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In Deutschland werden weniger Kinder adoptiert, das könnte auch an den besseren Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin liegen.

© Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa

Kinderwunsch: Weniger Adoptionen in Deutschland, aber mehr Kinder von "Leihmüttern"

In Deutschland bewerben sich immer weniger Paare für eine Adoption. Das könnte auch an der besseren Reproduktionsmedizin liegen. Einige Methoden sind jedoch umstritten.

In Deutschland werden weniger Kinder adoptiert, was auch an den besseren Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin liegen könnte. Wurden 2006 noch 4748 Kinder und Jugendliche adoptiert, waren es 2016 nur 3976 Kinder und Jugendliche. Für eine Adoption beworben haben sich 2006 noch 9154 Paare, 2016 wurden nur 5266 Bewerbungen eingereicht, teilt das Bundesfamilienministerium mit.

Empirische Untersuchungen zu den möglichen Ursachen der rückläufigen Adoptionszahlen gibt es bisher zwar nicht, sagt ein Sprecher des Ministeriums: „Die moderne Reproduktionsmedizin kommt aber als ein Einflussfaktor in Frage.“ Er verweist auf ältere deutsche Studien, wonach sich zwischen 70 und 90 Prozent aller Adoptionsbewerbungen auf eine Unfruchtbarkeit der Adoptionsinteressenten zurückführen ließen. „Es kann daher angenommen werden, dass die Möglichkeit, ein leibliches Kind mittels moderner Reproduktionsmedizin bekommen zu können, einen Einfluss auf den Wunsch zur Adoption eines Kindes hat.“

Das traditionelle Familienbild hat sich gewandelt

Angesichts der vielfältigen gesellschaftlichen, familien- und sozialpolitischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten müsse allerdings von einer Reihe weiterer möglicher Einflussfaktoren ausgegangen werden.

So habe sich das traditionelle Familienbild gewandelt, verschiedene Familienformen würden heute eher akzeptiert. So würde heute ein Kind seltener zur Adoption freigegeben, um dadurch eine soziale Stigmatisierung zu vermeiden. Alleinerziehende sind heute beispielsweise keine Randgruppe mehr und stehen damit weniger unter Druck, ihr Kind abzugeben.

Mit der "Ehe für Alle" dürfen nun auch schwule und lesbische Paare Pflegekinder aufnehmen.
Mit der "Ehe für Alle" dürfen nun auch schwule und lesbische Paare Pflegekinder aufnehmen.

© imago/Westend61

Weiter gebe es heute bessere Möglichkeiten sowohl zu verhüten als auch eine Schwangerschaft abzubrechen. Auch sei die Kinder- und Jugendhilfe ausgebaut worden, Familien würden bessere Unterstützung erhalten und müssten nicht womöglich aus finanziellen Gründen ein Kind zur Adoption freigeben.

Doch trotz der rückläufigen Zahlen übertrifft die Zahl der Bewerbungen noch immer die Zahl der Kinder, die zur Adoption stehen: 826 Kinder und Jugendliche waren 2016 vorgemerkt, bei 5266 Adoptionsbewerbungen kommen damit im Schnitt sechs Bewerberpaare auf jedes Kind.

Stiefkinder tauchen nicht in der Statistik der vermittelbaren Kinder auf, da die annehmenden Eltern von Anfang an feststehen und somit ein Vermittlungsprozess im klassischen Sinne nicht stattfindet. Die sogenannten Stiefkind-Adoptionen machten 2016 60 Prozent bei den insgesamt 3976 Kindern und Jugendlichen aus.

Auch Regenbogenfamilien können Pflegekinder aufnehmen

Welchen Einfluss die seit dem 1. Oktober 2017 mögliche „Ehe für Alle“ auf die Adoptionsbewerbungen und -zahlen hat, ist nach Angaben des Familienministeriums statistisch noch nicht erfasst – ein Effekt dürfte aber schon bald bemerkbar sein. Denn sobald ein schwules oder lesbisches Paar nun verheiratet ist, können die Ehepartner gemeinsam genauso ein Kind adoptieren wie heterosexuelle Paare auch – wenn sie denn die nötigen Voraussetzungen erfüllen.

Bei den „Kinderwunsch-Tagen“, die am 17. und 18. Februar zum zweiten Mal in Berlin stattfinden, informieren einige Verbände und Vereine deshalb speziell solche Paare, die eine Regenbogenfamilie gründen wollen. So auch das Regenbogenfamilienzentrum des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg. „Es gibt sehr viele Lesben und Schwule mit Kinderwunsch, und wir wollen sie auf der Messe über ihre rechtlichen Möglichkeiten aufklären“, sagt Verbandsgeschäftsführer Jörg Steinert. So wüssten viele gleichgeschlechtliche Paare beispielsweise nicht, dass sie – genau wie Alleinerziehende – seit 2004 Pflegekinder aufnehmen dürften.

Leihmütter tragen für andere Paare Kinder aus. In Deutschland ist dies verboten, in Ländern wie den USA oder der Ukraine aber erlaubt.
Leihmütter tragen für andere Paare Kinder aus. In Deutschland ist dies verboten, in Ländern wie den USA oder der Ukraine aber erlaubt.

© Uli Deck/dpa

Auch andere Aussteller konzentrieren sich bei den „Kinderwunsch-Tagen“ auf homosexuelle Paare, wie beispielsweise das britische Unternehmen PrideAngel, das bei der Suche nach einer Samen- oder Eizellenspende beziehungsweise einem Co-Elternteil vermittelt. Ab einem Betrag von umgerechnet 33 Euro können sich Spender und Empfänger auf der Plattform austauschen – ist ein Samenspender gefunden, darf dieser zwar nicht nach einem Honorar für seinen Samen fragen, wohl aber für seine Spesen: Etwa 400 Euro für eine Insemination bei der Empfängerin zu Hause oder knapp 40 Euro für eine Einzelspende.

80 000 kostet ein Kind von einer "Leihmutter"

Auch Agenturen, die Leihmütter vermitteln, stellen sich auf der Messe vor. Frauen tragen dabei eine fremde befruchtete Eizelle für ein Paar aus, in Deutschland ist dies verboten. Etwa 80.000 Euro kostet ein „Komplettpaket Kind“ in den USA, in der Ukraine ist es ab rund 24.500 Euro zu haben.

Wie viele Kinder deutscher Paare über Leihmütter geboren werden, ist nach Angaben des Auswärtigen Amts nicht erfasst. Deutsche Auslandsvertretungen würden aber „über eine Zunahme solcher Fälle“ berichten, aus den USA und der Ukraine, aber auch aus Kanada, Brasilien, Großbritannien, Russland und Georgien. Allerdings gibt es vor deutschen Gerichten immer wieder Streit um die Anerkennung der Elternschaft von Kindern, die von Leihmüttern im Ausland geboren wurden. Auch müssen sich Paare mit der ethischen Frage auseinandersetzen, dass eine Frau womöglich aus finanzieller Not heraus ihren Körper „verleiht“, um ein Kind zu gebären, das sie dann gleich nach der Geburt abgeben muss.

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