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Auf der „Jobaktiv“ präsentierten sich in Berlin 2016 über 40 Unternehmen verschiedener Branchen mit Jobangeboten.

© M. Skolimowska/dpa

Recruiting: "Personalakquise ist ein emotionales Ding"

Recruitingbörsen und Jobmessen können die erfolgreiche Suche nach Fachkräften beschleunigen.

Die meisten Jobsuchenden wissen: Vor der Bewerbung steht die Recherche. Was sagen andere auf Internetportalen über den potenziellen Arbeitgeber? Was verrät die Stellenanzeige und wie lassen sich soziale Netzwerke bei der Jobsuche nutzen? Das gilt natürlich auch für zukünftige Arbeitgeber. Sie machen sich auf den Plattformen der sozialen Netzwerke gerne ein genaueres Bild von potenziellen Bewerbern. Trotz dieser Recherchen, kommen Bewerber und Job-Anbieter aber noch nicht unbedingt zusammen.

Mangelnde Kontakte sieht so mancher als Hindernis bei der Suche nach Jobs – und nach geeigneten Bewerbern. Vier von zehn Menschen in Deutschland bezeichnen dies in einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofactals als größte Hürde bei der Jobsuche. Fast genauso viele (42,5 Prozent) haben Schwierigkeiten, die Formulierungen in Stellenanzeigen zu verstehen und festzustellen, was für ein Job sich hinter einer Anzeige verbirgt. Für die Umfrage hatte die Outplacement-Beratung von Rundstedt im März 1030 Menschen aus Deutschland befragt. Weil es nicht so einfach ist, geeignete Bewerber zu suchen und zu finden, gibt es so genannte Recruitingmessen und Recruitingbörsen. Doch auch die haben ihre Vor- und Nachteile. Mit besserer Schulung sollen die einen, mit ausgeklügelten Datenanalysen die anderen optimiert werden. Trennschärfe lautet in beiden Fällen das Zauberwort.

Der Markt für Online-Recruiting-Software-Lösungen wächst deshalb schnell.

Jobmessen sind für Unternehmen oft eine frustrierende Erfahrung

„Wir waren vor Kurzem auf einer Jobmesse in Halle an der Saale“, erinnert sich Matthias Stollberg, Marketingleiter der DELO Industrie Klebstoffe in Windach, eine Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech. „Es war ein Versuch, dort Mitarbeiter für eine sichere Stelle als Produktionsmitarbeiter zu finden, die dafür auch einen Umzug in Betracht ziehen würden. Die Teilnehmer wurden aber eher mit Bussen der Arbeitsagentur dort hingefahren. Die Motivation war wohl recht gering. Bislang: Eine Bewerbung.“

Das Ergebnis überrascht erfahrene Personaler nicht. Wer von einer Jobmesse am liebsten gleich einen Mitarbeiter mit in den eigenen Betrieb nehmen würde, scheitert an den eigenen Erwartungen. Dabei helfen Recruitingmessen bei der Suche nach Fachkräften.

„Aber Unternehmen messen ihren Erfolg oft falsch“, sagt Steffen Braun, Geschäftsführer der TFI GmbH in Wuppertal. „Oft sind dort Menschen, die sich einfach nur informieren wollen, wie bei einem Autokauf.“

Braun hat mit seiner Firma „Talention“ entwickelt, eine Software zur Optimierung von Employer Branding und Personalmarketing. Auf Grundlage von erhobenen Daten werden mit dem Programm Recruiting Prozesse neu gestaltet und fortlaufend optimiert. Er rät Unternehmen, die mehr oder weniger frustriert von Jobmessen zurückkehren, mit potentiellen Kandidaten etwa ein Jahr im Kontakt zu bleiben. „Dann weis ich, wo ich gute Bewerber kennenlerne“, sagt Braun.

Wie findet man die besten Mitarbeiter?

Auf der „Jobaktiv“ präsentierten sich in Berlin 2016 über 40 Unternehmen verschiedener Branchen mit Jobangeboten.
Auf der „Jobaktiv“ präsentierten sich in Berlin 2016 über 40 Unternehmen verschiedener Branchen mit Jobangeboten.

