zum Hauptinhalt

Jobsuche: Beruf: Weltverbesserer

Wer sich für Weltfrieden, Umwelt oder soziale Gerechtigkeit engagiert, muss bei der Bezahlung oft Abstriche machen. Warum es sich trotzdem lohnt – und wie der Einstieg gelingt.

Seine erste Station war Guatemala. Christian Katzer half dort, für eine kleine Hilfsorganisation Schulen zu bauen. „Das war noch während des Studiums“, erzählt der Bauingenieur. Danach hat er für Ärzte ohne Grenzen in Liberia durch den Bürgerkrieg beschädigte Krankenhäuser saniert. Später ging er für Projekte der medizinischen Hilfsorganisation nach Somalia, Uganda, Ost-Timor und Afghanistan.

Das Arbeiten in solchen Hilfsprojekten sei zwar kein einfacher Job mit geregeltem Feierabend. Meist drehe sich vor Ort alles um die Arbeit, das ungewohnte Klima mache zu schaffen und die Lebensbedingungen seien recht einfach. „Doppelzimmer, Dusche auf dem Flur, mehr ist manchmal in Krisengebieten nicht drin“, sagt er. Langfristig werde man aber in der Regel im Einzelzimmer untergebracht. Superhart sei das Leben vor Ort nicht. Jeder arbeite nach seinen Kräften.

Inzwischen begleitet Christian Katzer die Projekte von Berlin aus. Der 37-Jährige ist heute stellvertretender Leiter der Projektabteilung in der deutschen Geschäftsstelle von Ärzte ohne Grenzen.

Wie Amnesty International, Oxfam, Transparency International und Greenpeace gehört Ärzte ohne Grenzen zu den „NGOs“, den Non-Governmental Organisations – nichtstaatlichen Organisationen zu Deutsch. Sie setzen sich gegen Armut und für Menschenrechte, gegen Korruption und für Umweltschutz, für Frieden oder soziale Gerechtigkeit ein.

Seit der Neuordnung der internationalen Politik in den vergangenen 20 Jahren ist ihre Anzahl erheblich gestiegen. Laut Bundeszentrale für politische Bildung gab es 1991 rund 4600 NGOs, 2007 waren es 7600. Und auch ihre Bedeutung ist gewachsen. NGOs treten als Lobbyistenverbände auf, machen mit Kampagnen auf ihre Anliegen aufmerksam, setzen Projekte um. Sie bündeln Expertise in der Umwelt-, Not- und Katastrophenhilfe sowie der Menschenrechts- und Entwicklungspolitik. Dieses Mehr an Präsenz erfordert auch neue Arbeitsweisen.

„NGOs sind heute unternehmensartig strukturiert“, erklärt Christiane Frantz von der Universität Münster und Autorin der Studie „Karriere in NGOs. Politik als Beruf jenseits der Parteien“. Die Anforderungen an das Personal seien erheblich gestiegen. Vor 20 Jahren waren NGOs vorrangig durch ehrenamtliche Mitarbeiter geprägt, von denen einige über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Festanstellungen bekamen, sagt sie. Heute sind im Ausland als auch in den Büros in Deutschland qualifizierte Mitarbeiter gesucht.

Frantz unterscheidet vier Typen, die gefragt sind: Es gibt den „NGO-Technokrat“, der über ein Fachstudium, etwa in Agrarwissenschaften oder Umwelttechnologie, in die Arbeit einsteigt und sich oft in einer bestimmten Region sehr gut auskennt. Der „NGO-Generalist“ mit geisteswissenschaftlichen Studium hat durch Praktika und Auslandsaufenthalte den Einstieg gefunden und wird etwa in der politischen Strategieentwicklung eingesetzt. Der „NGO-Theologe“ setzt bei christlichen Organisationen seine religiösen Normen und Werte außerhalb der Amtskirche um. Der „Quereinsteiger“ dagegen wechselt von der Wirtschaft zu einer NGO, häufig weil er seine Arbeit dort als sinnvoller und nachhaltiger erlebt.

Auch heute noch braucht man für den Einstieg viel Engagement – und muss beim Verdienst oft erst einmal große Abstriche machen. Das war auch bei Christian Katzer so. Bevor er sich bei Ärzte ohne Grenzen auf seinen ersten Auslandseinsatz bewarb, arbeitete er als Freiwilliger im Berliner Büro. Zwischen den Projekten im Ausland hielt er sich finanziell mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Auch die Projekte selbst werden nicht gerade üppig bezahlt: Einsteiger erhalten etwa 800 Euro brutto monatlich, Ärzte ohne Grenzen kommt für Unterkunft, Verpflegung und Versicherungen auf.

Die Organisation verstehe sich als Freiwilligenorganisation, erklärt Katzer das. Von den Mitarbeitern werde ein hoher Einsatz verlangt. Mit wachsender Erfahrung steigt die Honorierung, erreicht allerdings nicht das deutsche Lohnniveau.

Neben Medizinern, Apothekern und Krankenpflegern schickt Ärzte ohne Grenzen auch Logistiker, Ingenieure, Sanitärfachkräfte und Finanzexperten ins Ausland. „Man bewirbt sich bei uns nicht für eine bestimmte Stelle, sondern für einen Pool, aus dem die Projektmitarbeiter entsprechend ihrer Erfahrung ausgewählt werden“, erklärt er. Bewerber sollten bereit sein, ebenso in Afrika als auch in Usbekistan anzupacken. Zwei Jahre Berufserfahrung und Erfahrungen in der Personalführung sowie sehr gutes Englisch und Teamfähigkeit werden vorausgesetzt. Für die Stellen in Deutschland wiederum folgt der Bewerbung wie üblich ein Auswahlgespräch und ein Test, in dem Fachwissen abgefragt wird.

Wer bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International arbeiten will, sollte je nach Aufgabe ein Studium etwa in Jura, Politikwissenschaft oder Kommunikationswissenschaft mitbringen. Von den knapp 50 festangestellten Mitarbeitern in den Büros in Berlin und Bonn sind einige als Praktikanten oder Werkstudenten eingestiegen. Hilfreich sei, wenn Bewerber ehrenamtliches Engagement vorweisen, sagt Vorstandssprecher Stefan Keßler. Die Aufstiegschancen sind nicht gerade groß. „Karriereleitern wie in der Wirtschaft gibt es bei uns nicht, da wir relativ flache Hierarchien haben“, so Keßler. Bezahlt werden die Mitarbeiter nach dem Haustarifvertrag.

Christian Katzer verdient bei Ärzte ohne Grenzen zwar weniger als ein Ingenieur in der Wirtschaft. Aber er kann gut davon leben, sagt er. Sein Job macht ihm viel Spaß. Dennoch. Irgendwann wird es ihn wohl wieder ins Ausland ziehen.

Stellenangebote gibt es auf den Webseiten der Organisationen sowie z.B. unter www.entwicklungsdienst.de, www.idealist.org, www.eurobrussels.com/jobs/ngo oder in den kostenpflichtigen Job-Newslettern von www.epojobs.de oder www.cinfo.ch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false