zum Hauptinhalt
Volkswagen-CEO Herbert Diess mischt sich immer wieder in die Energie- und Verkehrspolitik ein - zum Teil mit überraschenden Forderungen.

© REUTERS

Kaufprämie, Dieselprivileg, erneuerbare Energien: Diese Forderungen stellt VW an SPD, Grüne und FDP

Mit einem Forderungskatalog bringt sich Volkswagen in die Verhandlungen der Ampel-Koalitionäre ein. Was der Autobauer von einer neuen Bundesregierung erwartet.

Der VW-Konzern und sein Vorstandsvorsitzender Herbert Diess haben sich mit politischen Forderungen, Meinungen und Provokationen in den vergangenen Monaten nicht zurückgehalten. Bereits einen Tag nach der Bundestagswahl twitterte Diess zehn Punkte, die der Autohersteller zur Beachtung für künftigen Koalitionsverhandlungen empfahl – etwa beim Thema Subventionen, Ladeinfrastruktur oder CO2-Preis.

Inzwischen hat Volkswagen seine Wunschliste ausgearbeitet und als ein zehn Seiten umfassendes Empfehlungsschreiben an SPD, Grüne und FDP verschickt, die heute mit Koalitionsverhandlungen beginnen wollen. Das Papier, das unter anderem an die Vorsitzenden, Generalsekretäre und Verkehrspolitiker der drei Parteien ging und den Titel „Transformation beschleunigen – Klimaziele erreichen“ trägt, liegt Tagesspiegel Background vor. Volkswagen wollte auf Anfrage keinen Kommentar dazu abgeben.

Der Zwölf-Marken-Konzern schickt seinen Forderungen, die sich wie Regieanweisungen für künftiges Regierungshandeln lesen, voraus, dass die scheidende Bundesregierung mit dem Klimaschutzgesetz und der Förderung von Elektrofahrzeugen „Weichenstellungen in die richtige Richtung“ vorgenommen habe. In der neuen Legislaturperiode müsse nun allerdings das Tempo erhöht werden.

Das Wolfsburger Unternehmen, so erfuhr Background, war von den Parteien im Vorfeld konkret um eine Einschätzung gebeten worden, welche verkehrs-, klima- und energiepolitischen Themen und Wünsche aus seiner Sicht auf die Tagesordnung der Koalitionsgespräche gehören sollten. Solche Konsultationen sind üblich, die thematische Breite allerdings, in der sich ein Autokonzern – und nicht etwa der Branchenverband VDA – in die laufende Regierungsbildung einbringt, ist ungewöhnlich.

Konkret empfiehlt Volkswagen erwartungsgemäß eine weitere Beschleunigung des Hochlaufs der Elektromobilität im Pkw-Individualverkehr. Zugleich schlägt der Autokonzern vor, bei der Förderung stärker zu differenzieren und Verbrennungsmotoren im nationalen Rahmen moderat zu sanktionieren.

Stromer sollen besser als Verbrenner gestellt werden

Die Kaufprämie für reine E-Autos (BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV) solle Ende 2025 auslaufen und bis dahin jedes Jahr sinken: ab 1. Januar 2023 schlägt VW (inklusive Herstelleranteil) 7500 Euro für BEV und 3750 Euro für PHEV vor, ab 2024 dann 6000 Euro für BEV und 3000 Euro für PHEV, von 2025 an 4500 Euro für BEV und 2250 Euro für PHEV. 

Genug Ladepunkte gelten als grundlegend für den Wechsel von Verbrennerautos auf E-Autos.
Genug Ladepunkte gelten als grundlegend für den Wechsel von Verbrennerautos auf E-Autos.