© M. Skolimowska/dpa

Diese Erfahrung machte auch Matthias Stollberg und bestätigt damit die Erfahrungen von Steffen Braun. „Vor kurzem haben wir eine Mitarbeiterin eingestellt, die vor fünf Jahren auf einer Technikermesse an unserem Stand war. Spät, aber ein Erfolg.“ Gute Erfahrungen hat der Marketing-Mann mit Absolventenmessen bei Hochschulen, Technikerschulen und Azubimessen gemacht. Stollbergs Unternehmen DELO hat aktuell 560 Mitarbeiter. Es produziert Hightech- Klebstoffe, die sich nach Unternehmensangaben in jedem zweiten Handy und auch in mehr als fünfzig Prozent aller Autos weltweit finden. An Jobbörsen führe kein Weg vorbei, sagt Stollberg weiter. Börsen seien gut für akademische oder kaufmännische Stellen. „Produktionsmitarbeiter oder Reinigungskräfte erreichen wir darüber aber nicht“, sagt er und spricht damit einen weiteren wichtigen Punkt an. Wie nämlich findet man die besten Mitarbeiter und nicht die, die keiner haben will?

„Für kleinere und mittlere Betriebe ist die Suche nach Fachkräften auch eine Kostenfrage“, sagt Personalerin Almuth Knopp, die in Nürnberg eine Coaching- Agentur betreibt. Doch das Geld sei dabei nicht alles. Wer auf einer Messe einen Stand platziert, ist auch gut beraten, hier das richtige Personal mit potentiellen Bewerbern in Kontakt zu bringen. Selbstdarsteller und Mitarbeiter mit geringer Stressresistenz sind nicht nur fehl am Platz, sondern schaden sogar: „Wenn ein hoffnungsfroher Bewerber auf schlecht gelaunte Mitarbeiter trifft, wird der positive Effekt einer persönlichen Ansprache wieder zunichte gemacht“, sagt Knopp. Die Folge sei, dass nur die B- und C-Klasse weiterhin Interesse an der Firma habe.

„Personalakquise ist ein emotionales Ding“, sagt Coach Almuth Knopp, der Bewerber habe sich meist schon vorher überlegt, welchen Stand er ansteuere. Umso wichtiger sei – neben einem Mitarbeiter, der Sympathie für das Unternehmen weckt – das Erscheinungsbild des Messestandes. Auch Knopp bestätigt Stollbergs Erfahrungen mit der Suche nach Bewerben für die Klebstofffirma DELO. „Wenn alles positiv aufgestellt wäre, dann wäre eine Jobmesse zur Rekrutierung genau das Richtige – wenn man regional und lokal sucht.“

Jobinterviews per Skype kommen in Mode

Ideal sind Messen auch für Berufsanfänger, für Einsteiger, die noch nicht so viele Kontakte zu Unternehmen haben. Diese Bewerber brauchen nämlich in der Regel keine Anschreiben und Zeugnisse vorzubereiten, wenn sie hier mit potentiellen Arbeitgebern ins Gespräch kommen. Anders sieht es bei Älteren aus.

„Sie nutzen gerne das Internet“, hat Almuth Knopp beobachtet. Es hat die Arbeitssuche revolutioniert, auch für die Unternehmen. Kleinere und mittelgroße Betriebe können hier einen Auftritt hinlegen wie ein Großunternehmen. International tätige Firmen rekrutieren Kräfte aus dem Ausland unterdessen über eine erste Sichtung bereits mit Skype-Interviews: Der erste Eindruck ist in der Regel entscheidend und via Skype lassen sich bereits Sprachkenntnisse testen.

Gang und gäbe sind inzwischen auch Persönlichkeitstests in Online-Bereichen auf Rekrutierungsportalen. „Es ist statistisch erwiesen, dass diese Tests eine hohe Aussagekraft für die Verweildauer des Mitarbeiters im Unternehmen haben“, sagt Knopp. Dabei geht es nicht nur um die von jüngeren Mitarbeitern häufig geforderte Work-Life-Balance. „Passt dieser Mitarbeiter in unser Team?“ Das fragen sich Firmen, wenn sie kompatible Typen und Charaktere suchen. Unter diesen Vorzeichen dürften mehr und mehr Videobewerbungen verlangt werden.

Steffen Braun versucht derzeit, diese Faktoren in seine Algorithmen und Datenstrukturen einzupflegen. Vor allem fragt er sich, warum Bewerber manchmal doch die Suche abbrechen, trotz hoher Seitenklickzahlen. „Sie können die beste Stellenanzeigen in einer Recruitingbörse haben, aber wenn ich mich überall durchklicken muss, dann ist das tödlich“, sagt Braun. Von 100 Menschen, die über sein Programm „Talention“ Stellenangebote aufrufen, klicken gerade einmal acht auf den Button „Jetzt bewerben“. Davon schicken – statistisch gesehen – vier eine Bewerbung ab. Da geht noch mehr.

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