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Sie stylt vielleicht bald Kunden in Mailand: Gesellin Alice Jahn will wieder ins Ausland.

© Mike Wolff

Auslandspraktikum: Frischer Schnitt für London

Für ihre Ausbildung als Friseurin, ging Alice Jahn mit 16 kurzerhand nach Berlin. Im dritten Lehrjahr zog es die junge Frau dann in die nächste Metropole: Einen Monat arbeitete sie in einem Salon in London, gefördert über das EU-Programm „Leonardo da Vinci“. Anfangs nicht leicht – aber dann „war es richtig cool!“.

Für Alice Jahn stand schon immer fest, dass sie eines Tages in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und Friseurin werden würde. Bereits als ganz kleines Mädchen hat sie ihrer Mutter im Salon bei der Arbeit zugeschaut und sich mit fünf Jahren dann zum ersten Mal hinter den Stuhl gestellt und gefragt: „Zeig mal, wie das geht.“

Mit 16 zog sie dann für die Ausbildung von Neuruppin nach Berlin in ihre erste eigene Wohnung. „Angst hatte ich keine“, sagt die quirlige junge Frau, die gerade 20 geworden ist und ihre Lehre erfolgreich beendet hat. „Bei Mama wollte ich die Ausbildung nicht machen und habe mir stattdessen einen Salon in Berlin ausgesucht, der im Luxussegment arbeitet. Ich wollte so möglichst viel lernen.“ Und weil sie ihren Horizont noch mehr erweitern wollte, hat sie sich im dritten Ausbildungsjahr für einen Auslandsaufenthalt entschieden.

„Die Idee dazu habe ich aus einer Fachzeitschrift, die mir meine Mama gegeben hat“, erzählt Alice Jahn. In einem Bericht hat sie von den Fördermöglichkeiten für Auslandspraktika im Rahmen des europäischen Programms für die berufliche Bildung „Leonardo da Vinci“ gelesen und sich prompt dazu entschlossen, auch für vier Wochen ins Ausland zu gehen. Die Wahl des Ziellandes war einfach: Großbritannien. „London, in meine Traumstadt“, sagt sie.

Im Februar hat sie ihren Chef um Erlaubnis gefragt, ob es im Oktober klappen könnte. „Erst hieß es nein, aber dann dufte ich doch“, erzählt Jahn. „Ich habe mich um ein Stipendium beworben und mit Frau Boy von der Handwerkskammer gesprochen.“ (siehe Artikel rechts) Organisiert hat sie den Aufenthalt komplett selbst: den Praktikumsbetrieb, die Gastfamilie, den Flug. Den vorbereitenden Sprachkurs hat sie kurz vor ihrer Abreise bei einer Entsendungsorganisation in Magdeburg gemacht, weil zu der Zeit in Berlin keine Plätze frei waren.

„Ich hatte mir eigentlich einen Salon in London ausgesucht, der in einer ähnlich hohen Preisklasse angesiedelt ist wie der Berliner Salon, in dem ich gelernt habe“, sagt sie. „Aber zu meiner großen Überraschung war das dann bloß ein Cut-and-Go-Laden.“ Eine ihrer ersten Erkenntnisse war also, dass ein Friseurbesuch in England wesentlich teurer ist als in Deutschland. „Der Salon war in Mayfair, ganz in der Nähe vom London Eye. Die Leute waren sehr sympathisch und überhaupt nicht abgehoben.“

Zum Glück, denn gleich am ersten Tag hatte Alice Jahn ein Problem. „Ich bin hin, um mich vorzustellen: ,Hallo, ich bin Alice, Eure neue Praktikantin.’ Aber die Angestellten wussten nichts davon, dass sie mich jetzt vier Wochen bei sich haben würden. Das war schon merkwürdig, und ich habe mir gewünscht, dass der Monat ganz schnell rumgeht“, so Jahn. Aber dann hatte sie doch eine gute Zeit und konnte es kaum fassen, als der Aufenthalt zu Ende ging. „Das war richtig cool!“

Profitiert hat sie vor allem sprachlich und kulturell, sagt sie. „Ich kann mich mit meinen internationalen Kunden jetzt viel besser verständigen.“ Aus beruflicher Sicht hatte sie allerdings das Gefühl, plötzlich wieder im ersten Lehrjahr zu sein. „Das liegt daran, dass in England die Azubis drei bis vier Jahre nur zur Schule gehen und keine Praxiserfahrung haben. In Deutschland ist man als Azubi im zweiten Lehrjahr eine vollwertige Arbeitskraft – und da halt nicht.“ Sie habe dann statt zu schneiden und neue Techniken zu lernen, Kunden die Haare gewaschen und den Salon gefegt. Am Ende durfte sie dann aber doch noch einer Kundin die Haare färben und hat ihren Kollegen sogar noch etwas beibringen können.

„Ich möchte jetzt als Gesellin auf jeden Fall noch mal ein Auslandspraktikum machen“, so Jahn. „Dann aber für sechs Monate und am liebsten wieder in London. Aber ich könnte mir auch ein Praktikum in der Modemetropole Mailand vorstellen. Mal sehen.“

Tong-Jin Smith

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