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Statt "Klein-Klein" wünschen sich die Ökonomen in der Klimapolitik klare Vorgaben von der Politik.

© ZB

Update

„Kein Mikromanagement mehr betreiben“: Die Schelte der Ökonomen für die Klimapolitik der Bundesregierung

Weniger Wachstum in diesem, mehr im nächsten Jahr. Entscheidend ist für die Forscher aber, wie die künftige Bundesregierung mit Klima und Rente umgeht.

„Die Krise wird langsam überwunden“. So haben die Ökonomen führender Wirtschaftsforschungsinstitute ihre „Gemeinschaftsdiagnose“ betitelt, die sie zwei Mal pro Jahr erstellen. Doch der positive Spin der Überschrift wird durch die zentralen Zahlen der Analyse überschattet: Nur noch 2,4 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr nach Ansicht der Experten wachsen. Im Frühjahrsgutachten hatten sie noch ein Plus von 3,7 Prozent prognostiziert. Die Aussichten haben sich also deutlich eingetrübt.

Seit dem Frühjahr hat sich die Wirtschaft zwar wieder deutlich belebt, heißt es im Vorwort. „Allerdings behindern im Verarbeitenden Gewerbe Lieferengpässe bei Vorprodukten die Produktion, sodass bislang nur die konsumnahen Dienstleistungsbranchen zulegen“, schreiben die Autoren dort weiter. „Im Winterhalbjahr dürfte die Erholung weiterhin gebremst werden.“ Eine vollständige Normalisierung „kontaktintensiver Aktivitäten“ sei kurzfristig nicht zu erwarten.

Die Forscher machen sich auch über die Inflation Gedanken. Hier rechnen sie bis Jahresende mit steigenden Werten – die im kommenden Jahr aber wieder zurückgehen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 3 Prozent im laufenden Jahr. Im kommenden Jahr wird erwartet, dass der Preisschub etwas nachlässt und die Inflation auf 2,5 Prozent sinkt – das wäre allerdings immer noch ein hohes Niveau.

Man könne für den „akuten Inflationsdruck“ Entwarnung geben, sagte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel. Die Verbraucherpreise würden sich im Verlauf des kommenden Jahres wieder einrenken – auch weil dann ein Sondereffekte wegfallen. So schlägt derzeit die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung des zweiten Halbjahres 2020 voll auf die Teuerung durch.

Arbeitsmarkt und Einkommen auf gutem Weg

Die Arbeitslosenquote dürfte laut Prognose zurückgehen, die verfügbaren Einkommen im kommenden Jahr deutlich steigen. Konkret heißt das: Die Erwerbstätigkeit dürfte weiter zulegen, die Arbeitslosenquote nach 5,9 Prozent im Vorjahr in diesem Jahr im Jahresdurchschnitt auf 5,7 Prozent sinken.

Die Einkommen der privaten Haushalte erhöhen sich laut Prognose in diesem Jahr durch finanzpolitische Maßnahmen wie die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages zu Jahresbeginn. Die Institute rechnen damit, dass die verfügbaren Einkommen um 2,1 Prozent steigen. Im kommenden Jahr dürfte der Anstieg mit 4,4 Prozent höher ausfallen.

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Überhaupt ist der Ausblick für das kommende Jahr in fast jeder Hinsicht besser als der für das laufende. 2022 rechnen die Ökonomen mit einem Wachstum von 4,8 Prozent. In ihrer Frühjahrsprognose waren sie noch von einem Plus von 3,9 Prozent für das nächste Jahr ausgegangen.

Privater Konsum als Treiber der Wirtschaft

Ein maßgeblicher Treiber bei der wirtschaftlichen Erholung werde im kommenden Jahr der private Konsum sein, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. In der Corona-Pandemie haben viele Verbraucher Geld auf die hohe Kante gelegt, die Sparquote ist gestiegen. „Wenn die Pandemie im Frühjahr des kommenden Jahres das Wirtschaftsgeschehen nicht mehr belastet, wird sich der Konsum mit kräftigen Raten erholen“, heißt es in der Prognose.

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben am Donnerstag eine neue Konjunkturprognose vorgelegt.
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben am Donnerstag eine neue Konjunkturprognose vorgelegt.

© Marcus Brandt/dpa

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, die deutsche Wirtschaft erhole sich und wachse. Das Tempo des Wachstums habe sich aber verlangsamt. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte, die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie komme ins Stottern. Die Wirtschaft brauche einen spürbaren „Investitions-Ruck“.

Kritik an bisheriger Klimapolitik

Mit Blick auf die Verhandlungen über eine neue Bundesregierung forderten die Ökonomen die Politik zu Reformen auf. Das Rentensystem sei nicht stabil, sagte Holtemöller. Tatsächlich gehen die Forscher gemessen an der Tonalität sonstiger wissenschaftlicher Gutachten vergleichsweise hart mit der Klimapolitik der bisherigen Bundesregierung ins Gericht. „Die derzeitige Klimapolitik ist zur Erreichung der Emissionsziele nicht hinreichend und für gegebene Ziele unnötig teuer“, heißt es.

„Anstatt durch kleinteilige sektorspezifische Vorgaben oder das Festlegen eines Datums für den Kohleausstieg Mikromanagement zu betreiben, sollte der Staat die CO2-Zertifikate sukzessive reduzieren und es den Marktakteuren überlassen, die kosteneffektivsten CO2-Einsparungen zu finden.“ Da der Großteil der nötigen Investitionen aus privater Hand kommen werde, müssten die Rahmenbedingungen hierfür deutlich verbessert werden, fordern die Forscher weiter.

Dazu komme, dass der „Verteilungsspielraum“ in den kommenden Jahren kleiner werde, so Holtemöller. Das hängt auch mit der Alterung der Gesellschaft zusammen. Weniger Erwerbstätige je Einwohner müssten das Einkommen erwirtschaften, ein größerer Teil des Einkommens als zuvor müsse investiert werden, um den Klimaschutz zu meistern. Holtemöller sagte: „Politik und Bevölkerung in Deutschland haben noch nicht ganz verstanden, dass der Klimaschutz bedeutet, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen.“ (mit dpa)

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