© dpa-tmn

Die steuerliche Förderung von PHEVs würde VW an die tatsächliche elektrische Fahrleistung koppeln. Gefördert werden solle nur, wenn ein überwiegend elektrischer Fahranteil nachgewiesen werde.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bei Dienstwagen - ein wichtiger Geschäftszweig für alle Autobauer - seien elektrische Antriebe bevorzugt steuerlich zu begünstigen. VW schlägt für rein batterieelektrische Autos eine unveränderte Versteuerung der privaten Nutzung von 0,25 Prozent vor, bei Plug-In-Hybriden solle die Versteuerung hingegen auf 0,75 Prozent steigen, die von Verbrennern auf 1,25 Prozent (aktuell ein Prozent).

Wie bereits früher angedeutet, setzt sich der Autobauer für die Beendigung von Subventionen für fossile Energieträger ein, also auch für ein Ende des Dieselprivilegs ab 2023.

Ausbauziele für Ladepunkte

Beim Thema Tempolimit, das die Ampel-Koalitionäre nicht mehr auf der Tagesordnung haben, differenziert VW und bleibt vage. Nicht näher bezifferte Geschwindigkeitsbegrenzungen sollten dort eingeführt werden, „wo Menschen leben und die Unfallgefahr vermindert und der Verkehrsfluss verbessert wird“.

Markenchef Ralf Brandstätter hatte sich im Background-Interview konkreter für Tempo 30 in Wohngebieten ausgesprochen. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen hält VW im Elektrozeitalter für überflüssig.

Um die Städte lebenswerter zu machen, plädiert der Autohersteller für eine Förderung von Fahrrädern, E-Bikes und elektrifizierten Pooling- und Sharing-Diensten. „Mietfahrzeuge sollten eine Mindestquote an vollelektrischen Fahrzeugen von 50 Prozent erfüllen“, heißt es.

Radverkehr in den Städten soll auf Wunsch von Volkswagen ebenfalls gestärkt werden.
Radverkehr in den Städten soll auf Wunsch von Volkswagen ebenfalls gestärkt werden.

© imago images/Jürgen Ritter

Um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen, fordert Volkswagen die künftige Regierung auf, sich für eine Verdopplung der Ausbauziele in allen europäischen Ländern einzusetzen. Die deutschen Kommunen müssten zudem „verbindliche Pläne“ zum Infrastrukturausbau erstellen. 

80 Gigawatt Windkraft an Land bis 2030

Zudem müsse geprüft werden, „ob verbindliche Auflagen zur Bereitstellung von Ladepunkten möglich sind“, etwa für Mehrfamilienhäuser, Betriebe oder Tankstellen. Für den Schwerlastverkehr und Busse sei bis Ende kommenden Jahres ein „Masterplan für den Aufbau einer Hochleistungsladeinfrastruktur“ vorzulegen.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Breiten Raum in dem politischen Empfehlungspapier nehmen auch die Energie-, Industrie- und Standortpolitik ein sowie Ausführungen zum Thema Digitalisierung, soweit sie die Geschäfte des größten Autoherstellers Europas betreffen. Herbert Diess hat in der Vergangenheit auch hier mit Forderungen – etwa nach einem höheren CO2-Preis von mindestens 65 Euro pro Tonne bis 2024 – Schlagzeilen gemacht.

Konkret spricht sich VW zum Beispiel für einen raschen Ausbau der Erneuerbaren Energien aus: auf 80 Gigawatt (GW) Onshore-Windenenergie, 150 GW Photovoltaik und 25 GW Offshore-Windenergie bis 2030. Bis 2040 müssten Offshore 60 GW angestrebt werden. 

Ein spezifisches europäische Zertifikatesystem müsse spätestens bis 2026 für die Sektoren Verkehr und Gebäude eingeführt werden. Die Mehrkosten bei der stromintensiven Herstellung von grünem Stahl, so VW, müssten durch „carbon contracts for difference“ übergangsweise aufgefangen werden. Verpflichtende Abnahmequoten für die Autoindustrie lehnt der Konzern ab.

Inwieweit der politische Vorstoß aus Wolfsburg in den Koalitionsgesprächen Gehör findet, werden die kommenden Tage und Wochen zeigen. Herbert Diess hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er in der Verkehrspolitik mit der Programmatik der Grünen sympathisiert.

Zur Startseite