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Zahlreiche Pandemie-Maßnahmen beeinflussen das Preisgefüge.

© Imago Images/Frank Sorge

„Kein Grund zur Panik, aber zur Vorsicht“: Inflationsrate könnte bis Ende 2021 auf vier Prozent klettern

Die Bundesbank erwartet eine Teuerung über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Ökonomen warnen vor Panik. Die FDP empfiehlt Wachsamkeit.   

Die Inflation ist schon seit Monaten zurück, wenn auch in moderater Weise. Aber nun rechnet die Bundesbank damit, dass sie zum Jahresende bis auf vier Prozent anziehen könnte. Diese Prognose steht im neuen Monatsbericht der deutschen Zentralbank, die im Rahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) mitverantwortlich ist für die Kontrolle der Preisentwicklung. Die Inflationsrate dürfte im Laufe des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bis auf diese Höhe anziehen.

Eine längere Phase mit Steigerungen auf diesem Niveau erwarten die Experten der Bundesbank zwar nicht. Doch sprechen sie in dem Bericht auch von einem „gewissen Aufwärtsrisiko für den Preisausblick“, der von teureren Rohstoffen – Rohöl ist schon deutlich teurer geworden -, Nahrungsmitteln und Vorprodukten ausgeht.   

Derzeit steigen die Preise um etwa zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr – auf diesem Niveau liegen auch die aktuellen Prognosen für das Gesamtjahr. Eine Zwei stand zuletzt 2012 vor dem Komma, eine vorübergehende Inflation von vier Prozent gab es zuletzt in den Neunzigerjahren.

Dass nun eine im Vergleich mit den vergangenen zehn Jahren überdurchschnittliche Inflation zu erwarten ist, hat neben Preissteigerungen außerhalb Deutschlands auch mit der Pandemie zu tun. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, sagte dem Tagesspiegel zu den Gründen: „Zum einen war im zweiten Halbjahr 2020 die Mehrwertsteuer reduziert.

Jetzt wird sie wieder voll erhoben. Ab Juli erhöht das vorübergehend die Inflation. Einen ähnlichen Effekt gibt es bei den Ölpreisen, die vergangenes Jahr sehr niedrig waren.“

Diese Faktoren liefen zum Jahresende 2021 wieder aus, sagt Dullien. „Im Januar 2022 ist dann mit einem deutlichen Rückgang der Inflation zu rechnen. Mittel- und langfristig ist nicht damit zu rechnen, dass die Inflation in Deutschland über zwei Prozent bleibt."

Welchen Effekt haben Konjunkturprogramme?

Auch die Bundesbank erwartet im kommenden Jahr wieder eine „Normalisierung“. Das hängt jedoch auch davon ab, wie die nächste Bundesregierung und andere europäische Regierungen auf den Wachstumseinbruch in der Pandemie reagieren. Die neue US-Regierung unter Joe Biden hat ein massives Konjunkturprogramm aufgelegt, das in den USA und auch weltweit schon auf die Preise wirkt – in den USA liegt die Inflation bereits bei 4,2 Prozent.

[Alle aktuellen Entwicklungen in der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

US-Präsident Joe Biden hat ein riesiges Konjunkturpaket geschnürt.
US-Präsident Joe Biden hat ein riesiges Konjunkturpaket geschnürt.

© Brendan Smialowski/AFP

Dass die Zentralbanken angesichts dessen zügig die Zinsen erhöhen, ist nicht zu erwarten. Die amerikanische Fed hat signalisiert, sie werde sich vorerst zurückhalten. EZB-Direktorin Isabel Schnabel sagte Mitte der Woche, man werde „weiterhin die Finanzierungsbedingungen günstig halten, um die Wirtschaft zu unterstützen“. Das Inflationsziel der EZB liegt bei etwa zwei Prozent.

"Auf Geldwertstabilität konzentrieren"

FDP-Fraktionsvize Christian Dürr sagte dem Tagesspiegel, die Vier-Prozent-Erwartung der Bundesbank sei zwar möglicherweise nur ein  Zwischenstand. „Aber sie sollte dennoch Anlass für die EZB sein, sich jetzt verstärkt auf die Geldwertstabilität zu konzentrieren und nicht vorrangig andere politische Ziele zu verfolgen. Die weitere Entwicklung muss dahingehend genau beobachtet werden.“

Jan Schnellenbach, Ökonom an der Universität Cottbus, sagte, man müsse „jetzt  erst einmal nicht zu nervös werden“. Die Inflationsprognose der Bundesbank sei „noch kein Grund zur Panik, aber zur Vorsicht“. Die EZB sollte sich bereit machen, eine restriktivere Politik zu fahren, falls es im Jahr 2022 so weitergehe. Da es im Moment keinen Grund mehr für eine sehr stark expansive Fiskalpolitik gebe, sollte die Regierung zudem überlegen, die Verschuldungsspielräume, die für 2021 und 2022 noch vorgesehen sind, nicht vollständig zu nutzen.

"Gezielte Hilfen bleiben wichtig"

Nach Einschätzung der Bundesbank könnte sich das deutsche Staatsdefizit im laufenden Jahr „auf eine Größenordnung von sechs Prozent des BIP zubewegen“ nach gut vier Prozent im Jahr 2020. „Solange die pandemiebedingten Einschränkungen anhalten, bleiben gezielte fiskalische Hilfen wichtig“, hieß es im Monatsbericht.

Die EU-Staaten hatten wegen der Pandemie erstmals die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgesetzt, wonach das Haushaltsdefizit nicht über drei Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen darf.

Die EU-Kommission plädiert dafür, die Aussetzung der Regeln in diesem Jahr beizubehalten. Die Bundesbank spricht sich dafür aus, erst später im Jahr über die EU-Regeln und die deutsche Schuldenbremse zu entscheiden. „Denn im weiteren Jahresverlauf wird sich wesentlich besser bewerten lassen, ob die jeweilige Ausnahmeklausel noch nötig ist, um die Krisenlage zu überwinden“, argumentierten die Notenbank-Ökonomen. 

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