zum Hauptinhalt
Verdacht: Bilanzbetrug. Um die strafrechtlichen Folgen kümmert sich die Staatsanwaltschaft Bremen. Bei ihr hat die Bafin Anzeige gegen die Greensill Bank gestellt.

© Sina Schuldt/dpa

„Kollektives Kontrollversagen“: Wie die Politik die Greensill-Pleite aufarbeiten will

Nicht nur die Grünen sehen nach der Pleite der Greensill-Bank Handlungsbedarf. Auch den meisten anderen Parteien reicht die Reform der Bafin nicht aus.

Von Carla Neuhaus

Mit Bankpleiten kennt Michael Frege sich aus. Nach der Finanzkrise hat er die deutsche Tochter der US-Investmentbank Lehman Brothers als Insolvenzverwalter abgewickelt. Nun soll er bei der Greensill Bank in Bremen möglichst viel für die Gläubiger des Instituts herausholen. Auf Frege, dem Bruder von Tote-Hosen-Sänger Campino, ruhen nun die Hoffnungen von rund 50 Kommunen. Von der Stadt Monheim über die städtischen Bühnen Köln bis zur die Stadtentwässerung Garbsen haben sie teils Millionenbeträge bei dem Bremer Institut angelegt. 26 von ihnen haben sich inzwischen zusammengetan, um gemeinsam Haftungsansprüche zu prüfen.

Wie schon bei Wirecard geht es nun um die Frage: Wer wusste wann was? Wer trägt die Verantwortung? Um die strafrechtlichen Folgen kümmert sich inzwischen die Staatsanwaltschaft Bremen. Bei ihr hat die Bafin Anzeige gegen die Greensill Bank gestellt. Der Verdacht: Bilanzbetrug. Doch auch die Wirtschaftsprüfer und die Bafin selbst geraten unter Druck. Grünen-Politikerin Lisa Paus spricht von einem „kollektiven Kontrollversagen“.

An diesem Dienstag will sich deshalb der Finanzausschuss des Bundestags mit dem Aufstieg und Fall der Greensill Bank befassen. Man wolle „die Umstände, die zur Insolvenz der Greensill Bank geführt haben, noch weiter aufklären“, sagt Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. „Dazu gehört, dass wir natürlich das Handeln der Bafin genau auf den Prüfstand stellen und die Rolle der Abschlussprüfer beleuchten werden.“

Auch diesmal stehen die Prüfer im Fokus

Vor allem für die Wirtschaftsprüfer dürfte der Fall Greensill unangenehm werden. Denn die Bank hat in ihren Büchern Forderungen verbucht, deren Existenz sie im Zuge der Bafin-Untersuchung nicht belegen konnte. Mit anderen Worten: Sie hat Kredite verbucht, konnte dann aber nicht die dazugehörigen Kreditverträge präsentieren. Eigentlich hätte das schon den Wirtschaftsprüfern auffallen müssen, die jährlich auf die Bilanz der Bank geschaut haben. Doch offenbar hätten sie dabei „nicht einmal die grundlegendsten Verträge geprüft“, sagt Grünen-Politikerin Paus.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat eine Reform der Bafin bereits angestoßen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat eine Reform der Bafin bereits angestoßen.

© Tobias Schwarz/REUTERS

Anders als bei Wirecard war im Fall der Greensill Bank keine der vier großen Prüfungsgesellschaften mit dem Bilanzcheck beauftragt, sondern die kleinere Gesellschaft Ebner Stolz. Sie will sich mit Verweis auf „gesetzliche Verschwiegenheitspflichten“ nicht äußern, lässt aber mitteilen: „Wir stehen in Kontakt mit allen beteiligten Behörden und haben unsere Kooperation im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten angeboten.“

Die Grünen fordern, dass Konsequenzen aus den Fällen Greensill und Wirecard gezogen werden. Denn auch bei dem Finanzdienstleister stehen die Prüfer in der Kritik, nicht genau genug hingeschaut zu haben. „Wir brauchen eine strikte Trennung von Beratung und Prüfung bei den Wirtschaftsprüfern wie in Großbritannien“, fordert Paus. Wer Firmen Ratschläge gibt, soll nicht auch Bilanzen absegnen.

Welche Rolle spielt die Bafin?

FDP-Politiker Florian Toncar hingegen will an anderer Stelle ansetzen. „Man kann nicht einzig den Prüfern die Schuld in die Schuhe schieben“, findet er. „Kommt es wie bei Wirecard oder der Greensill Bank zu kriminellen Handlungen, ist es Aufgabe der staatlichen Institutionen das aufzudecken.“ Gemeint ist vor allem die Finanzaufsicht Bafin. Auch die Grünen werfen ihr im Fall Greensill wie schon bei Wirecard vor, zu spät gehandelt zu haben. Die Bafin sei „in der entscheidenden Phase den Ereignissen wieder einmal hinterhergelaufen“, sagt Paus. Seit 2019 hätten sich die Aufseher monatlich über die Bilanzdaten der Greensill Bank informieren lassen – ohne aber daraus Konsequenzen zu ziehen.

