zum Hauptinhalt
Ein zerstörtes Haus am Ortseingang von Altenahr in Rheinland-Pfalz.

© Boris Roessler/dpa

Klimaschutz und Klimaschäden: Besser jetzt zahlen als später

Nicht nur die aktuelle Flutkatastrophe in Deutschland zeigt: Unterlassener Klimaschutz zieht hohe Kosten nach sich.

Es war die „kopernikanische Wende in der Geschichte der Klimapolitik“. So bewertete der angesehene Klimaexperte Ottmar Edenhofer einen 2006 erschienenen Bericht zur Ökonomie des Klimawandels. Darin hatte der britische Regierungsberater Nicholas Stern erstmals umfassend berechnet, wie teuer es wäre, nichts gegen den Klimawandel zu unternehmen. Alle Fakten führten Stern zu der Schlussfolgerung: „Die Vorteile eines entschlossenen und frühzeitigen Handelns überwiegen bei Weitem die wirtschaftlichen Kosten eines Unterlassens.“

15 Jahre später scheint die Botschaft endlich angekommen zu sein. Die Flutkatastrophe Mitte Juli hat Zerstörungen verursacht, die so in Deutschland nicht für möglich gehaltenen wurden. Auf die verstörenden Bilder reagierten die Politiker:innen mit großen Versprechen.

Am weitesten preschte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit seinem guten Gespür für die öffentliche Meinung vor: Bei der Vorstellung eines neuen bayerischen Klimagesetzes im Landtag forderte er, einen Kohleausstieg schon 2030 zu prüfen. Bayern will Söder mit einem Maßnahmenpaket bis 2040 klimaneutral machen.

Die Kritik kam postwendend: Söder agiere weiter als Klimaschutz-Verhinderer, schrieb Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer am Umweltinstitut München. Die 10H-Regel, die den Abstand zu Windkraftanlagen definiert und den Ausbau der Windkraft in Bayern so gut wie unmöglich mache, solle weiterbestehen. Außerdem habe sich bei der Regierungspressekonferenz herausgestellt, dass die für 2020 angekündigte Solarpflicht für private Neubauten von der bayrischen Staatsregierung wieder kassiert worden sei.

Klimaneutral bis 2040 soll Bayern werden. Durch neue Abstandsregeln aber brach der Zubau der Windkraft ein.
Klimaneutral bis 2040 soll Bayern werden. Durch neue Abstandsregeln aber brach der Zubau der Windkraft ein.

© Björn Trotzki/Imago

Jedes Jahr Verzögerung bringt 300 bis 900 Milliarden Dollar Schäden

Geht also weiter wertvolle Zeit verloren? Was das kosten würde, haben die beiden Klimaforscher Benjamin M. Sanderson und Brian C. O’Neill für eine 2020 in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienenen Studie berechnet. Dafür legten sie Szenarien zugrunde, in denen starker Klimaschutz schon 1980 begann. Zwar sind solche Modellierungen schwierig. So gibt es Uneinigkeit darüber, wie sehr extreme Regenfälle mit der Temperatur steigen. Auch ist nicht sicher, wie genau sich Veränderungen im Klimasystem auf die Wirtschaft auswirken. Das spielte auch schon bei der Kritik an Sterns Berechnungen eine Rolle. Bei aller Vorsicht aber lautet das Ergebnis der Studie: Jedes weitere Jahr Verzögerung beim Klimaschutz bedeutet global zusätzlich 300 bis 900 Milliarden Dollar an Schäden pro Jahr.

Allein 1,7 Milliarden Euro versicherte Schäden verursachte die fast schon vergessene Unwetterserie im Juni mit Hagelstürmen und starken Niederschlägen in Deutschland, meldet der Dachverband der Versicherungswirtschaft GDV. Nach seiner ersten Schätzung zählten die Unwetter damit zu den verheerendsten in der Geschichte. Sie waren für die Sachversicherer jeweils das zweitgrößte Hagel- und Starkregenereignis seit 2002. Die Überschwemmungen nach dem 15. Juli könnten vier bis fünf Milliarden Euro versicherte Schäden nach sich ziehen. Als Soforthilfe hat der Bund 200 Millionen Euro bereitgestellt, die gleiche Summe kommt noch einmal von den Ländern. „Viele Bürgerinnen und Bürger stehen nun buchstäblich vor dem Nichts und sind dringend auf solidarische Hilfe angewiesen“, heißt es in der Kabinettsvorlage dazu.

Doch die Soforthilfen sind nur der Anfang. Allein die Deutsche Bahn wird hohe Kosten tragen müssen. Sie stellte massive Schäden an 80 Bahnhöfen und Gleisen auf mehr als 600 Kilometern Länge fest. Das Hochwasser hat auch Weichen, Signaltechnik, Stellwerke, Brücken und Fahrzeugen zugesetzt. Im Konzern ist Entsetzen über das Ausmaß der Flutkatastrophe zu hören – auch im Vergleich zu früheren Überschwemmungen an Oder und Elbe. Was die Naturgewalten anrichten können, zeigte sich nach dem Hochwasser 2013: Danach war die ICE-Strecke Berlin-Hannover fünf Monate lang nicht befahrbar.

Für Klimaschutz zahlen meist andere als für Klimaschäden

Wie hoch die Kosten künftig sein werden, will ein kürzlich begonnenes Projekt im Auftrag des Bundesumweltministeriums herausfinden. Es berücksichtigt Kosten von Klimaschäden durch Extremwetterereignisse ebenso wie das Voranschreiten des Klimawandels und die Anpassungskosten. Wenn nicht schnell etwas geschieht, dürften die Schäden immer größer werden.

Politisch hilft die Argumentation mit den hohen Kosten von unterlassenem Klimaschutz allerdings nicht unbedingt weiter. Denn für Klimaschutz zahlen meist andere als für Klimaschäden. Nur selten fallen die beiden Gruppen in eins wie beim Energieversorger RWE. Das Unternehmen musste wegen des Einbruchs von Flutwasser in den Braunkohletagebau Inden die Stromerzeugung im Kraftwerk Weisweiler reduzieren und investiert seit Jahren und nach langem Zögern auch massiv in Erneuerbare.

Der Fluss Inde überflutete am 15. Juli einen Deich und drang in den RWE-Tagebau Inden nahe Aachen ein, was die Produktion lahmlegte.
Der Fluss Inde überflutete am 15. Juli einen Deich und drang in den RWE-Tagebau Inden nahe Aachen ein, was die Produktion lahmlegte.

© Alexander Forstreuter/AFP

Für weitere Investitionen in saubere Technologien wie Hochöfen zur Erzeugung von grünem Stahl, die mit Wasserstoff betrieben werden, fallen hohe Kosten an. Zu diesen Investitionen locken lassen sich Unternehmen wohl mit dem Hinweis auf die wirtschaftlichen Chancen von Klimaschutz, wie sie das Umweltbundesamt 2019 berechnet hat. Demnach kommen fast 50 Prozent aller Patentanmeldungen im Bereich Klimaschutz in Europa aus Deutschland, was einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verspricht. Außerdem berechnete die Studie die Kosteneinsparungen durch geringeren Energie- und Ressourcenverbrauch. Den schwierigen Aushandlungsprozess jedoch, wie die Kosten für Klimaschutz gerecht verteilt werden, wird der Politik keiner abnehmen. mit David Renke/Caspar Schwietering/dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false