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Fast alle wollen dabei sein. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Xing werden für immer mehr Unternehmen zu wichtigen Marketing- und Vertriebskanälen. Damit sich die Präsenz im Netz auch auszahlt, sollten sich Firmen vor dem Start genau überlegen, was sie über diese Plattformen erreichen wollen. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Klinkenputzen im virtuellen Raum

Soziale Netzwerke werden für Firmen immer wichtiger. Aber nicht alle Online-Aktivitäten lohnen sich.

Immer mehr Unternehmen in Deutschland haben eine Social Media-Abteilung oder einen Mitarbeiter, der sich ausschließlich mit den Themen Facebook, Twitter, Xing und anderen Plattformen und Foren beschäftigt. Laut einer Studie des Hightech-Verbands Bitkom setzt fast die Hälfte aller Firmen von Flensburg bis zum Bodensee soziale Medien für ihr Geschäft ein. Für die Untersuchung wurden mehr als 700 Firmen aus allen Bereichen befragt. „Es werden feste Strukturen mit spezialisierten Mitarbeitern und eigenen Budgets geschaffen“, berichtet Bitkom-Chef Dieter Kempf. Social Media-Plattformen seien kein Soll mehr für die Firmen, sondern ein Muss.

Wofür instrumentalisiert die Wirtschaft Chatrooms, I-like-Buttons und Kontaktanfragen über Xing wirklich? Das hat die Studie untersucht. Am häufigsten gaben die Firmenlenker an, den Bekanntheitsgrad ihres Unternehmens mithilfe sozialer Medien steigern zu wollen (82 Prozent). 72 Prozent wollen neue Kunden auf diesem Wege gewinnen. 68 Prozent legen Wert auf Kundenpflege und 42 Prozent wollen ihr Image aufpolieren. 20 Prozent suchen mithilfe von Social Media neue Mitarbeiter.

Dabei sein wollen also die meisten. Aber funktioniert das auch immer so, wie sich die Experten das vorstellen? Was bringt das eigentlich wirklich für Unternehmen – insbesondere in Hinblick auf den Kundenkontakt?

Dieser Frage sind Wissenschaftler der Hochschule Bremerhaven nachgegangen. Sie befragten 500 kleine und mittelständische Unternehmen, was sie genau bei Facebook, Xing und anderen Netzwerken veröffentlichen, im Netz-Slang posten genannt. Ergebnis: Nur wenige nutzen das Potenzial der verschiedenen Plattformen komplett aus. Strategien sind nicht zu erkennen. „Die meisten Unternehmen wissen nicht, was sie bewirken wollen“, konstatiert Studienleiterin Professor Heike Simmet. „Viele handeln eher aus dem Zwang heraus, dabei sein zu müssen.“

Deshalb nutzten gerade viele Mittelständler oft die falschen Kanäle. „Zwar ist Facebook für kleine und mittelständische Unternehmen hochinteressant, aber gerade lokale Plattformen und Bewertungsdienste wie Qype spielen eine zunehmend wichtige Rolle“, sagt Simmet. Auch Couponing-Dienste und mobile Restaurant-Empfehlungen würden oft kurzfristig genutzt.

Auch Michael Dunker, Geschäftsführer der Hamburger Suchmaschinenoptimierungs-Firma Testroom, warnt Mittelständler vor Hyperaktivität in den Foren: „Man sollte nicht einfach lostwittern! Diese neue Instrumente müssen sinnvoll eingesetzt werden.“ Ziel müsse sein, eine „inhaltliche Welt um die eigenen Produkte oder Dienstleistungen herum“ zu entwickeln. Ein Beispiel: Ein Hotel auf Sylt sollte alles zur Insel publizieren: Wie komme ich hin? Was mache ich dort? Wo kann ich essen gehen? Über diese Inhalte kommen dann Menschen zum ersten Mal in Kontakt mit dem Hotel und werden animiert, hier den nächsten Urlaub zu verbringen. „Social Media ist allerdings keine Einbahnstraße“, gibt Dunker zu bedenken. Verbraucher erhielten durch Twitter & Co. eine Stimme, „eine laute sogar“ – sie können im Netz Begeisterung genauso wie Unmut äußern.

Der Chef des Dienstleistungsunternehmens, das durch Technik, Verlinkungen sowie relevante und nutzwertige Texte Kunden hilft, im Ranking von Google und anderen Suchmaschinen nach oben zu rutschen, sagt: „Einige Konzerne haben das bereits begriffen und nehmen die Hinweise aus den Communities ernst, füttern sogar ihr Produktmanagement mit dem Input, um die eigenen Produkte zu verbessern.“

Für Unternehmen haben Social Media-Plattformen eine Doppelfunktion: Sie sind gleichzeitig Sprachrohr für die Firmen, die sich in diesem neuen Medium präsentieren können, und ein „Ohr am Markt“: Unternehmen können die Plattformen als Frühwarnsystem für drohende Krisen nutzen.

Eine zentrale Frage stellen sich alle Unternehmen, die ihre Marketing- und Vertriebsstrategien an die sozialen Netzwerke anpassen: Ist digitales Networking wirklich verkaufsfördernd? „Auf den ersten Blick scheinen die Aktivitäten im Netz nicht viel mit direktem Vertrieb zu tun zu haben“, sagt die Social Media-Expertin und Buch-Autorin Claudia Hilker. Trotzdem hat aus ihrer Sicht Social Media einen sehr wichtigen Stellenwert für Kunden-Akquise und Verkauf: „Soziale Netzwerke sind das Ende der Kalt-Akquise. Damit wird nicht nur die Kommunikation beschleunigt, sondern auch der Verkaufszyklus.“

Zwar ist ein Facebook-Auftritt mit Arbeit verbunden, „aber er zahlt sich langfristig aus“, ist Hilker überzeugt. Der Grund: Ohne großen Aufwand können über soziale Netzwerke Kontakte gepflegt werden. So gelangen wertvolle Informationen ins Unternehmen – auch über Kunden, die über herkömmliche Medien nicht regelmäßig kontaktiert werden können.

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