzu halten wir fest, dass dies nicht der Fall ist. Wir haben den Artikel entsprechend abgeändert. Die Redaktion

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