Die Bafin selbst weist diese Anschuldigungen zurück. 2019 habe es noch keine „Indizien für Betrug oder andere strafbare Handlungen gegeben“, sagt ein Sprecher. Aktiv geworden sei die Bafin damals, weil eine Prüfung des Bankenverbands „ein Konzentrationsrisiko“ ergeben hätte. Banken sind dazu aufgerufen, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern ihr Risiko zu streuen. Dabei hatte die Greensill Bank Nachholbedarf.

Bafin-Chef Felix Hufeld muss zum 1. April gehen.
Bafin-Chef Felix Hufeld muss zum 1. April gehen.

© imago images/brennweiteffm

Vor allem hat sie innerhalb kurzer Zeit sehr hohe Summen von Anlegern – Sparern und Kommunen – eingesammelt. 2018 hatten Anleger dort noch 582 Millionen Euro geparkt, 2019 waren es auf einmal 3,8 Milliarden Euro. Nach Ansicht der Linken hätte die Bafin allein schon das als Warnsignal begreifen und aktiv werden müssen. Die Aufseher „müssen beantworten, warum die Greensill Bank unter ihrer Aufsicht weiter aggressiv Einlagen einwerben konnte“, sagt Linken-Politiker Fabio De Masi. Eine forensische Sonderprüfung hat die Bafin erst im September 2020 eingeleitet. Durch sie kam der mutmaßliche Bilanzbetrug schließlich ans Licht.

Die Regierungsparteien nehmen die Bafin hingegen in Schutz. „Letztlich hat die Bafin den Betrug entdeckt“, sagt Cansel Kiziltepe von der SPD. Die Aufseher hätten nach ihrem derzeitigen Stand nicht zu spät gehandelt. So sieht das auch CDU-Politikerin Tillmann. „Für uns ist es nachvollziehbar, dass die Bafin die Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei Greensill zunächst weiter aufgeklärt und Maßnahmen umgehend ergriffen hat, nachdem sich die Verdachtsmomente erhärtet haben.“ Dennoch werde der Finanzausschuss mit dem Handeln der Bafin befassen.

Bei der Bafin-Reform sehen viele Nachholbedarf

Bereits seit der Wirecard-Pleite stehen die Aufseher in der Kritik. Bafin-Chef Felix Hufeld muss deshalb seinen Posten zum 1. April räumen. Außerdem hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Reform der Bafin angestoßen. Die Aufsicht soll mehr Personal bekommen und künftig zum Beispiel auch Testkäufe bei Banken durchführen dürfen.

38 Millionen Euro hatte die Stadt Monheim bei der Greensill Bank geparkt.
38 Millionen Euro hatte die Stadt Monheim bei der Greensill Bank geparkt.

© Federico Gambarini/dpa

Mit Ausnahme der SPD sehen bei der Reform allerdings alle größeren Parteien noch Nachholbedarf. Die Union etwa will der Bafin mehr Spielraum bei der Bilanzkontrolle geben. In der Vergangenheit haben die Aufseher damit die private Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) beauftragt, was sich im Fall Wirecard als fatal erwiesen hat. Finanzminister Scholz will deshalb die Bafin selbst die Kontrolle durchführen lassen – allerdings nur in Verdachtsfällen. CDU-Politikerin Tillmann fordert, die Bafin auch Stichprobenprüfungen selbst durchführen zu lassen. Das bisherige zweistufige Verfahren habe sich „aus Sicht der Union schlicht nicht bewährt“. Die Grünen wiederum fordern eine sehr viel umfassendere Reform der Bafin. „Alles muss auf den Prüfstand“, sagt Lisa Paus. Ginge es nach ihr, sollte die Finanzaufsicht auch politisch unabhängiger werden und künftig nicht mehr dem Finanzministerium unterstellt sein.

FDP-Politiker Florian Toncar wiederum glaubt, dass eine Bafin-Reform allein wenig bringt. „Wir brauchen vielmehr eine andere Aufsichtskultur“, sagt er. Auf erste Warnhinweise etwa müsse sofort reagiert werden. Auch müssten die einzelnen Abteilungen viel mehr miteinander reden. „Bei der Bafin gibt es mit der Aufsicht für Banken, für Versicherungen und für Wertpapiergeschäfte zu viele Bereiche, die sich zu wenig austauschen“, sagt er. „Da entstehen Datensilos. Würde man die Informationen, die sie sammeln, zusammenführen, hätten sie etwa im Fall Wirecard viel früher aktiv werden können.“

Die Kommunen hingegen bekommen von den Finanzpolitikern wenig Unterstützung. Weil sie anders als Privatanleger nicht unter die Einlagensicherung fallen, droht ihnen der Totalverlust. Im schlimmsten Fall sehen sie von dem bei der Greensill Bank angelegte Geld nichts wieder. Doch FDP-Politiker Toncar sagt: „Auch ein Kämmerer müsste wissen, dass man nicht alle Eier in einen Korb legen sollte.“ Die Kommunen zu entschädigen, wäre der komplett falsche Weg, meint auch Linken-Politiker De Masi. „Das könnte sogar die Risikobereitschaft der Kommunen erhöhen.“ Insolvenzverwalter Frege bleibt nun die letzte Hoffnung für Städte wie Monheim. Äußern will er sich frühestens kommende Woche.

Zur Startseite